Bilanzbetrug

Strafprozess gegen frühere Wirecard-Manager beginnt

Mit dem Wirecard-Komplex hat vor dem Landgericht München einer der spektakulärsten Strafprozesse in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland begonnen.

Strafprozess gegen frühere Wirecard-Manager beginnt

sck München

– Zweieinhalb Jahre nach dem aufgedeckten Bilanzbetrug um Wirecard hat vor dem Landgericht München I einer der wichtigsten Wirtschaftsstrafprozesse in der Geschichte der Bundesrepublik be­gonnen. Zum Auftakt der Hauptverhandlung unter Vorsitz des Richters Markus Födisch verlas die Staatsanwaltschaft in rund fünf Stunden ihre umfangreiche Anklage gegen die drei tatverdächtigen Ex-Konzernmanager. Neben dem früheren Vorstandschef Markus Braun sitzen auf der Anklagebank der Ex-Statthalter des Zahlungsabwicklers in Dubai, Oliver Bellenhaus, und der ehemalige Konzern-Chefbuchhalter, Stephan Freiherr von Erffa.

Während Bellenhaus als Kronzeuge gilt und Erffa ein Teilgeständnis abgelegt haben soll, bestreitet Braun nach wie vor die Vorwürfe. Zuvor bezeichnete dieser sich als „Opfer“. Der renommierte Straf- und Steuerrechtler Alfred Dierlamm verteidigt ihn. Staatsanwalt Matthias Bühring bezeichnete das Trio als „Bande“. Sie hätten jahrelang die Bilanzen des einstigen Dax-Mitglieds mit Luft­buchungen und Scheingeschäften ge­fälscht, um die wahre Lage des Unternehmens zu verschleiern. Damit habe die Bande um Braun versucht, den Konzern vor dem Kollaps zu bewahren. Wirecard habe tatsächlich nur Verluste geschrieben. Mit frisierten Geschäften vor allem in Asien hätten die Angeklagten zudem den Kurs der Aktie in die Höhe getrieben, bevor dieser nach den aufgeflogenen mutmaßlichen kriminellen Machenschaften im Frühsommer 2020 ab­stürzte.

Die Strafermittler in der bayerischen Landeshauptstadt werfen den Angeklagten Marktmanipulation, Bilanzfälschung, Untreue und ge­werbsmäßigen Bandenbetrug vor. Die Justizbehörde bezifferte zuvor den entstandenen Schaden für die Gläubiger auf 3,1 Mrd. Euro. Wirecard brach im Juni 2020 nach einem aufgedeckten Bilanzloch von 1,9 Mrd. Euro zusammen. Das Unternehmen befindet sich in einem Insolvenzverfahren. Der Insolvenzverwalter Michael Jaffé sammelte für die Gläubiger, zumeist Banken und institutionelle Investoren wie Softbank, bisher rund 1 Mrd. Euro aus der Insolvenzmasse ein. Die geschädigten Aktionäre gehen nach bisherigem Stand vermutlich leer aus. Das bestätigte das Landgericht München zu­letzt in einem Zivilverfahren nach einer Schadenersatzklage der Fondsgesellschaft Union Investment. Die Anteilseigner verloren mehrere Milliarden. Wirecard hatte es in der Spitze auf eine Marktkapitalisierung von rund 20 Mrd. Euro gebracht.

Der Prozess startete unter regem Interesse der Medien. Allerdings hatte die Justizbehörde mit einem weitaus größeren Andrang im Sitzungssaal von Journalisten und weiteren Prozessbeobachtern gerechnet.

Für die Hauptverhandlung setzte das Gericht bisher 100 Verhandlungstage bis Ende 2023 an. Ein Ur­teil wird erst im Laufe des übernächsten Jahres erwartet. Braun droht eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren.

Bericht Seite 5

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