Börsengänge

Spacs als Alternative zum klassischen IPO

Ein besonderer Trend, der derzeit am US-Kapitalmarkt zu beobachten ist, sind IPOs von sogenannten Special Purpose Acquisition Companies (Spacs).

Spacs als Alternative zum klassischen IPO

Von Oliver Seiler und

David Rath*)

Nach Biontech hat sich im August vergangenen Jahres der Tübinger Impfstoffhersteller Curevac in die Liste deutscher Biotechunternehmen eingereiht, die einen Börsengang (IPO) in New York einem solchen in Frankfurt vorzogen. Und zuletzt feierte Mytheresa im Januar 2021 ihr IPO in New York. Die New York Stock Exchange (Nyse) und die Nasdaq zählen zu den weltweit liquidesten Aktienmärkten mit einer breiten Investorenbasis, die insbesondere jungen Wachstumsunternehmen sehr offen gegenüberstehen. Die entsprechend häufig attraktiven Bewertungen, die sich mit einer Notierung in den USA erzielen lassen, wiegen aus Sicht des Unternehmens die gegenüber einer deutschen Börsenzulassung höheren Transaktionskosten und umfangreicheren Zulassungsfolgepflichten zuletzt immer häufiger auf.

Leere Hülle

Ein besonderer Trend, der derzeit am US-Kapitalmarkt zu beobachten ist, sind IPOs von sogenannten Special Purpose Acquisition Companies (Spacs). Während 2019 lediglich 59 Spacs in den USA gelistet wurden, waren es 2020 bereits 250, die insgesamt Emissionserlöse von über 80 Mrd. Dollar erzielten. Bei Spacs handelt es sich vereinfacht gesagt um eine leere Hülle, die zunächst im Rahmen eines IPOs Kapital einsammelt, um dieses zum späteren Erwerb einer operativ tätigen Zielgesellschaft einzusetzen. Die Zielgesellschaft vollzieht durch diesen Erwerb, auch Business Combination oder De-Spac genannt, ihrerseits mittelbar einen Börsengang.

Auch wenn sich Spacs in ihren Strukturen unterscheiden können, so gibt es doch einige typische Merkmale: Beim IPO einer Spac-Gesellschaft erwerben die Anleger sogenannte Units, bestehend aus einer Aktie und einem Optionsrecht (Warrant). Das Optionsrecht berechtigt die Anleger zum späteren Erwerb von Aktien zu einem am IPO-Preis orientierten Preis. Das von Anlegern im Rahmen des Spac-IPOs investierte Kapital verbleibt bis zum Vollzug des Erwerbs der Zielgesellschaft auf einem Treuhandkonto.

Kommt es innerhalb eines zuvor festgelegten Zeitraums von typischerweise zwei Jahren ab IPO nicht zum Erwerb einer Zielgesellschaft, werden die Gelder wieder an die Investoren ausgekehrt und der Spac abgewickelt.

Geringeres Risiko

Der geplante Zielgesellschaftserwerb steht zudem unter dem Vorbehalt der Aktionärszustimmung. Aktionären, die der Business Combination widersprechen, wird – teilweise in begrenztem Umfang – das Recht eingeräumt, ihre Anteile gegen Rückerstattung des investierten Geldes an den Spac zurückzugeben.

Der Vorteil von Spac-IPOs gegenüber klassischen IPOs wird in volatilen Marktphasen besonders deutlich. Bei einem klassischen IPO wird vor Notierungsaufnahme die Platzierung im Wege eines Bookbuildings durchgeführt, dessen Erfolg nicht zuletzt vom allgemeinen Marktumfeld abhängt. Dieses Platzierungsrisiko ist bei Spac-IPOs geringer, zumal häufig die Platzierung nur innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums ausschließlich an institutionelle Anleger erfolgt.

Die Bereitschaft von Investoren, in den leeren Börsenmantel zu investieren, hängt primär vom Vertrauen in die Fähigkeit der Spac-Gründergesellschafter (Sponsoren) ab, in der Zukunft eine wirtschaftlich erfolgreiche Akquisition durchzuführen, und ist insofern weniger von kurzfristigen Kapitalmarktentwicklungen abhängig. Der Erwerb der operativ tätigen Zielgesellschaft durch den bereits börsennotierten Spac wiederum unterliegt als Unternehmenskauf keinem Platzierungsrisiko.

Für die Gesellschafter der Zielgesellschaft, die im Wege der Business Combination über den Spac an die Börse geht, ist vorteilhaft, dass die Veräußerungserlöse in einem (regelmäßig) privaten Verkaufsprozess und damit unabhängiger von Markteinschätzungen mit dem Spac ausgehandelt werden können.

