Luftfahrtindustrie

Aktionäre machen Druck auf MTU Aero Engines

Der von der Pandemie gebeutelte Flugzeugtriebwerkhersteller MTU Aero Engines muss sich auf der virtuellen Hauptversammlung am Mittwoch auf Gegenwind einstellen. Aktionärsaktivisten kritisieren das Dax-Unternehmen wegen seiner relativ hohen Dividende für 2020 und wegen der Exporte in Krisengebiete.

Aktionäre machen Druck auf MTU Aero Engines

Von Stefan Kroneck, München

Die Corona-Pandemie hat der Luftfahrtindustrie schwer zugesetzt. Nach einem Umsatz- und Gewinneinbruch enttäuschte der Triebwerkhersteller MTU Aero Engines im Februar zur Bilanzvorlage die Anleger mit einer verhaltenen Prognose für 2021. Trotz des Ergebnisrückgangs und zugleich beschlossener Stellenstreichungen will die Verwaltung des Dax-Mitglieds die Dividende deutlich erhöhen, nachdem Vorstand und Aufsichtsrat aufgrund der Seuche diese für das Rekordjahr 2019 auf das gesetzliche Mindestniveau gekürzt hatten.

Die Stimmung unter den Anteilseignern ist dadurch gereizt. Die Unternehmenspolitik bringt Aktionärsaktivisten auf den Plan. Der Dachverband der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre überzog den Münchner Blue Chip vor der am morgigen Mittwoch stattfindenden Hauptversammlung mit Gegenanträgen. Die in Köln sitzende Interessenvertretung von Kleinaktionären lehnt die vorgeschlagene Verwendung des Bilanzgewinns ab. „Obwohl MTU massiv von den Folgen der Corona-Pandemie betroffen ist, deren nachhaltige Bewältigung hohe Investitionen verlangt, wird der Bilanzgewinn vollständig als Dividende ausgeschüttet. Zumindest ein Teil des Bilanzgewinns sollte für eine zukunftsorientierte, sozial gerechte Krisenbewältigung genutzt werden“, begründeten unter anderem die Rheinländer ihren Antrag.

Im vergangenen Jahr seien zeitweise vier Fünftel der Konzernbeschäftigten in Kurzarbeit gewesen. Dennoch sollen den Angaben zufolge 1000 bis 1200 Arbeitsplätze gestrichen werden. „Die Folgen der Pandemie, die für MTU durch Kurzarbeitergeld staatlicherseits abgefedert worden sind, werden so sozialisiert, während Gewinne nun privatisiert werden sollen“, merken die Kleinaktionärsvertreter an.

Die Verwaltung wehrt sich. Sie hält den Antrag für unbegründet. MTU habe den Dividendenausfall im vergangenen Jahr „vorgezogen“, schreibt das Management in seiner Stellungnahme. „Die Aktionäre stellen als Investoren ihr Kapital zur Verfügung und haben daher auch einen Anspruch auf Teilhabe am erwirtschafteten Gewinn in Form einer Dividendenausschüttung. Des Weiteren ist Kontinuität bei der Ausschüttung für die MTU von hoher Bedeutung am Kapitalmarkt.“

Des Weiteren handele es sich bei den um 10 bis 15% zu reduzierenden Personalkapazitäten „nicht in erster Linie um den Abbau von Arbeitsplätzen“, sondern „vielmehr individuelle Vereinbarungen“ wie unter anderem Altersteilzeit und Vorruhestandsregelungen. „Ziel ist es, eine möglichst große Zahl hoch qualifizierte Kolleginnen und Kollegen weiter mit an Bord zu haben, wenn die Erholung der Luftfahrt wieder Fahrt aufnimmt. Die MTU hat zudem das bislang 2020 und 2021 gezahlte Kurzarbeitergeld aus eigenen Mitteln für die Mitarbeiter:innen erheblich aufgestockt“, erklärte die Verwaltung.

