Interview zu Serie Geldwäsche

„Spitzenbanker verstehen die Risiken von Finanzkriminalität nicht“

Die Geldwäsche-Expertin über teure Compliance-Programme.

„Spitzenbanker verstehen die Risiken von Finanzkriminalität nicht“

Norbert Kuls.

Frau Angotti, Sie waren früher bei amerikanischen Aufsichtsbehörden für den Aufbau von Anti-Geldwäsche-Programmen verantwortlich. Warum geraten ausländische Banken immer wieder mit den US-Gesetzen in Konflikt?

Es ist zum Teil eine Kostenfrage. Die Einrichtung von Anti-Geldwäsche-Programmen ist teuer, insbesondere die Technologie dafür. Wenn Banken Ärger bekommen, investieren sie zwangsläufig stark in ihre Compliance-Programme und beheben die Mängel. Danach lassen sie das Thema häufig aber wieder ruhen und geraten technologisch ins Hintertreffen.

Aber sind Geldstrafen nicht auch teuer, mal ganz abgesehen vom Reputationsschaden, den negative Schlagzeilen verursachen?

Das ist richtig. Anti-Geldwäsche-Programme müssen weiterentwickelt werden, um den sich ändernden Risiken und regulatorischen Erwartungen gerecht zu werden. Ich habe kürzlich eine Präsentation vor dem Verwaltungsrat einer Bank gemacht, die gerade eine Geldstrafe der DFS bekommen hatte, der Finanzaufsicht des Bundesstaates New York. Wissen Sie, was mir ein Mitglied des Gremiums gesagt hat? Ihnen sei 2009 doch versichert worden, dass mit den Anti-Geldwäsche-Programmen alles in Ordnung sei. Vor zehn Jahren stimmte das wahrscheinlich. Aber die Technologie, die kriminelle Typologie und die Risiken ändern sich.

Aber Banken haben doch eigens ihre Compliance-Abteilungen aufgestockt, damit diese regulatorischen Risiken erkannt werden.

Auf einer Konferenz in Berlin vor anderthalb Jahren haben wir eine kurze Umfrage zu den größten Herausforderungen für Compliance-Manager gemacht. Drei Viertel der Teilnehmer gaben an, dass die für das Geschäft verantwortlichen Manager die Risiken von Finanzkriminalität nicht verstehen. Das war ein größeres Problem als regulatorische Änderungen oder die Kosten für Technologie.

Warum ist es schwierig, diese Risiken zu verstehen?

Manchmal wollen Spitzenmanager das gar nicht verstehen, um eventuelle Vorwürfe später glaubhaft abstreiten zu können. In anderen Fällen fehlt den Compliance-Managern die Autorität, mit einem wichtigen Thema direkt zur Geschäftsführung oder zum Verwaltungsrat zu gehen. Aber: Es ist die klare Aufgabe der Compliance-Manager in der Bank, diese Risiken deutlich zu machen.

Die amerikanischen Aufsichtsbehörden gelten als besonders aggressiv. Unterschätzen die ausländischen Institute das?

Das spielt in manchen Finanzinstituten sicherlich eine Rolle. Die Geschäftskultur in Amerika kann sich schon stark von den jeweiligen Heimatländern unterscheiden. So arbeiten amerikanische Aufsichtsbehörden nicht unbedingt mit den Banken zusammen, um Missstände zu beheben. In anderen Ländern gibt es möglicherweise eine kooperativere Beziehung zwischen Aufsehern und Finanzinstituten. Für große, global tätige Institutionen kann es auch schwierig sein, das Geschäft weltweit zu managen, in vielen Ländern mit unterschiedlichen Geschäftskulturen und Risiken. Dazu kommt, dass eine Menge Banken durch Akquisitionen groß geworden sind. Die unterschiedlichen Computersysteme passen nicht immer gut zusammen.

Die verschiedenen US-Aufseher scheinen manchmal auch nicht gut zusammenzuarbeiten. New York ist den Bundesbehörden schon mal vorangeprescht. Macht das den Umgang mit den Behörden für Banken schwieriger?

Es ist sicherlich die Absicht der Aufseher zusammenzuarbeiten, aber das gelingt möglicherweise nicht immer. Bei den meisten großen Fällen kooperieren die Behörden aber, um einen umfassenden Vergleich zu erzielen. Das ist auch im Interesse der Banken, die nicht an vielen Fronten kämpfen wollen.

Das Interview führte

BZ+
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