Jan Bonhage, Hengeler Mueller

EU geht gegen Subventionen aus Drittstaaten vor

Das neue Regelwerk gegen wettbewerbsverzerrende drittstaatliche Subventionen schafft zusätzliche Meldepflichten, wirkt sich auf die M&A-Praxis aus und schafft Rechtsunsicherheiten.

EU geht gegen Subventionen aus Drittstaaten vor

Sabine Wadewitz

Herr Dr. Bonhage, die Europäische Union hat die Verordnung über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen veröffentlicht. Was beinhaltet das neue Regelwerk?

Ziel ist es zwar, insbesondere Unternehmensübernahmen aus Drittstaaten – besonders aus China –  einer kritischeren Prüfung zu unterziehen. Das neue Regelwerk greift aber ebenso für europäische wie für nicht-europäische Unternehmen. Maßgebend ist, ob finanzielle Zuwendungen aus Drittstaaten eine Investition des subventionierten Unternehmens im Binnenmarkt erleichtern und potenziell wettbewerbsverzerrende Wirkungen entfalten. Das umfasst auch etwa zinsvergünstigte Darlehen oder Bürgschaften, Steueranreize, Investitionszuschüsse, Forderungsverzichte oder Gegenleistungen für Leistungen an die öffentliche Hand. Die am Tag vor Weihnachten veröffentlichte Verordnung mit dem unglücklichen Kürzel SADVO gilt im Wesentlichen ab dem 12. Juli 2023, die Meldepflichten an die Europäische Kommission bestehen ab 12. Oktober 2023.

Welche Instrumente sollen hier greifen?

Die Europäische Kommission wird mit drei weitreichenden Instrumente ausgestattet, um gegen etwaige wettbewerbsverzerrende drittstaatliche Subventionen vorzugehen. Dies ist zunächst eine zusätzliche Meldepflicht neben den fusionskontroll- und außenwirtschaftsrechtlichen Meldungen, nach der M&A-Transaktionen angezeigt werden müssen, wenn die beteiligten Unternehmen in den letzten drei Jahren insgesamt mehr als 50 Mill. Euro. finanzielle Zuwendungen von Nicht-EU-Staaten erhalten haben. Betroffen sind alle Übernahmen von Zielunternehmen mit EU-weitem Umsatz von über 500 Mill. Euro. Daneben können öffentliche Vergabeverfahren mit Auftragsvolumina von mehr als 250 Mill. Euro untersucht werden. Unternehmen müssen anzeigen, wenn sie in den letzten drei Jahren mindestens 4 Mill. Euro finanzielle Zuwendungen von Nicht-EU-Staaten erhalten haben, und müssen unterhalb dieser Schwelle eine vollständige Liste der finanziellen Zuwendungen einreichen.

Mit welchen Folgen?

Unter beiden Instrumenten wird geprüft, ob die finanzielle Zuwendung als Subvention zu qualifizieren ist, also dem Staat zurechenbar ist und einen selektiven Vorteil gewährt, und ob diese Subvention wettbewerbsverzerrende Auswirkungen hat und gegebenenfalls Abhilfemaßnahmen erforderlich sind. Auch unterhalb der Aufgreifschwellen können bei Verdacht auf Wettbewerbsverzerrungen von Amts wegen Untersuchungen eingeleitet werden.

Droht mit der Verordnung bei Fusionen und Übernahmen ein weiterer Bremsklotz neben der Fusionskontrolle und Investitionsprüfungen?

Wenn die Aufgreifschwellen erreicht sind, muss die Transaktion sowohl nach der Fusionskontroll- als auch der neuen Verordnung bei der Europäischen Kommission und daneben gegebenenfalls in Investitionsprüfverfahren bei nationalen Behörden angemeldet werden. Zwar ist das Verfahren einschließlich Fristen an das gängige Fusionskontrollverfahren angelehnt, jedoch sind die praktischen Auswirkungen noch unklar.

Was erwarten Sie?

Die parallele Prüfung wird voraussichtlich durch unterschiedliche Einheiten durchgeführt. Es wird sich zeigen müssen, wie Abweichungen zum Beispiel im Zeitplan, bei der Behandlung ähnlicher Fragen oder bei Verhandlungen über Auflagen gehandhabt und koordiniert werden. Dies kann zu Unwägbarkeiten und insbesondere Verzögerungen in M&A-Transaktionen führen. Bis hier erste praktische Erfahrungen und klarstellende Leitlinien der Europäischen Kommission vorliegen, be­stehen für die Parteien erhebliche Rechtsunsicherheiten.

Wie können sich Marktakteure auf das neue Regelwerk vorbereiten?

Die neue Verordnung bringt einen erheblichen Mehraufwand für größere in der EU aktive oder dort investierende Unternehmen mit sich. Daher sollte frühzeitig begonnen werden, alle weltweiten Aktivitäten auf erhaltene finanzielle Zuwendungen aus Nicht-EU-Staaten aus den letzten fünf Jahren durchzugehen und aktuell abrufbar zu halten.

Dr. Jan Bonhage ist Partner der Kanzlei Hengeler Mueller in Berlin und Brüssel.

Die Fragen stellte .

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