„Der Bullenmarkt ist ganz sicher zu Ende“
„Der Bullenmarkt ist ganz sicher zu Ende“
Wolf Brandes.
Herr Langer, die dominierenden Themen für die Finanzmärkte sind der Ukraine-Krieg und die Inflation. Was kommt noch auf uns zu?
Ich betrachte die Entwicklung mit Staunen auf meinem Bildschirm. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir auf absehbare Zeit zu einer Normalität zurückkommen. So schnell wird es an den Märkten nicht mehr so sein wie vor zwei Jahren.
Schauen wir auf die Geldpolitik diesseits und jenseits des Atlantiks. Wie geht es nach dem Schritt der US-Notenbank weiter?
Nicht mehr wegzudiskutieren ist die hohe Inflation. Es stellt sich die Frage, wie man die Luft aus dem Ballon kontrolliert ablässt. Gemeint ist die gigantische Geldmenge, die zu dieser Inflation geführt hat. Die Aufgabe der Notenbanken ist es, ein Soft Landing hinzubekommen. Ich bin skeptisch, ob das gelingt. Hinzu kommt noch, dass die unterschiedlichen Notenbanken sich nicht im Einklang bewegen bei ihren Maßnahmen. Die Engländer sind vorangegangen, dann folgten die Amerikaner und jetzt sind die Europäer dran.
Die Dynamik der Inflation ist unterschätzt worden. Was verändert sich für Sie als Investor fundamental?
Klar ist, dass die Inflation nicht wieder auf 2% fällt. Dauerhaft bleiben werden hohe Energiepreise. Das liegt auch daran, dass die Ölversorgung knappgehalten wird. Bis zum heutigen Tage bewegt sich die Opec nicht, trotz des Bemühens der Amerikaner, mehr zu liefern. Die hohe Inflation hat Folgen für die Wirtschaft. Ein Beispiel: Ein Unternehmen wie Porsche kann die Stückzahlen verringern und damit Preissteigerungen kompensieren. Andere können das nicht, und insgesamt zeigt sich die Inflation so dynamisch, wie ich das nicht erwartet habe. Ein Ende der Inflation ist nicht in Sicht, der nächste Treiber ist die Lohn-Preis-Spirale.
Fehler in der Geldpolitik werden die Märkte belasten. Was heißt das für Investoren?
Aktuell ist die Situation sehr schwierig für Menschen, die Geld verwalten und investieren. Es kommt nicht nur durch die Zinserhöhungen zu erheblichen Risiken, sondern auch durch eine Eskalation im Ukraine-Krieg. Darauf muss man sich als Assetmanager vorbereiten, um dann zu reagieren. An erster Stelle geht es um die Frage, wie kann ich das Marktrisiko, also das Beta, absichern. Jetzt sind marktneutrale Strategien gefragt, mit vielen Positionen und gegenläufigen Wetten. Mit einem Indexfonds auf den MSCI World wird man in den nächsten zwölf Monaten nicht glücklich.
Wie sieht es für die einzelnen Regionen aus?
Wir arbeiten im internationalen Kontext, und es ist bemerkenswert, dass die Kollegen in den USA den Ukraine-Krieg eher als Problem Europas ansehen. Europa als Anlageregion war aus Sicht der Amerikaner schon länger out. Aber auch in Asien konnte man Investoren kaum mit einem europäischen Mandat überzeugen. Das hat sich erst etwas geändert, seit die Bewertungen in Europa merklich günstiger sind.
Die Musik spielte in den vergangenen Jahren nun mal in den USA. Wer will es Investoren verdenken, die Performance mitzunehmen?
Das stimmt, aber seit Ende 2020 ebbt die Growth- und Momentum-Welle ab. Man ist ein bisschen weggekommen von Mega Cap, Tech und Wachstum. Der Trend am Markt ist umgeschwenkt in Richtung Value.
Hat Sie der einseitige Fokus auf Big Tech belastet?
