Entwicklungsländer

Schwellenländerdevisen im Aufschwung

Bei Schwellenländerwährungen herrschte in den vergangenen Jahren Flaute. Zwischen April 2011 und dem Höhepunkt der Pandemie im März 2020 verzeichneten Schwellenländerwährungen eine Abwertung von ungefähr 50% gegenüber dem Dollar. Hierfür...

Schwellenländerdevisen im Aufschwung

Von Sven Schubert*)

Bei Schwellenländerwährungen herrschte in den vergangenen Jahren Flaute. Zwischen April 2011 und dem Höhepunkt der Pandemie im März 2020 verzeichneten Schwellenländerwährungen eine Abwertung von ungefähr 50% gegenüber dem Dollar. Hierfür verantwortlich waren vor allem die Konjunkturverlangsamung im Nachklang mit der globalen Finanzmarktkrise sowie die strukturell höhere Inflation in Schwellenländern, welche die Wettbewerbsfähigkeit und somit Kaufkraft der Schwellenländer untergräbt.

Mittlerweile hat sich das Blatt jedoch gewendet, denn einige Schwellenländerwährungen haben bereits begonnen, verlorenen Boden wettzumachen, während andere in Kürze auf den Zug der Erholung aufspringen sollten. Grund dafür ist, dass neben langfristigen Treibern, wie beispielsweise der Kaufkraft, auch zyklische Faktoren die Währungen beeinflussen. Von Letzteren dürfte 2021 Rückenwind zu erwarten sein – allen voran vom globalen Wirtschaftswachstum. Die voranschreitenden Impfkampagnen in großen Teilen der Welt, fallende Infektionszahlen sowie die weiterhin ultralockere Geldpolitik der US-Notenbank und der Europäischen Zentralbank sprechen für eine starke Konjunkturerholung.

In der kürzeren Frist haben Schwellenländerwährungen, die aufgrund großer makroökonomischer Schwächen besonders unter den Folgen der Pandemie zu leiden hatten, das meiste Erholungspotenzial. Das sind vor allem lateinamerikanische Währungen, welche zum Teil bereits zu Erleichterungsrallys angesetzt haben und diese auch fortsetzen dürften. Allen voran der brasilianische Real. Die Währung verharrt zwar noch nahe der Corona-Tiefststände und ist bisher noch nicht so recht vom Fleck gekommen. Das liegt insbesondere an der hohen Staatsverschuldung, die in der Krise auf knapp 100% zum BIP gestiegen ist und der Regierung mittlerweile nur noch wenig Spielraum einräumt, um auf weitere Schocks zu reagieren. Eine baldige globale Konjunkturbeschleunigung dürfte jedoch unter Investoren für Erleichterung sorgen und Kapitalströme anziehen, da eine sich aufhellende Wirtschaftslage zumindest für eine Stabilisierung der Verschuldungsquote sorgen würde.

Ähnlich angezählt erscheint die indische Rupie, auch wenn hier die Währungserholung schon begonnen hat. Zwar ist die indische Staatsverschuldung mit 86% moderater, jedoch könnte in den kommenden Monaten eine erneute Rekapitalisierung der Banken notwendig werden. Mit 8,2% ist der Anteil der faulen Kredite schon vor der Pandemie über dem als kritisch angesehenen Wert von 6% gewesen. Die indische Zentralbank pro­gnostiziert nun einen weiteren Anstieg auf knapp 14% im Verlauf von 2021, der auch der Coronakrise geschuldet ist. Eine Konjunkturerholung von über 10% in Indien dieses Jahr scheint jedoch möglich und würde die Probleme des Bankensektors wohl vorerst in den Hintergrund drängen.

