„Alarmstufe Rot“

UN-Klimarat warnt vor Kontrollverlust

Der Weltklimarat der Vereinten Nationen hat eindringlich vor einem bevorstehenden Kontrollverlust bei der Erderwärmung gewarnt. Die Menschheit sei dabei, ihr verbleibendes CO2-Budget innerhalb der nächsten zehn Jahre aufzubrauchen.

UN-Klimarat warnt vor Kontrollverlust

Wenn nicht sofort und umfassend gehandelt werde, steige die Welttemperatur in den nächsten 20 Jahren um mehr als 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit, heißt es in dem am Montag veröffentlichten Bericht des UN-Weltklimarats (IPCC). Schon jetzt habe sich soviel Treibhausgas in der Atmosphäre angesammelt. Die Menschheit sei dabei, ihr verbleibendes CO2-Budget innerhalb der nächsten zehn Jahre aufzubrauchen. Klima-Veränderungen mit schwerwiegenden Folgen gebe es bereits jetzt: Hitzewellen, die früher alle 50 Jahre vorgekommen seien, werde es künftig alle zehn Jahre geben. UN-Generalsekretär Antonio Guterres rief „Alarmstufe Rot“ aus. „Die Alarmglocken tönen ohrenbetäubend. Sie müssen das Ende von Kohle und anderen fossilen Brennstoffen einläuten, bevor diese unsere Erde zerstören.“

Der Bericht des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) ist der erste seit acht Jahren. Er fasst im Auftrag der knapp 200 UN-Staaten die wissenschaftliche Ergebnisse der vergangenen Jahre zusammen. 2022 soll er noch durch zwei weitere Kapitel ergänzt werden. So untersucht eines die Folgen für Volkswirtschaften und wie sie sich anpassen können. Ein weiteres befasst sich dann mit Optionen, wie die Emissionen verringert werden können. Alles zusammen soll dann nächstes Jahr im sechsten Sachstandsbericht des Weltklimarats veröffentlicht werden.

Weltklimarat: Arktis erwärmt sich am schnellsten

Für den Bericht müssen Experten die wissenschaftlichen Erkenntnisse für die Staaten auch in gemeinsame Formulierungen fassen, was häufiger für Debatten sorgt. Schon im vorherigen Bericht wurde zwar erklärt, dass der Klimawandel aller Wahrscheinlichkeit nach menschengemacht sei. Jetzt geht der Bericht aber noch darüber hinaus: „Es ist eindeutig, dass menschlicher Einfluss die Atmosphäre, Ozeane und das Land erwärmt hat.“

Zudem stellt der Bericht die noch häufig als unsicher gewerteten Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Extrem-Wetter deutlicher dar: „Aber jetzt können wir tatsächlich quantitative Aussagen über extreme Wetterereignisse treffen“, erklärte Co-Autor Michael Wehner, Klimaforscher am Lawrence Berkeley National Laboratory in Kalifornien. Neben häufigeren Dürren werde es so auch schwerere Waldbrände und mehr Tropenstürme geben.

Festgestellt wird auch, dass die Arktis die Region ist, die sich am schnellsten erwärmt, mindestens doppelt so schnell wie der weltweite Durchschnitt. Eisschollen auf dem arktischen Ozean im Sommer werden selbst nach dem optimistischsten Szenario der Forscher bis 2050 verschwinden.

WWF will Bundestagswahl zur Klimawahl machen

Umweltverbände wie Germanwatch, der WWF und Greenpeace forderten sofortiges Handeln: „Das Schockierende dieses Berichts ist, dass alles Alarmierende darin abzusehen war – und doch bewegen sich Regierungen und Konzerne beim Klimaschutz noch immer im Schneckentempo“, sagte Christoph Thies von Greenpeace. „Auch die Menschen in Deutschland haben inzwischen schmerzhaft erfahren, dass die Klimakrise unsere Lebensgrundlagen immer schneller zu zerstören droht.“ Der Bericht müsse zusammen mit den jüngsten Bildern von Bränden und Fluten die Politik aufrütteln. Der WWF forderte, die Bundestagswahl im Herbst müsse eine Klimawahl werden: „Lauter als im neuen Bericht des Weltklimarats kann die Wissenschaft nicht mehr warnen“, erklärte Christoph Heinrich, Vorstand für Naturschutz. „Wir müssen dringend handeln, ein weiteres Zögern werden wir uns selbst nicht mehr verzeihen können – ganz zu schweigen von unseren Kindern.“

Germanwatch betonte, die Instrumente zum Kampf gegen den Klimawandel seien da. „Es muss gelingen, die globalen Emissionen in den kommenden zehn Jahren nahezu um die Hälfte zu reduzieren“, verlangte Rixa Schwarz, Leiterin des Teams Internationale Klimapolitik.

Der jetzige IPCC-Bericht gilt als Leitlinie für die Weltklimakonferenz im November im Glasgow. Hier sollen die Staaten – wie im Klimavertrag von Paris vereinbart – neue Vorgaben zur Reduzierung des Treibhausgas-Ausstoßes verbindlich festlegen. Das Ziel ist, die Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf unter zwei Grad – möglichst auf 1,5 Grad – gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Eine solche Erwärmung gilt als gerade noch beherrschbar.

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