Milliarden alleine reichen nicht
Das Infrastruktursondervermögen zwischen Investition und Verschuldung – Mobilisierung privaten Kapitals entscheidend
Von Andreas Ruthemeyer*)
Die neue Bundesregierung will investieren – in Straßen, Schienen, Verteidigung, Netze und Klimaschutz. Mit dem Sondervermögen „Infrastruktur und Klimaneutralität“ hat der Bundestag insgesamt 500 Mrd. Euro für die nächsten zwölf Jahre eingeplant, um Investitionen in Infrastruktur und zur Erreichung der Klimaneutralität zu ermöglichen. Der Haushaltsentwurf für 2025 sieht vor, dass bereits in diesem Jahr 37,2 Mrd. Euro aus dem Sondervermögen verausgabt werden sollen.
Doch hohe Summen allein garantieren noch keine wirksame Modernisierung – und 500 Mrd. Euro sind zudem bei weitem nicht ausreichend, wenn man sich den gewaltigen Investitionsrückstand in Deutschland vor Augen führt. Ohne klare Prioritäten, verlässliche Rahmenbedingungen und eine strategische Steuerung droht das Vorhaben, in Bürokratie und Unschärfe zu verpuffen. Zugleich wächst der Druck, die Investitionswende nicht zur Schuldenwende verkommen zu lassen -– ein Spagat, der politisches Augenmaß und ökonomisches Verantwortungsbewusstsein gleichermaßen erfordert.
Auch privates Kapital benötigt
Klar ist jedenfalls, dass die Energie- und Infrastrukturwende mit dem Ziel der Dekarbonisierung der Wirtschaft nicht ohne staatliche Unterstützung erreicht werden kann. Das Infrastruktursondervermögen ist ein Signal, dass der Staat diese Aufgabe ebenfalls verstanden hat. Dabei sollte die beachtliche Summe von 500 Mrd. Euro über zwölf Jahre nicht trügen.
In Anbetracht aktueller Studien wird über diese Summe nur ein Anteil der notwendigen Investitionen abgebildet werden können. Ohne privates Kapital wird die Energie- und Infrastrukturwende daher nicht umsetzbar sein. Deutschland steht hier im internationalen Wettbewerb.Private Kapitalgeber werden klare Erwartungshaltungen haben, die, wenn sie nicht berücksichtigt werden, dazu führen werden, dass Investitionsentscheidungen gegen den Standort Deutschland getroffen werden. Das Ziel des Sondervermögens sollte es daher sein, nicht nur Milliarden zur Verfügung zu stellen, sondern als Hebel zu dienen, und die zur Verfügung stehenden Investitionssumme zu vervielfachen.
Abseits von Schuldenbremse
Mit dem Infrastruktursondervermögen hat die Bundesregierung ein haushaltsexternes Finanzierungsinstrument geschaffen, das gezielt öffentliche Investitionen in zentrale Bereiche der deutschen Infrastruktur ermöglichen soll. Es handelt sich dabei um einen abgegrenzten Teil des Bundesvermögens, der für einen bestimmten, klar definierten Zweck außerhalb des regulären Bundeshaushalts verwaltet wird. Es ist ein Mittel, in Bereiche wie Verkehr, Digitalisierung oder Bildung langfristig zu investieren, ohne an die Vorgaben der regulären Haushaltsplanung und die Schuldenbremse gebunden zu sein.
Im Unterschied zum klassischen Haushalt erlaubt das Sondervermögen eine mehrjährige Mittelbindung sowie flexiblere Ausgabestrukturen. Die Finanzierung erfolgt in der Regel über Kreditaufnahmen, die dem Sondervermögen zugeordnet werden, oder über Zuführungen aus dem Bundeshaushalt.
Gleichzeitig wirft der Einsatz solcher Sondervermögen verfassungsrechtliche und haushaltspolitische Fragen auf – insbesondere mit Blick auf die Umgehung der Schuldenbremse und die parlamentarische Kontrolle. Diese Debatte ist wichtig, doch sie soll in diesem Beitrag nicht im Vordergrund stehen.
Beleuchtet werden soll hier vielmehr, wie das Infrastruktursondervermögen so ausgestaltet und eingesetzt wird, dass es echten wirtschaftlichen Mehrwert schafft. Denn wenn der Staat sich so signifikant verschuldet, sollte jeder investierte Euro auf langfristige Wirkung zielen – nicht nur zur Wahrung fiskalischer Verantwortung, sondern auch im Sinne intergenerationaler Fairness.
Entscheidend ist für Pensionsfonds, Versicherungen und globale Infrastrukturfonds politische Verlässlichkeit, die Möglichkeit, vertraglich gesicherte und kalkulierbare Rückflüsse zu erzielen sowie ein ausgewogenes Rendite-Risiko Verhältnis. Dabei ist das Rendite-Risiko Verhältnis nicht statisch, sondern vor dem Hintergrund des jeweils aktuellen Zinsumfelds zu bewerten.
