Erneutes Umsatzminus im deutschen Einzelhandel verstärkt Konjunktursorgen
Den deutschen Einzelhändlern setzt die Kaufzurückhaltung ihrer Kunden immer mehr zu. Ihr Umsatz fiel im März um 1,3% geringer um als im Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. Inflationsbereinigt (real) sank der Umsatz sogar um 2,4% und damit so stark wie seit fünf Monaten nicht mehr. Das kommt überraschend: Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten hier mit einem Wachstum von 0,4% gerechnet, nachdem es bereits im Februar ein Minus von 0,3% gegeben hatte. Im Vergleich zum Vorjahresmonat verzeichnete der Einzelhandel sogar ein reales Umsatzminus von 8,6%.
Der Einzelhandel bekommt damit die eingetrübte Konsumstimmung zu spüren: Den Arbeitnehmern droht das vierte Jahr in Folge mit Reallohneinbußen, da die Preise nach Prognose von Ökonomen erneut schneller als die Löhne steigen dürften. “Der Umsatz befindet sich ganz klar in einem Abwärtstrend”, kommentierte der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, Alexander Krüger, die Entwicklung. “Wegen der hohen Inflation wird es der Einzelhandel weiter schwer haben.” Der Handelsverband Deutschland (HDE) befürchtet ein Ladensterben, zumal auch die Kosten gestiegen seien. In diesem Jahr dürften etwa 9000 Geschäfte aufgeben, prognostizierte der HDE.
Der reale Umsatz im Einzelhandel mit Lebensmitteln sank im März um 1,1% zum Vormonat. Im Vergleich zum März 2022 gab es sogar einen Einbruch von 10,3%. “Dabei handelt es sich um den stärksten Umsatzrückgang zum Vorjahresmonat seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 1994”, betonten die Statistiker. Eine Ursache dafür dürften teure Nahrungsmittel sein, die im März 22,3% mehr kosteten als ein Jahr zuvor. “Der Preisauftrieb für Nahrungsmittel war im März damit dreimal so hoch wie die Gesamtteuerungsrate”, so das Bundesamt.
Der reale Umsatz im Einzelhandel mit Nicht-Lebensmitteln sank im März um 2,3% zum Vormonat. Der lange Zeit boomende Internet- und Versandhandel verzeichnete sogar einen Rückgang von 4,8%.
Verlorenes Konsum-Jahrzehnt
“Der Rückgang der Einzelhandelsumsätze reflektiert die durch Energiepreisschock und hohe Inflation fallende Kaufkraft der Privathaushalte in Deutschland”, schildert Sebastian Dullien, Direktor des IMK-Instituts. Im vergangenen Jahr hätten steigende Energie- und Nahrungsmittelpreise dazu geführt, dass die deutschen Reallöhne historisch einmalig um 4% gefallen seien. Das schlage sich derzeit im Privatkonsum nieder und sei verantwortlich dafür, dass sich die deutsche Wirtschaft zur Jahreswende 2022/2023 am Rand der Rezession bewegt habe und diese nur ganz knapp hatte vermeiden können. Bedenklich sei dabei vor allem, dass auch die Umsätze mit Lebensmitteln deutlich zurückgehe. Erst in den kommenden Monaten würden sich die Kaufkraftverluste dank stärker steigender Löhne und steuer- und abgabenfreier Inflationsausgleichsprämien wieder zurückbilden. Aber: “Das Konsumniveau von 2019 dürfte frühestens 2025 wieder erreicht werden. Der Energie- und Nahrungsmittelpreisschocks bedeutet damit ein halbes verlorenes Jahrzehnt für die Deutschen Konsumentinnen und Konsumenten.”
Auch Alexander Krüger, Chefvolkswirt bei Hauck Aufhäuser Lampe, macht sich Sorgen: “Der Umsatz befindet sich ganz klar in einem Abwärtstrend. Das geht nun schon länger so. Insbesondere der Vorjahresvergleich offenbart die gravierenden Konsumprobleme. Wegen der hohen Inflation wird es der Einzelhandel weiter schwer haben. Dass Nahrungsmittelpreise zuletzt gesunken sind, ist immerhin ein kleiner Lichtblick.”