Saudi-Arabien im Visier

Zur zurückliegenden Bilanzvorlage schlug die Konzernführung vor, für 2020 die Dividende auf 1,25 Euro je Aktie zu erhöhen. Das entspräche einer Ausschüttungssumme von 67 Mill. Euro, die 23% des Konzerngewinns (bereinigt) ausmachen würde. Zur Erinnerung: Für 2019 überwies das Unternehmen nur 4 Cent je Aktie und damit die gesetzliche Mindestdividende. Ursprünglich hatte die Verwaltung 3,40 Euro je Titel geplant. Nach Ausbruch der Pandemie hatte sie das aber verworfen, um die Liquidität zu sichern (vgl. BZ vom 18. Februar). Ansonsten hätte die Dividendensumme von 181 Mill. Euro mehr als ein Drittel des erwirtschafteten Überschusses betragen.

Derweil beantragen die Aktionärsaktivisten, den Vorstand die Entlastung für 2020 zu verweigern. Sie begründen dies damit, dass MTU von ihrer Leitlinie einer verantwortungsvollen Außenwirtschaft abweiche. „Dennoch hält der Konzern in der Praxis an Lieferungen in Krisengebiete fest und gibt an, sich weiter für entsprechende Exportaufträge einzusetzen“, führte der Dachverband aus. Er listet unter anderem den Export von Kampfflugzeugen des Typs Eurofighter nach Kuwait und Saudi-Arabien auf. In den Triebwerken dieser Maschinen steckten auch Komponenten von MTU. Über Großbritannien würden diese Flieger unter anderem im Jemen eingesetzt. Das Land befindet sich im Bürgerkrieg. „Mit solchen Geschäften geht der Vorstand nicht nur ein immer größeres Reputationsrisiko ein, sondern kann bald auch Strafzahlungen aufgrund unzureichender menschenrechtlicher Risikoanalyse nicht mehr ausschließen“, warnt der Dachverband. Federführender Hersteller des Eurofighters ist der deutsch-französische Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus.

Die Verwaltung hält diesen Antrag ebenfalls für unbegründet. „Die Geschäftsaktivitäten der MTU stehen seit jeher im Einklang mit den Exportrichtlinien der Bundesregierung. Im militärischen Bereich umfassen sie im wesentlichen europäische Gemeinschaftsprogramme. Neutriebwerksgeschäfte oder instandhaltungsbezogene Lieferungen erfolgen nur nach individueller Behördenfreigabe. Dies gilt ohne Einschränkung und an dieser Haltung wird sich auch nichts ändern“, schreibt dazu der Konzern. Die Entscheidung der Bundesregierung, in militärische Projekte zu investieren, sorge insbesondere in Krisenzeiten für eine stabile Auftragslage der Unternehmen und sichere zugleich Arbeitsplätze. „Die Achtung der Menschenrechte ist eine wesentliche Grundlage für die MTU und geht weit über die Lieferketten hinaus. Mit einem umfassenden Compliance-System gewährleisten wir Ethik und Integrität im Unternehmen.“

Institutionelle am Hebel

MTU hält ihr diesjähriges Aktionärstreffen aufgrund der Pandemie abermals virtuell ab. Einer Analyse der Börsen-Zeitung zufolge zählt die frühere Daimler-Tochtergesellschaft zu jenen deutschen Blue Chips, die Nachfragen während der Online-Hauptversammlung und Statements nicht zulassen (vgl. BZ vom 23. März).

Bei aller Kritik ist schlussendlich ausschlaggebend, wie sich die institutionellen Investoren bei diesen Themen verhalten. MTU befindet sich fast vollständig im Streubesitz. Adressen wie unter anderem The Capital Group (Anteil: 14,6%), Black­Rock (8,8%) und Allianz Global Investors (5,1%) haben mit ihren relativ hohen Beteiligungen einen großen Einfluss auf die Abstimmungsergebnisse in der Hauptversammlung. Diese sitzen am längeren Hebel. Bisher ist nicht bekannt, dass der Aktionärsberater ISS und der Stimmrechtsdienstleister Glass Lewis empfehlen, gegen die Vorschläge der Verwaltung zu stimmen.