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Prinzessin mit verrutschtem Krönchen

„Backfire“ nennt sich die erste Single der chinesischen Popmusikdebütantin Annabel Yao. Ein denkbar gut gewählter Titel, denn der Schuss ist tatsächlich voll nach hinten losgegangen. Das 23-jährige Popsternchen in spe hat es zwar geschafft, für ein...

Prinzessin mit verrutschtem Krönchen

„Backfire“ nennt sich die erste Single der chinesischen Popmusikdebütantin Annabel Yao. Ein denkbar gut gewählter Titel, denn der Schuss ist tatsächlich voll nach hinten losgegangen. Das 23-jährige Popsternchen in spe hat es zwar geschafft, für ein paar Tage auf der Trendliste chinesischer sozialer Medien ganz oben zu stehen, aber nur weil die Lästermäuler im Netz ein ganzes Weilchen brauchten, um sich richtig auszutoben. In höflicher Kurzfassung lautet die Kritik, dass sich bei Yao stimmliche Unzulänglichkeiten mit spärlichem Bewegungstalent und mangelnder Ausstrahlungskraft paaren. Keine idealen Voraussetzungen für eine Chartstürmerkarriere.

Man könnte rasch wieder zur Tagesordnung übergehen, wenn es sich bei Yao nicht um eine Prinzessin handeln würde. Natürlich hat Chinas Kommunistische Partei Adelsgeschlechtern längst den Garaus gemacht, aber selbst in einer klassenlosen Gesellschaft gibt es ein gewisses Grundbedürfnis an „royality gossip“. Die Prinzessinnen der Neuzeit sind Töchterchen aus allerbestem Hause, nämlich Sprösslinge chinesischer Unternehmensbarone und Immobilienfürsten. Die Tycoons neigen dazu, sich in bereits vorgerücktem Alter in zweiter und dritter Ehe mit besonders gut gewachsenen Models, Schauspielerinnen, Sängerinnen oder auch Sekretärinnen zu verbinden und ihre Reproduktionsfähigkeit nochmals unter Beweis zu stellen. Das Resultat sind dann meist Kinder, denen Statusdenken schon in die Wiege gelegt wurde.

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Annabel Yao ist eine Tochter aus der zweiten Ehe (von bislang drei) der Unternehmerlegende Ren Zhengfei, des Gründers und Chefs des chinesischen Technologieriesen und Smartphonebauers Huawei. Obwohl sie allerlei Anstrengungen unternommen hat, als High-Society- und Party-Girl öffentlich zu punkten, kann ihr Bekanntheitsgrad mit dem ihrer tüchtigen und eher biederen Halbschwester Meng Wanzhou, einer Tochter aus erster Ehe des Huawei-Patriarchen, nicht ganz mithalten. Meng wurde nämlich unwillentlich zu einer zentralen Figur im epochalen Handels- und Technologiestreit zwischen China und den USA.

Vor zwei Jahren wurde Meng als damalige Finanzchefin von Huawei auf US-Geheiß im kanadischen Vancouver festgenommen und ist Gegenstand eines umstrittenen Auslieferungsverfahrens wegen angeblicher Verstöße Huaweis gegen Iran-Sanktionen. Nun muss die Huawei-Märtyrerin in Vancouver nicht etwa in U-Haft sitzen und auf einer Pritsche schlafen, sondern darf es sich in einer reizvoll gelegenen Prunkimmobilie für die Dauer des Gerichtsmarathons bequem machen. Für Chinesen gilt sie dennoch als eine gramgebeugte Mitleidsgestalt, mit deren ungewissem juristischen Schicksal sich Millionen solidarisieren.

Entsprechend fällt das Kontrastprogramm der glamourösen und elitebewussten Annabel auf. Diese hat ihren Lebenslauf stilsicher mit einem Abschluss in Computer Science an der Harvard University garniert und ist ansonsten ganz auf Jetset-Leben programmiert. So sorgte Yao beispielsweise in Paris auf dem jährlichen „Bal des Débutantes“ für Furore. Als eine von drei Auserwählten für den Eröffnungswalzer soll sie der Pariser Klatschpresse zufolge eine hervorragende Figur gemacht haben. Dass die Tochter eines der Kommunistischen Partei angehörenden Vorzeigeunternehmers auf einem Debütantinnenball als Inbegriff der Dekadenz westlicher sozialer Eliten mitmischt, ist für viele Chinesen starker Tobak.

Der Tenor lautet, dass nur der privilegierte Background und nicht die eigene Begabung Yao den Weg nach Harvard ebnete und sie bei einem bekannten Musik-Label unterkommen ließ. Die Promotionskampagne für ihre Entertainmentkarriere schwelgt geradezu in höfischer und royalistischer Symbolik. Zu allem Überfluss kokettiert Yao dabei mit einer Etikettierung als „rebellische Prinzessin“, die ungeachtet der Familienprivilegien ihr eigenes Ding macht und sich in Lack und Leder eine neue Existenz im Popzirkus aufbaut. Ein schwieriges Unterfangen, denn nach Auffassung der Netzgemeinde erreicht Annabels neue Single noch nicht einmal die Qualitätsschwelle für einen Huawei-Handy-Klingelton.

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