Bilfinger

Schleudersitz in Mannheim

Der Chefsessel von Bilfinger in Mannheim ist einer der heißen Stühle in Deutschlands Industrie. In den vergangenen sieben Jahren saßen darauf drei CEOs. Das Analysemodell Push-out Score des Forschungsdienstleisters Exechange*, das den Druck auf...

Schleudersitz in Mannheim

ds Frankfurt

Der Chefsessel von Bilfinger in Mannheim ist einer der heißen Stühle in Deutschlands Industrie. In den vergangenen sieben Jahren saßen darauf drei CEOs. Das Analysemodell Push-out Score des Forschungsdienstleisters Exechange*, das den Druck auf ausscheidende Bosse auf einer Skala von 0 bis 10 misst, zeigt für die Abgänge von Roland Koch (2014) und Per Utnegaard (2016) jeweils volle 10 Punkte an. Nun trat Tom Blades am 19. Januar zurück. Wie heiß war es für ihn?

Während einige Fakten für Blades sprechen, besteht kein vernünftiger Zweifel daran, dass er ebenfalls enormen Druck verspürt haben muss, seinen Stuhl bei dem Industriedienstleister zu räumen. Doch zunächst die positiven Punkte: Erstens ist Blades mit 64 Jahren im besten Ruhestandsalter. Zweitens ist die Dauer seiner Amtszeit mit vier Jahren und sieben Monaten hinreichend lang. Gleichzeitig kann jedoch auch ein oberflächlicher Beobachter die Vielzahl der Warnsignale kaum ausblenden. Der Wechsel erfolgt mit sofortiger Wirkung. Das ist der erste Punkt für den Push-out Score. Der Abtritt folgt auf einen Kursrückgang von 26% seit Januar 2018. Punkt 2. Der Grund für den Führungswechsel ist nicht vollständig transparent. Punkt 3. Am 19. Januar teilte Bilfinger mit, Blades wolle seinen Vertrag „aus persönlichen Gründen“ nicht über den 30. Juni 2021 hinaus verlängern und trete „im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat“ und mit sofortiger Wirkung als CEO zurück. Die Erklärung wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Blades selbst sagt, er werde sich nun stärker auf Familie und Privatleben konzentrieren. Die Umstände des Chefwechsels sind zudem herausfordernd. Punkt 4. Bilfinger steht unter Druck des aktivistischen Aktionärs Cevian (25,6%) und des Londoner Hedgefonds ENA (12%). Erst kürzlich machten Berichte über Interesse der Private-Equity-Firmen CVC so­wie CD&R an Bilfinger die Runde.

Die Nachfolgeregelung wirft weitere Fragen auf. Punkt 5. Ein dauerhafter Ersatz für Blades wird noch gesucht. Interimistisch übernimmt Finanzchefin Christina Johansson. Blades verliert in der Mitteilung kein Wort über sie. Auch das spricht Bände. Form und Sprache der Mitteilung ergeben die Punkte 6 und 7. In der Mitteilung von Bilfinger erhält Blades Lob, Dank und gute Wünsche von Aufsichtsratschef Eckhard Cordes, aber keine Würdigung konkreter und quantifizierter Erfolge und kein Wort des Bedauerns.

Erhobenen Hauptes

Die Konstellation der Warnsignale lässt kaum Spielraum für Interpretationen. Beim Push-out Score werden 10 Punkte vergeben, wenn es keinen begründeten Zweifel gibt, dass enormer Druck im Spiel war. Deshalb ist auch bei Blades der Wert auf volle 10 Punkte zu erhöhen. Für den Push-out Score ist es unerheblich, ob ein CEO gezwungen wurde oder sich gezwungen sah, zu gehen. Ein Push-out Score von 10, ein ehrenvoller Abgang und ein formal freiwilliger Rücktritt schließen sich nicht aus. Ein CEO, der unter Druck steht, kann nämlich entscheiden, dass es Zeit ist, erhobenen Hauptes zu weichen, solange dafür noch Zeit ist.