Starmer holt Minouche Shafik
Keir Starmer holt Minouche Shafik
von Andreas Hippin, London
Der britische Premierminister Keir Starmer hat die ehemalige Notenbankerin Nemat „Minouche“ Shafik zum Chief Economic Adviser gemacht. Die Personalie ist Teil der Bemühungen der Regierung, Wachstum und Produktivität voranzutreiben. Zuvor hatte Schatzkanzlerin Rachel Reeves dem ehemaligen Chef der linksliberalen Denkfabrik Resolution Foundation, Torsten Bell, mehr Verantwortung für wirtschaftspolitische Themen übertragen.
Shafik war einst als Nachfolgerin für Mark Carney an der Spitze der Bank of England im Gespräch. Sie wäre in der mehr als drei Jahrhunderte währenden Geschichte der Notenbank die erste Frau auf dem Posten gewesen. Angeblich wollte man sie nicht, weil sie gegen den Austritt Großbritanniens aus der EU Stellung bezogen hatte. Shafik und Bell kennen sich bereits von früheren gemeinsamen Projekten. Vor zwei Jahren saß die Ökonomin der „Economy 2030 Inquiry“ der Resolution Foundation vor.
Beeindruckender Lebenslauf
Die in Alexandria geborene Ägypterin war mehrere Jahre lang beim Internationalen Währungsfonds (IWF) als stellvertretende Direktorin tätig. Sie hat an der American University in Kairo studiert. Danach erwarb sie Abschlüsse der University of Massachusetts Amherst, der London School of Economics und einen PhD in Volkswirtschaft des St. Anthony’s College in Oxford. Ihre Karriere in Politik und Verwaltung begann im britischen Entwicklungshilfeministerium.
Shafik fungierte unter Carney als stellvertretende Gouverneurin der Bank of England, kürzte ihre fünfjährige Amtszeit dann jedoch auf zwei Jahre ab, um ihren „Traumjob“, die Führung der London School of Economics (LSE), zu übernehmen. Der „Observer“ bezifferte ihr jährliches Grundgehalt an der Hochschule auf 348.000 Pfund.
„Schädliche“ Idee
Zeit zum Schreiben hatte die Baroness dort auch: Ihr Buch „Was wir einander schulden. Ein neuer Gesellschaftsvertrag“ gibt Aufschluss darüber, wie sie sich die Welt vorstellt. „Die Idee, dass man Erfolg hat, weil man intelligent ist und hart arbeitet, ist schädlich und falsch, weil sie bedeutet, dass jeder, der keinen Erfolg hat, dumm und faul ist“, sagte sie der Zeitung.
Im Januar 2023 wurde sie zur Präsidentin der Columbia University in New York berufen. Am 4.10.2023 fand ihre Amtseinführung statt. Wenige Tage später überfielen Palästinenser aus dem Gaza-Streifen israelische Siedlungen und Veranstaltungen. Mehr als 1.200 Menschen wurden ermordet. Die militärische Reaktion Israels löste an der Columbia anti-israelische Proteste aus. Jüdische Studierende wurde bedroht.
Zwischen den Fronten
Shafik wurde von der einen Seite dafür kritisiert, nicht genug getan zu haben, um dem virulenten Antisemitismus, der bei den Protesten zu Tage trat, vorzubeugen. Von der anderen Seite wurde sie dafür angegangen, dass sie Forderungen der anti-israelischen Boykottbewegung nicht nachkommen wollte und am Ende die New Yorker Polizei zu Hilfe rief, um die Ordnung auf dem Campus wieder herzustellen. Im August 2024 trat sie zurück.
Danach arbeitete sie für den britischen Außenminister David Lammy an einer Überprüfung der britischen Entwicklungshilfe. Seit Januar sitzt sie dem Treuhänderausschuss des Londoner Victoria & Albert Museums vor. Mit neuen Ideen wird Shafik wohl nicht aufwarten können. Dazu ist sie viel zu sehr Teil des Establishments.