An den deutschen und europäischen Märkten gab es bislang deutlich weniger Spac-IPOs als in den USA. Doch auch hierzulande kommt Bewegung in das Geschäft mit Spacs. Am 22. Februar 2021 erfolgte mit der Lakestar Spac I SE erstmals nach circa zehn Jahren wieder ein Spac-IPO an der Frankfurter Wertpapierbörse. Immer mehr Sponsoren loten derzeit die passende Rechtsform und den passenden Börsenplatz für ein Spac-IPO in Europa aus. Daneben werfen auch in den USA gelistete Spacs ihren Blick verstärkt nach Europa. Gleichzeitig bietet der Erwerb durch einen US-Spac für eine europäische Gesellschaft eine attraktive Alternative zu einem eigenen Börsengang in den USA.

Bei der rechtlichen Betrachtung ist zwischen gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Aspekten zu trennen. Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht scheitert die Verwendung einer deutschen Aktiengesellschaft jedenfalls bei typischer Ausgestaltung des Spacs an den insoweit starren Vorgaben des deutschen Aktienrechts. Üblicherweise wird daher auf eine luxemburgische oder niederländische Gesellschaft zurückgegriffen, um von den flexibleren gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen profitieren zu können. Auch bei Lakestar handelt es sich um eine Gesellschaft mit Sitz in Luxemburg. Die Börsenzulassung einer solchen Spac-Gesellschaft an der Frankfurter Wertpapierbörse ist hingegen ohne weiteres möglich.

Für Zwecke des Spac-IPOs ist ein Wertpapierprospekt zu erstellen und von der zuständigen Behörde des Sitzstaats der Spac-Gesellschaft zu billigen. Über den späteren Zielgesellschaftserwerb muss der Spac seine Aktionäre entsprechend den rechtlichen Vorgaben des Sitzstaates, etwa im Rahmen der Hauptversammlungseinladung, informieren. Daneben sind die Pflichten des Spacs unter der EU-Marktmissbrauchsverordnung zu beachten.

Veröffentlichungspflichten

Ob im Rahmen der Business Combination ein weiterer Wertpapierprospekt zu veröffentlichen ist, hängt von der konkreten Erwerbsstruktur ab. Im Falle eines reinen Barkaufs besteht keine Prospektpflicht. Anders kann dies sein, wenn – wie in den USA häufig der Fall – im Zusammenhang mit der Business Combination neue Aktien an die Gesellschafter der Zielgesellschaft oder an neue Investoren ausgegeben werden.

Die Frage, ob zukunftsgerichtete Aussagen über die Geschäftsentwicklung nach der Business Combination gegenüber den Spac-Aktionären oder sonstigen Stakeholdern eine prospektrechtliche Gewinnprognose auslösen, ist nach dem derzeit geltenden Prospektrecht zu beurteilen. Gleiches gilt für die Aufnahme von Pro-forma-Finanzinformationen, die die Auswirkungen des Zielgesellschaftserwerbs auf den Spac zeigen.

Anders gelagert sind die Veröffentlichungspflichten in den USA. Hier muss der Spac den Kapitalmarkt über den Abschluss eines Business Combination Agreements im Wege eines bei der US-Börsenaufsicht SEC einzureichenden Form 8-K Filings (Form 6-K für Nicht-US-Gesellschaften) informieren.

Daneben ist stets auch ein von der SEC zu billigendes Form S-4 zu erstellen, das die Spac-Aktionäre im Vorfeld ihrer Abstimmung über den Zielgesellschaftserwerb informiert. Dieses Proxy/Registration Statement enthält einem IPO-Prospekt vergleichbare Angaben, die den geplanten Erwerb und die Zielgesellschaft beschreiben. Diese Veröffentlichungspflichten sind in den Blick zu nehmen, wenn europäische Unternehmen den Börsengang in den USA über eine Business Combination mit einem US-gelisteten Spac vollziehen wollen.

Vorbereitungen laufen

Mit Lakestar ist der Trend zu Spac-IPOs auch in Deutschland angekommen. Weitere Transaktionen werden im Markt intensiv vorbereitet. Für einige Aspekte, wie etwa die prospektrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Business Combination, wird sich eine rechtliche Praxis noch entwickeln müssen. Es bleibt insbesondere abzuwarten, ob insoweit die europäischen und nationalen Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden Erleichterungen in Betracht ziehen, um Spacs künftig auch in Europa attraktiver zu machen.

*) Dr. Oliver Seiler und David Rath sind Partner von Latham & Watkins in Frankfurt.