Politik braucht Mut zur Abwicklung
Mut zur Abwicklung
Von Jan Schrader
Die Rettung der Credit Suisse zerstört weltweit Vertrauen in Abwicklungsregeln. Zu Recht appelliert der BaFin-Präsident an die Politik.
Deutlicher konnte BaFin-Präsident Mark Branson seine Skepsis zur Rettung der Credit Suisse nicht äußern: Eine Bank solle nicht zu groß zum Scheitern – too big to fail – sein, sagte er am Dienstag in Frankfurt. Die Glaubwürdigkeit des globalen Abwicklungsregimes für Banken sei ein wichtiges Thema. Mittendrin fällt der entscheidende Satz: „Es gibt Stimmen, die nach der Rettung der Credit Suisse Teile dieses Regimes stark in Frage stellen.“ Das saß.
Natürlich ist Branson, der selbst viele Jahre die Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma leitete, Diplomat genug, um nicht seine Schweizer Kollegen direkt zu kritisieren. Eine konkrete Entscheidung im Ausland kommentiere er nicht, über andere Optionen spekuliere er nicht, sagte er. Selbstverständlich erkennt er an, dass in einer Bankenkrise rasche Lösungen gefragt sind, die Lage komplex und schwierig ist. Doch den verbalen Spielraum, den ihm seine Rolle als deutscher Aufseher lässt, schöpft er aus. Die Lösung für die Credit Suisse, also staatliche Verlust- und Liquiditätsgarantien plus Übernahme durch die UBS, schmeckt ihm nicht. Aus gutem Grund.
Eine Krise einer systemrelevanten Bank lässt sich nicht vollständig nach einem festen Schema lösen. Die Krux an der Abwägung zwischen Rettung und Abwicklung ist allerdings, dass kurzfristig eine Rettung eine weniger riskante Entscheidung darstellt, während sich die Nachteile erst über längere Sicht zeigen. Die Abwicklung einer global vernetzten Bank kann die Unsicherheit im Markt verschärfen. Der Druck aus dem Ausland, die Credit Suisse weich fallen zu lassen, dürfte daher immens gewesen sein. Die Verlockung, den bequemeren Weg zu gehen, war also groß. Der Preis dafür ist hoch: Ein weiteres Mal sehen sich die Marktteilnehmer darin bestätigt, dass die Abwicklungsregeln nicht zur Anwendung kommen.
Der BaFin-Präsident benennt die Mängel deutlich: Für die Abwicklung sind sogenannte Liquidity Backstops essenziell, um die notwendige Mittel zur Verfügung zu stellen. In der Schweiz musste der Staat eine Garantie aussprechen, und in der EU ist die geplante Letztsicherung des European Stability Mechanism (ESM) noch nicht in Kraft getreten. Mit Ausnahme des spanischen Banco Popular, der 2017 ein Fall für die EU-Behörde SRB war, ist bisher keine Bank in der EU geordnet abgewickelt worden. Bransons implizite Kritik an der Rettung der Credit Suisse ist vor allem ein Appell an die Politik: Habt Mut, eine Bank in einer Krise geordnet abzuwickeln. Hoffentlich findet er Gehör.