Chipindustrie

Renesas greift nach Dialog Semiconductor

Nach dem Wafer-Hersteller Siltronic ist mit Dialog Semiconductor ein weiteres deutsches Unternehmen aus der Halbleiterbranche ins Visier asiatischer Wettbewerber geraten. Der japanische Chipkonzern Renesas will den kleineren Spezialisten für 4,9 Mrd. Euro schlucken. Die Dialog-Führung stimmte bereits zu.

Renesas greift nach Dialog Semiconductor

sck München

Die Übernahmewelle in der Chipindustrie hat nun auch den deutsch-britischen Apple-Zulieferer Dialog Semiconductor erfasst. Der japanische Halbleiterhersteller Renesas will das Unternehmen mit Sitz in Reading, London, und im schwäbischen Kirchheim unter Teck bei Stuttgart für 4,9 Mrd. Euro übernehmen. Beide Seiten haben sich bereits auf die finanziellen Details verständigt. Die Verwaltung von Dialog stimmte den Konditionen bereits zu, wie das Unternehmen ad hoc mitteilte. So bietet Renesas je Dialog-Aktie 67,50 Euro in bar. Gegenüber dem Kurs des vorherigen Handelstages (Freitag) entspricht das einem Aufschlag von 20%. Am Montag sprang der Titel in der Spitze um 17,6% und beendete den Xetra-Handel bei 65,12 Euro (+16,1%).

Kopf-an-Kopf-Rennen

Daraus lässt sich ableiten, dass Investoren derzeit nicht darauf spekulieren, dass Renesas beim Kaufpreis noch einen Schnaps drauflegen könnte. Offen ist aber, ob Konkurrenten sich in Position bringen und daraus ein Bieterwettstreit entbrennt. Im Wettstreit mit den europäischen Wettbewerbern STMicro-electronis und Infineon ist der Neuerwerb von Renesas ein strategischer Schachzug. So bedient der Apple-Zulieferer die wichtigen Wachstumssegmente Multimedia, Mobilfunk und Automotive. Die Japaner erweitern damit ihre Angebotspalette. Die bisher stark auf die Autoindustrie konzentrierte Renesas-Gruppe will ihr Angebot im Detail auf andere Industriebereiche von der elektronischen Steuerung von Wohnungen („Smart Home“) bis zur Medizintechnik ausdehnen. Sie setzen vor allem auf die Niedrigenergie-Chips und die Bluetooth-Lösungen der Schwaben, die beim Einsatz selbstfahrender Autos oder bei digital verknüpften Geräten zum Einsatz kommen. „Die Transaktion, die wir heute angekündigt haben, ist unser nächster wichtiger Schritt im Wachstumsplan“, sagte Renesas-CEO Hidetoshi Shibata. Renesas refinanziert den Kaufpreis fast zur Hälfte über eine Kapitalerhöhung, den Rest mit Bankkrediten.

Der italienisch-französische Halbleiterkonzern STMicroelectronics soll zuletzt ebenfalls ein Auge auf Dialog geworfen haben, wie italienische Medien berichteten. Deutschlands größter Halbleiterhersteller Infineon hat sich im vergangenen Jahr den kleineren US-Wettbewerber Cypress für 9 Mrd. Euro geschnappt. Das Dax-Mitglied mit Sitz in Neubiberg bei München ist derzeit mit der Integration des bisher größten Zukaufs in seiner Unternehmensgeschichte beschäftigt.

Hohe Genehmigungshürden

Auf dem Feld der Mikrocontroller liefern sich Renesas, Infineon und der niederländische Anbieter NXP ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Mit einem Marktanteil von 18,1% sind die Japaner aktuell auf diesem Gebiet Marktführer, gefolgt von NXP (17,6%) und Infineon (16%). Der Markt für Mikrocontroller umfasst weltweit rund 18 Mrd. Dollar. Im 37 Mrd. Dollar großen Segment der Automotive-Halbleiter ist Infineon mit einem Marktanteil von 13,4% Branchenprimus, gefolgt von NXP (11,3%) und Renesas (8,7%). STMicroelectronics befindet sich mit 7,6% hier auf Platz 5. Der Erwerb von Dialog durch Renesas ist noch längst nicht in trockenen Tüchern. Renesas muss noch viele Hürden nehmen, um das Geschäft endgültig abschließen zu können. So müssen den Unternehmensangaben zufolge unter anderem die zuständigen Wettbewerbsbehörden in Deutschland, China, Taiwan und den USA zustimmen. Zugleich müssen die Aktionäre von Dialog auf einer außerordentlichen Hauptversammlung über die Transaktion abstimmen. Das rund 2000 Mitarbeiter zählende Unternehmen befindet sich zu 86% im Streubesitz. Renesas will die Übernahme nach eigenen Angaben noch im laufenden Jahr abschließen.

Dialog erhofft sich, unter dem Dach von Renesas künftig weniger abhängig von Apple zu werden. Der US-Technologieriese übernahm vor zwei Jahren einen Teil der Fertigung von Chips für seine Smartphones selbst. Renesas verspricht sich von der Übernahme in den kommenden drei Jahren Kostensynergien von 125 Mill. Dollar und einen Umsatzschub um 200 Mill. Dollar binnen fünf Jahren. Renesas und Dialog sind alte Bekannte. Erst im August 2020 hatten die beiden Unternehmen ihre jahrelange Zusammenarbeit ausgebaut. Dialog fertigt Chips bisher nicht selbst, sondern baut auf Auftragsfertiger wie TSMC aus Taiwan. Renesas ist aus den ehemaligen Chip-Sparten der Elektronik-Konzerne Hitachi, Mitsubishi Electric und NEC entstanden. Der Infineon-Konkurrent befindet sich seit vier Jahren auf Einkaufstour. 2017 erwarben die Japaner Intersil Corp, 2019 Integrated Device Technology. 2019 erwirtschaftete Renesas einen Umsatz von umgerechnet 5,7 Mrd. Euro.

Im Ranking weiter hinten

Damit rangierte der Konzern unter den weltweit 20 größten Halbleiterherstellern auf Platz 16. Zum Vergleich: Infineon arbeitete sich auf Rang 8 vor.

Die Wurzeln von Dialog liegen in Schwaben. Das Unternehmen hat aber seinen offiziellen, juristischen Firmensitz in London. Aus diesem Grunde war Dialog im vergangenen Jahr nach dem Ausstieg Großbritanniens aus der EU  aus den deutschen Börsenindizes ausgeschlossen worden. Es ist aber weiterhin an der Frankfurter Börse gelistet. Dialog gehörte zuvor dem MDax an.

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