Lateinamerikanische Währungen mögen zwar ein besonders großes Renditepotenzial aufweisen, ob sie jedoch viel Durchhaltevermögen besitzen, bleibt fraglich. Werden die strukturellen Probleme in den jeweiligen Ländern nicht adressiert, ist es unwahrscheinlich, dass die Währungsaufwertungen von langer Dauer sein werden. Hingegen sieht die Erholung ostasiatischer Währungen wie der indonesischen Rupiah, des malaysischen Ringgit und des thailändischen Bath deutlich nachhaltiger aus. Trotz des anhaltenden, wenn auch abgeschwächten Handels- und Technologiekonflikts zwischen den USA und China bleibt der chinesische Markt einer der wichtigsten für US-Unternehmen. Im Interesse weiterhin einvernehmlicher Wirtschaftsbeziehungen hat eine Reihe von US-Unternehmen ihre Produktionskapazitäten aus China in andere Länder der Region verlagert, anstatt sie in die USA zurückzuholen. So können mögliche Sanktionen gegen China umgangen werden, während der chinesische Markt trotzdem schnell bedient werden kann. Das ist eine Entwicklung, die auch in Anbetracht der stetig steigenden Kaufkraft der chinesischen Konsumenten anhalten dürfte. Insbesondere dürften die Direktinvestitionen in asiatische Länder, die dem vor kurzem ins Leben gerufenen Freihandelsabkommen der Region RCEP angehören, weiterhin anziehen. Neben der stärkeren wirtschaftlichen Integration wird auch der Aufwertungsdruck auf den Yuan regionale Währungen unterstützen – schließlich bleibt die Korrelation zwischen asiatischen Währungen hoch. So könnte der vietnamesische Dong in den kommenden Jahren seine Talfahrt beenden. Vietnam ist der Hauptprofiteur der Lieferkettenverschiebung der letzten Jahre. Bisweilen standen Deviseninterventionen einer Aufwertung entgegen. Dies ist auf Missfallen in den USA gestoßen und könnte ein Umdenken in Vietnam bewirken.

Der chinesische Yuan dürfte trotz der teilweisen Verlagerung von Produktionskapazitäten ins Ausland an Attraktivität gewonnen haben. Schließlich hat China die Amtszeit von US-Präsident Donald Trump genutzt, um seinen Einfluss in der Region auszudehnen und die Position des Yuan zu stärken. So ist neben dem RCEP nun auch ein bilaterales Investitionsabkommen (CAI) mit der EU in trockenen Tüchern, das Direktinvestitionen unterstützen sollte. Hinzu kommt die zunehmende Öffnung der Kapitalmärkte für ausländische Investoren. Während der chinesische Aktienmarkt bereits seit geraumer Zeit eine wichtige Rolle in Anlegerportfolios spielt, wurden im Jahr 2020 nun auch die chinesischen Lokalwährungsanleihen in gängige Portfoliobenchmarks aufgenommen.

Starker Kapitalzufluss

Dies hat im zweiten Halbjahr 2020 zu den stärksten Kapitalzuflüssen in chinesische Aktien und Anleihen seit 2011 und zu einer nahezu zehnprozentigen Aufwertung des Yuan gegenüber dem Dollar geführt. Die weiterhin hohen realen Renditen, welche derzeit lediglich von Malaysia, Indonesien, der Türkei und Südafrika übertroffen werden, lassen auch dieses Jahr von einer starken Yuan-Nachfrage ausgehen. Dazu kommt, dass zukünftig auch internationale Handelsströme zunehmend in Yuan denominiert werden könnten. Die Vereinbarung Chinas mit Russland, ihren bilateralen Handel zukünftig in Yuan und nicht in Dollar abzuwickeln, mag zwar noch keine große Welle am internationalen Devisenmarkt machen, ist aber dennoch ein wegweisender Schritt zweier wichtiger Akteure, die den Trend zur langsamen Entmachtung des US-Dollar am internationalen Devisenmarkt beschleunigen könnten. Chinas zunehmende Verflechtung mit den Teilnehmerländern der „Belt and Road“-Initiative lädt ebenfalls zu einer zunehmenden Fakturierung in Yuan des Handels im eurasischen Raum ein. Dies würde wohl auch Zentralbanken dazu anhalten, mehr Yuan zu kaufen. Schließlich macht gemäß Analysen des Internationalen Währungsfonds der Anteil des Yuan an den Devisenreserven globaler Zentralbanken derzeit nur gut 2% aus. Somit könnte der Yuan den Aufwertungstrend noch fortsetzen und andere asiatische Währungen mitziehen.

*) Sven Schubert ist Senior Investment Strategist bei Vontobel Asset Management.