Politische Risiken, etwa durch spätere Eingriffe in bestehende Verträge oder regulatorische Unsicherheiten, wirken dagegen abschreckend. Auch die Risikoverteilung zwischen öffentlicher und privater Seite spielt eine zentrale Rolle. Der Staat kann über das Infrastruktursondervermögen eine vertrauensbildende Rolle einnehmen, durch die Investitionsanreize gesetzt werden. Die strukturellen Möglichkeiten dazu sind vielfältig.
Drei Modelle
Um privates Kapital gezielt für den Ausbau öffentlicher Infrastruktur zu mobilisieren, kann der Staat das Infrastruktursondervermögen als flexibles Finanzierungsinstrument durch unterschiedliche Strukturen nutzen:
- Staatliche Garantien: Diese fungieren als Absicherung gegen spezifische Projektrisiken, die private Investoren häufig abschrecken. Beispiele sind Nachfrageschwankungen, Bauverzögerungen oder regulatorische Eingriffe, die die wirtschaftliche Rentabilität eines Projekts gefährden können. Durch die Bereitstellung solcher Garantien erhöht der Staat gerade für langfristig investierende institutionelle Anleger die Kalkulationssicherheit erheblich. Die Attraktivität derartiger Projekte steigt spürbar. Ein Beispiel auf europäischer Ebene ist InvestEU, welches unter anderem mit Garantien Projekte, die der Realisierung des Europäischen Grünen Deals dienen, fördern. Für institutionelle Anleger, die sich an langfristigen, stabilen Erträgen orientieren, wird das Investitionsrisiko dadurch besser beherrschbar, was die Attraktivität der Projekte deutlich steigert. Anzudenken wäre es außerdem, das bewährte Instrumentarium der Exportkreditgarantien und die dort konzentrierte und langjährige Expertise für Projektfinanzierungen auch auf inländische Transaktionen anzuwenden, die die Energie- und Infrastrukturwende fördern.
- Öffentlich-private Partnerschaften (PPP): Das Modell der öffentlich-privaten Partnerschaft setzt auf die enge Zusammenarbeit zwischen Staat und Privatwirtschaft. Die Aufgabenverteilung variiert je nach Projekt: Oft übernimmt die öffentliche Hand die Verantwortung für die Bereitstellung von Flächen, während Planung, Bau, Finanzierung, Betrieb und Instandhaltung typischerweise dem privaten Partner obliegen. PPP-Modelle haben sich insbesondere bei komplexen Großprojekten bewährt, allerdings in Deutschland, im internationalen Vergleich, nur mit Schwierigkeiten, auch aufgrund der Hürden bei den rechtlichen Rahmenbedingungen. Letztendlich wurden PPP-Modelle, sei es in Deutschland, aber auch in England, doch eher kritisch bewertet. Kritikpunkte sind lange Vertragslaufzeiten und die langfristige Bindung der öffentlichen Hand. beides elementar für Infrastrukturinvestoren und für die Attraktivität von Infrastrukturinvestitionen.
- Ankerinvestitionen: Bei dieser Form investiert der Staat als erster Kapitalgeber in einen Fonds oder eine Projektstruktur und übernimmt dabei meist die risikoreichere „First-Loss-Tranche“. Durch diese Positionierung verbessert sich das Rendite-Risiko-Profil für nachfolgende private Investoren erheblich. Diese sogenannte Hebelwirkung erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass weitere Kapitalgeber sich beteiligen. Ankerinvestitionen sind besonders sinnvoll, um neue oder besonders risikoreiche Projektvorhaben anzustoßen und private Gelder zu mobilisieren, die sonst zögerlich agieren würden.
Internationaler Wettbewerb
Der Wettbewerb um langfristig orientiertes Kapital ist international und intensiv. So hat die britische Regierung erst letztens mit ihrem zehnjährigen Infrastrukturplan sowie „Modern Industrial Strategy 2025“ vorgestellt. Für die Umsetzung stehen öffentliche Mittel von mindestens 725 Mrd. Pfund zur Verfügung. Ein zentraler Schwerpunkt der Strategie ist die gezielte Einbindung privaten Kapitals.
Das Infrastruktursondervermögen hat Signalwirkung für Deutschland und Europa und während 500 Mrd. Euro ein erheblicher Betrag ist, ist er doch zu wenig. Entscheidend ist, dass das Infrastruktursondervermögen von der Bundesregierung als Anlass genutzt wird, attraktive Strukturen aufzusetzen, die privates Kapital langfristig mobilisieren und die verfügbare Investitionssumme dadurch erheblich zu vervielfachen.
*) Andreas Ruthemeyer ist Partner bei Freshfields und verantwortlich für Energie- und Infrastrukturfinanzierungen.