Fußballaktien

Unterhaching-IPO wird zum Fiasko

Durch eine Serie von Niederlagen droht die im Juli 2019 an die Börse gegangene Spielvereinigung Unterhaching in die Regionalliga abzusteigen. Dadurch ist die zu 8,10 Euro ausgegebene Aktie des Vereins, der wie andere Fußballclubs von der Pandemie schwer getroffen worden ist, bis auf ein Rekordtief von 3,72 Euro gesunken.

Unterhaching-IPO wird zum Fiasko

Von Christopher Kalbhenn,

Frankfurt

Anlagen in Fußballaktien sind eine riskante Angelegenheit und eignen sich nur für Mutige, vielleicht auch noch für eingefleischte Anhänger. Denn sie sind im Vergleich zu Dividendentiteln anderer Unternehmen von besonders ausgeprägten Unwägbarkeiten geprägt, insbesondere durch ihre Abhängigkeit vom schwer kalkulierbaren sportlichen Erfolg, von dem TV-, Sponsoring und Zuschauereinnahmen abhängen.

Das bekommen dieser Tage die Anteilseigner der Spielvereinigung Unterhaching schmerzhaft zu spüren. Im Juli 2019 – rund 20 Jahre nach dem IPO von Borussia Dortmund – ging Unterhaching als zweiter deutscher Verein an die Börse, und nun droht aus dem ersten börsennotierten Drittliga-Club der erste börsennotierte Regionalligist zu werden. Durch eine Serie von Niederlagen ist der Münchener Vorstadtverein auf Rang 18 abgerutscht und damit Drittletzter der dritten Liga, aus der die vier Letzten absteigen. Dadurch ist die Aktie auf ein Rekordtief von unter 4 Euro bis auf 3,72 Euro abgesackt. Mit dem Schlusskurs vom Dienstag von 3,80 Euro liegt der Titel 53% unter dem Ausgabepreis von 8,10 Euro.

Ambitionierte Ziele

Mit Zuversicht und ambitionierten Zielen startete Unterhaching, seinerzeit ein heißer Aufstiegskandidat, an der Börse. „Mit dem Börsengang kann die SPVGG den eingeschlagenen Weg in Richtung 2. Bundesliga – und damit in eine neue finanzielle Dimension – planungssicher fortsetzen“, hieß es. Die Vorstellung: Der Aufstieg, der innerhalb von drei Jahren erfolgen sollte, würde die TV-Einnahmen auf 10 Mill. Euro verzehnfachen, die Sponsoring-Einnahmen von 2 Mill. auf 4,8 Mill. Euro erhöhen und zu einem Anstieg der durchschnittlichen Zuschauerzahl von 3300 auf mehr als 6000 führen. Gleichzeitig würden die Kosten für die Profi-Mannschaft der Planung zufolge von 3 auf 7,5 Mill. Euro, d.h. in der Summer in geringerem Umfang als die Einnahmen steigen.

Von Corona hart getroffen

Doch es kam ganz anders. Was zum Zeitpunkt des IPO niemand ahnen konnte, war, dass die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Lockdowns Unterhaching wie auch andere Vereine in große Nöte bringen würden. Nicht genug damit, dass dadurch die Zuschauereinnahmen wegbrachen, musste das Unternehmen am 30. Juni 2020 auch die Kündigung des 450000 Euro schweren Sponsoring-Vertrags seines Hauptsponsors Frostkrone Tiefkühlkost mitteilen. Am 13. August der nächste Schock. Das Unternehmen teilte mit, dass im Wesentlichen aufgrund operativer Verluste infolge der Pandemie ein Verlust in Höhe von mehr als der Hälfte des Grundkapitals der Gesellschaft eingetreten ist. Der Kurs sackte auf 4,10 Euro ab, erholte sich aber schnell von dem Einbruch, nachdem der Verein die Verpflichtung von Arie van Lent als Trainer bekannt gegeben hatte.

1,8 Mill. Euro für Nico Mantl

Um die operativen Verluste einzudämmen, griff der Verein im Januar zum Transfermarkt und verkaufte seinen hoch begabten 20-jährigen Torhüter Nico Mantl an Red Bull Salzburg. Laut der Ad-hoc-Mitteilung vom 29. Januar wurde über den Preis Stillschweigen vereinbart. Allerdings gibt der auf den 28. Januar 2021 datierte Bericht über das Geschäftsjahr per Ende Juni 2020, in dem ein Fehlbetrag von 6,7 Mill. Euro ausgewiesen wurde, Aufschluss. In den Informationen über Ereignisse nach dem Bilanzstichtag ist zu lesen, dass für das Geschäftsjahr 2020/2021 ohne Transfermarkt mit einem Verlust von 6,6 Mill. Euro gerechnet wurde, was durch den Verkauf auf 4,8 Mill. Euro reduziert werden könne.

Gemäß der Liquiditätsplanung, heißt es weiter, ergebe sich unter Berücksichtigung des Transfers eine Liquiditätsunterdeckung von 4,5 Mill. Euro. Diese soll u.a. durch eine Platzierung neuer Aktien abgedeckt werden. Gespräche mit Investoren seien auf gutem Wege und würden voraussichtlich im Frühjahr abgeschlossen. Daher gehe die Gesellschaft von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit aus.

Für die nähere Zukunft kündigte die Gesellschaft harte Einschnitte an. So will sie versuchen, „die Personalkosten für die Profis durch vermehrten Einsatz von jungen Spielern drastisch nach unten zu korrigieren, die sportlichen Ziele aber nicht aus den Augen zu verlieren“. Das lässt Zweifel aufkommen, dass der angestrebte Aufstieg in die zweite Bundesliga wie zum Börsengang angedacht bis zum Jahr 2022 erreicht wird. Ohnehin hat derzeit der Klassenerhalt Priorität, und diese Aufgabe ist nach dem Verkauf des Torhüters und der Niederlage am zurückliegenden Freitag im „S-Bahn-Derby“ gegen 1860 München alles andere als leichter geworden. Um dem Abstieg in die Regionalliga noch zu vermeiden, müsste Unterhaching den 1. FC Kaiserslautern überholen, der 5 Punkte mehr hat. In den noch verbleibenden zwölf Spieltagen benötigt der Verein daher dringend Siege. Unterhaching hat jedoch an den zurückliegenden zwölf Spieltagen kein einziges Mal ge­wonnen.