Das macht es allen schwer und für uns ganz besonders. Wir leben davon, viele Wetten einzugehen, und nutzen eine breite Streuung. Eine solche Konzentration in den Indizes auf die ganz großen Werte ist da nicht hilfreich.
Wie bewerten Sie den anhaltenden Trend zu ETFs und Passivinvestments allgemein?
Wer heute weltweit investieren will und sich am MSCI World orientiert, der bekommt einen Anteil von 70% USA. In dem Fall kann man doch gleich ein US-Investment wählen. Der Weltaktienindex ist nicht mehr balanciert. Ich versuche, mit dem Anleger zu klären, ob er solch eine Benchmark wirklich will, ob der MSCI World noch der richtige Maßstab für die Anlagen ist. Als Investor muss man immer überprüfen, was eine bestimmte Benchmark repräsentiert und ob das zu den Anlagezielen passt. Aber es ist schwer, Investoren zu überzeugen, weil Berater einen starken Einfluss haben und die Gremien sich absichern wollen.
Ist der Bullenmarkt mit dem Ukraine-Krieg und der Wende in der Geldpolitik nun zu Ende?
Der Bullenmarkt ist ganz sicher zu seinem Ende gekommen. Nach allen Kennzahlen sind die Aktien zu hoch bewertet. Wer jetzt noch als Argument anführt, dass sich das angesichts der niedrigen Zinsen relativiert, hat den Schuss nicht gehört.
Wie sollte die Portfolioallokation derzeit aussehen?
Wenn man von einem Ziel 5 bis 7% Return mit 5 bis 7% Volatilität ausgeht, dann sind Anleihen schon länger ein Ausfall. Man kann sich behelfen und in der Assetklasse mit Futures short gehen, Duration Trades nutzen und andere Derivate einsetzen. Dazu gekommen sind Commodities, also insbesondere Öl und Gold. Am Ende ist es bei der Zielvorgabe aber eine verzweifelte Suche nach attraktiven Assets.
Werden US-Staatsanleihen mit einer Rendite von 2,5% nicht wieder interessant?
Das würde ich nicht sagen, denn wenn der Wert auf 3% steigt, fahre ich hohe Verluste ein. Historisch gesehen sind diese Renditen immer noch niedrig.
Welche Effekte haben die Makrothemen auf Faktoren im Rahmen eines quantitativen Anlageprozesses?
Die Faktoren wie Bewertung, Size und Momentum funktionieren auch in diesem Umfeld ganz sauber und liefern das, was man erwartet. Das liegt daran, dass wir keinen isolierten Schock in einem Segment haben, sondern die Belastung über die ganze Breite des Marktes verläuft.
Aller Unsicherheit zum Trotz geht die Entwicklung bei ESG weiter. Was bedeutet das für einen Quant-Investor?
Bei ESG dreht es sich vielfach um Daten und Zahlen. Auch beim quantitativen Ansatz arbeiten wir sehr viel mit Daten, insofern passt das gut zusammen. Bei einem fundamentalen Managementansatz mit einem Blick auf das Unternehmen sehe ich eher das Thema Governance im Vordergrund und einen starken Hang zum Engagement.
Wird es eine Integration von ESG in die Anlageprozesse geben?
Auf Dauer wird die Nachhaltigkeit dazu führen, dass Unternehmen bestraft werden, die ihre ESG-Prognose nicht einhalten können. Das ist absolut vergleichbar mit der Reaktion des Marktes auf Gewinnprognosen von Unternehmen. Allerdings haben wir noch das Problem, dass Daten von ESG-Dienstleistern in unterschiedlicher Breite und Qualität geliefert werden und die Angaben noch nicht vergleichbar sind.
Welche Anforderungen haben Kunden bei ESG?
Sämtliche Kunden haben eine eigene ESG-Policy. Diese Richtlinien bekommen wir auf den Tisch und müssen die Aktienauswahl an die jeweilige Policy anpassen. Das betrifft das gesamte Spektrum verschiedener Kriterien von Umwelt über Soziales bis zu Governance.
Das Interview führte
