Sebastian Beyer und Nikolaus Plagemann

Corporate Governance Kodex stellt neue Anforderungen

In der Neufassung des Corporate Governance Kodex sind Aufsichtsräte angehalten, sich verstärkt mit Nachhaltigkeitsthemen zu befassen und individuelle Kompetenzen in den Gremien festzulegen.

Corporate Governance Kodex stellt neue Anforderungen

Herr Plagemann, Herr Beyer, der Deutsche Corporate Governance Kodex ist kürzlich in einigen Punkten angepasst worden. Geht es vorrangig um die Verankerung von ESG-Aspekten in dem Regelwerk?

Plagemann: Der Neufassung des Kodex liegen zwei Anliegen zugrunde. Zum einen ging es um die Verdeutlichung der Bedeutung von Nachhaltigkeitsfaktoren bei der Un­ternehmensführung. Zum anderen wurde der Kodex an die Änderungen des Aktiengesetzes durch das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität und das Zweite Führungspositionen-Gesetz durch eher technische Neuerungen angepasst.

Sind die Änderungen aus Ihrer Sicht zielführend?

Beyer: Viele Beobachter unterstellen Führungsetagen ein generelles Defizit in Nachhaltigkeitsfragen. Unserer Erfahrung nach verstehen die Gremien dieses vielschichtige und dynamische Feld sowie seine Bedeutung und stehen ihm aufgeschlossen gegenüber, während seine Facetten teilweise noch nicht hinreichend greifbar sind. Eine Befolgung der neuen Kodexempfehlungen kann daher ein weiterer Schritt zur Optimierung der Corporate Governance sein. Entscheidend ist stets, dass diese Aspekte auch „gelebt“, also bei Entscheidungen berücksichtigt werden, zumal vermehrt Vorstand und insbesondere auch Aufsichtsrat an­dernfalls eine Pflichtverletzung vorgeworfen wird.

Welche Fragen lässt der Kodex offen?

Plagemann: Neuerdings soll das Kompetenzprofil des Aufsichtsrats auch Expertise zu den für das Unternehmen bedeutsamen Nachhaltigkeitsfragen umfassen. Welche Fragen und Kompetenzen dies betrifft, muss die Praxis definieren. Eine generische Qualifikation hilft kaum: Nur ein spezifischer Bezug zu Unternehmen, Geschäftstätigkeit und ak­tueller Lage ermöglicht dem Aufsichtsrat eine effektive Beratung und Überwachung bei strategischen Nachhaltigkeitsthemen und konkreten Einzelfragen. Aufsichtsräte müssen daher ihre Nachfolgeplanungen überprüfen und möglicherweise in­dividuelle Kompetenzen definieren. Bei Kandidatinnen und Kandidaten wird ein besonderes Augenmerk auf einschlägigen Qualifikationen liegen. Dies gilt auch bei Verzicht auf ein Kompetenzprofil, denn zahlreiche Stakeholder erwarten bereits jetzt hinreichende Nachhaltigkeitsexpertise.

Sie sprechen die neuen Anforderungen an die Kompetenzprofile von Aufsichtsräten an. Welche Konsequenzen für die einzelnen Gremienmitglieder hat das?

Beyer: Sie sollten sich verstärkt mit den relevanten Nachhaltigkeitsfragen befassen und soweit nötig in die betreffenden Fachgebiete einarbeiten. Mögliche Kandidatinnen und Kandidaten für den Aufsichtsrat sollten prüfen, welche Fortbildungsmaßnahmen ihr persönliches Skillset noch „aufsichtsratstauglicher“ machen können. Nach dem neuen Kodex soll eine Qualifikationsmatrix die Umsetzung des Kompetenzprofils offengelegen. Sobald sich eine transparente Praxis herausgebildet hat, werden interessierte Kreise die fachliche Kompetenz im Einzelfall leichter beurteilen und sich damit kritisch auseinandersetzen können. Wenn Aufsichtsratsmitglieder ihre Kompetenzen aktuell halten und vertiefen, bewirkt dies eine weitere Professionalisierung der Aufsichtsratsarbeit. Das ist bedeutsam, auch um im Vergleich mit anderen Unternehmen nicht ins Hintertreffen zu geraten.

Gibt es Themen, die die Kodex-Kommission zukünftig aufgreifen sollte?

Plagemann: Es ist vorstellbar, dass der Kodex weitergehende Anfor­derungen an die Kompetenz gerade von Aufsichtsratsmitgliedern stellen wird. Dabei wird auch die künftige Entwicklung relevant sein, etwa wie die Unternehmen die Digitale Transformation bewältigen. Es gilt aber bisweilen auch der Grundsatz: „Weniger ist mehr.“ So hatten wir im Rahmen der Konsultation zum neuen Kodex etwa vorgeschlagen, die Anregung, die Teilnahme an Aufsichtsratssitzungen über Telefon oder Video solle nicht die Regel sein, nach den Erfahrungen aus der Pandemie auch zur Einsparung von Emissionen und Reisekosten zu überdenken. In der Neufassung ist diese Bestimmung nicht mehr enthalten, so dass sowohl der Nachhaltigkeitsgedanke als auch der Ruf nach Deregulierung Widerhall fanden.

Dr. Sebastian Beyer und Nikolaus Plagemann sind Salary Partner von Taylor Wessing.

Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.

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