Stahlindustrie

Thyssenkrupp legt die Latte höher

Thyssenkrupp ist mit Schwung in den neuen Turnus gestartet und hat erstmals nach vielen Quartalen wieder schwarze Zahlen im operativen Geschäft geschrieben. In der Folge steckt sich der Konzern höhere Ziele.

Thyssenkrupp legt die Latte höher

ab Köln

Thyssenkrupp ist mit Rückenwind in das im Oktober angelaufene Geschäftsjahr gestartet. Mit Ausnahme der Abwicklungseinheit Multi Tracks haben im Auftaktquartal alle Segmente schwarze Zahlen geschrieben. Den positiven Auftakt nimmt der Vorstand zum Anlass, die Prognose zu erhöhen. Zwar wird es nicht für einen schwarzen Abschluss reichen – unter dem Strich wird ein hoher dreistelliger Millionenverlust erwartet –, aber zumindest rückt ein ausgeglichenes operatives Ergebnis vor Sonderlasten in Reichweite, wie Thyssenkrupp mitteilte. Bislang war an dieser Stelle ein Verlust im mittleren dreistelligen Millionenbereich vorhergesagt. Noch wichtiger aber ist, dass sich auch der Free Cash-flow vor M&A, der im Berichtsquartal positiv ausfiel, verbessern wird. Statt des bislang erwarteten Mittelabflusses von 1,5 Mrd. Euro, soll es in Richtung –1 Mrd. Euro gehen. Das ist zwar immer noch viel, doch waren im Vorjahr 5,5 Mrd. Euro verbrannt worden. Der neue Ausblick fiel an der Börse auf fruchtbaren Boden. Mit einem Kurssprung um 6,4 % auf 10,58 Euro setzten sich Thyssenkrupp an die Spitze im MDax. Finanzchef Klaus Keysberg betonte, dass Thyssenkrupp bewusst vorsichtig bleibe. Zwar gebe es ermutigende Signale mit Blick auf die wirtschaftliche Erholung, doch seien die coronabedingten Unsicherheiten weiterhin hoch. Dabei verwies Keysberg beispielhaft auf die Knappheit von Halbleitern für die Autoindustrie, die deren Erholung ausbremsen könnte. Eine ähnliche Einschätzung hatte am Vortag Voestalpine-Chef Herbert Eibensteiner gegeben.

Getrieben wurde die gute Entwicklung im Zeitraum Oktober bis Dezember von der wieder anziehenden Nachfrage aus der Automobilindustrie. Davon profitierten insbesondere die Segmente Automotive Technology und die Stahlsparte. Letztere legte im Berichtsquartal einen Ergebnisswing um 147 Mill. Euro hin. Zugleich erntete Thyssenkrupp erste Früchte aus den diversen Performanceprogrammen. Im Konzern belief sich das bereinigte operative Ergebnis auf 78 Mill. Euro. Das vergleicht sich mit –185 Mill. Euro im Vorjahr, lässt man das mittlerweile verkaufte Aufzugsgeschäft außen vor.

Im Stahlgeschäft hält der Vorstand nun aber auch Wort und hat erste Investitionen im Rahmen der Strategie 20-30, mit der Steel Europa wieder wettbewerbsfähig werden soll, freigegeben. Dabei geht es um den Neubau von Kernaggregaten an den Standorten Duisburg und Bochum. Die Investitionssumme beläuft sich in Summe auf mehr als 700 Mill. Euro, wie Keysberg ausführte. Die Investitionsprojekte sollen bis Ende 2024 realisiert werden. Der Cash-out verteile sich aber über sechs Jahre.

Die Freigabe des größten Investitionspakets im Stahlgeschäft seit 2003 sei zwar nicht an Bedingungen geknüpft, sagte Keysberg. Doch ließ der Manager keinen Zweifel daran, dass es in der Stahlsparte zu weiteren personellen Einschnitten kommt. Hierzu befinde man sich in Gesprächen mit der Mitbestimmung. Im Rahmen der im Frühjahr 2020 für das Stahlgeschäft verabschiedeten Strategie 20-30 war bereits der Abbau von 3000 Arbeitsplätzen vereinbart worden. Um die durch die Pandemie verursachte finanzielle Lücke zu schließen, ruft Stahlchef Bernhard Osburg zu einem „gemeinsamen Kraftakt“ auf. „Von dem Ziel, die ursprünglich in der Strategie 20-30 angestrebte Profitabilität zu erreichen, weichen wir nicht ab. Es muss allen Beteiligten klar sein, dass wir daher auch über weitere Personal- und Kostenmaßnahmen sprechen müssen“, sagte Osburg.

Wie im Auftaktquartal sollen auch im Gesamtjahr alle Sparten mit Ausnahme von Multi Tracks – hier hat Thyssenkrupp alle Geschäfte gebündelt, für die es unter dem Konzerndach keine dauerhafte Zukunft mehr gibt – zumindest ein ausgeglichenes Ergebnis erwirtschaften. Das gilt auch für das Stahlgeschäft, das im Vorjahr pro forma einen operativen Verlust von 820 Mill. Euro geschrieben hatte. Hier soll nun ein „in etwa ausgeglichenes“ bereinigtes Ebit erwirtschaftet werden. Für das Stahlgeschäft hatte Thyssen im laufenden Turnus ursprünglich mit einem weiteren operativen Verlust im niedrigen dreistelligen Millionenbereich kalkuliert. Ob die Stahlsparte verkauft wird – es liegt ein Angebot von Liberty Steel vor –, unter dem Dach von Thyssenkrupp verbleibt oder via Spin-off abgetrennt wird, will Vorstandschefin Martina Merz im März entscheiden.

Thyssenkrupp
Konzernzahlen * nach IFRS
1. Quartal
in Mill. Euro2020/20212019/2020
Auftragseingang7 8459 660
Umsatz7 3219 674
Bereinigtes Ebit7833
 in % vom Umsatz1,10,3
Ebit20– 115
Periodenergebnis fortgeführtes Geschäft– 121– 442
Periodenergebnis– 125– 364
Free Cash-flow vor M&A32– 2 476
Nettofinanzposition5 062– 7 138
Eigenkapital9 9291 934
*) Geschäftsjahr zum 30.9.Börsen-Zeitung