Siemens

Angespannte Lage bei Stahl und Kunststoffen

Siemens schließt verlängerte Lieferzeiten wegen Engpässen bei Stahl, Kunststoff und Chips nicht aus. Vorstandschef Roland Busch erwartet aber Einschränkungen nur in Einzelfällen.

Angespannte Lage bei Stahl und Kunststoffen

mic München

„Wir behalten unsere Lieferketten im Auge.“ Mit dieser Ansage wies Siemens-Vorstandsvorsitzender Roland Busch bei der Präsentation der Halbjahreszahlen darauf hin, dass auch die Münchner gegen drohende Engpässe ankämpfen. Es gebe eine Verknappung elek­tronischer Bauteile wie etwa 2-Euro-Produkten zur Ansteuerung von Displays. Außerdem beobachte man Preissteigerungen in einigen Bereichen. „Derzeit sehen wir unter anderem eine angespannte Situation bei Stahl, Kunststoffen und Frachtkapazitäten“, sagte Busch. Daher könnten sich in den nächsten Monaten in einzelnen Fällen Einschränkungen in der Produktion und verlängerte Lieferzeiten ergeben.

Finanzvorstand Ralf Thomas sprach von einem bisher beschränkten Einfluss steigender Rohstoffpreise auf die Gewinn-und-Verlust-Rechnung. Es handle sich in der ersten Jahreshälfte um einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag. Siemens habe sich gegen steigende Preise von Rohstoffen wie Kupfer, Aluminium und Stahl abgesichert. Außerdem gebe es Rahmenverträge mit Lieferanten. Darüber hinaus sei die Weitergabe von Preissteigerungen an die Kunden in entsprechenden Klauseln festgeschrieben.

Hohe Sondererlöse

Busch betonte, die Industrie erhole sich weiter. Er strich heraus, dass die Industrieproduktion in China deutlich über dem Niveau vor der Pandemie liege. Dort kletterte der Siemens-Umsatz im zweiten Quartal um 44% auf 1,9 Mrd. Euro. Trotz des Anstiegs erlöst der Konzern weniger als vor der Krise; er hatte im vierten Quartal des Kalenderjahres 2019 rund 2,2 Mrd. Euro erreicht. Europa und die USA erholten sich, bilanzierte Busch. Unterstützung versprechen sich die Münchner mittelfristig zusätzlich von staatlichen Finanzhilfen zur Modernisierung der Infrastrukturen. Thomas sprach davon, nach einem im Vergleich zum Januar stark verbesserten März sei auch der April gut gelaufen: „Wir gehen davon aus, dass wir gut Fahrt aufgenommen haben.“

Die Prognose für Umsatz und Nettoergebnis stockte Siemens daher zum zweiten Mal im laufenden Geschäftsjahr auf. Die Erlöse sollen nun auf vergleichbarer Basis um 9% bis 11% zulegen, während bisher ein Plus im mittleren bis höheren einstelligen Prozentbereich avisiert wurde. Damit erhöht sich auch aufgrund eines Basiseffekts das prozentuale Plus im zweiten Halbjahr, denn in der ersten Hälfte wurden 8% erreicht.

Der Nettogewinn wird der Planung zufolge von 4,2 Mrd. Euro im vergangenen Geschäftsjahr auf 5,7 bis 6,2 Mrd. Euro steigen (siehe Grafik). Zuvor hatte der Konzern maximal 5,5 Mrd. Euro für möglich gehalten. Dass das Plus stärker ausfällt, verdankt der Vorstand auch ungeplanten Erlösen. Einerseits brachte die Flender-Veräußerung für 1,8 Mrd. einen Gewinn vor Steuern von 884 Mill. Euro. Dieser habe über den Erwartungen gelegen, sagte Thomas. Andererseits ging ein Unternehmen aus dem Start-up-Portfolio im März über den Zusammenschluss mit einem Spac an die Börse. Die höhere Bewertung des Siemens-Anteils brachte einen Gewinn von 222 Mill., weil die Beteiligung an den Siemens Pension-Trust übertragen wurde.

Thomas wies in der Analystenkonferenz den Eindruck zurück, dass die Prognoseerhöhung ausschließlich aus den ungeplanten Sondererlösen resultiert. Aber es sei richtig: Die Marge werde teils durch wieder höhere Reisekosten sowie steigende Boni wegen des Geschäftserfolgs zurückgehalten. Außerdem wirkten sich die selektiven Investitionen, mit denen Siemens zum Angriff auf die Konkurrenz bläst (vgl. Seite 1), dämpfend aus. Dies trage dazu bei, dass die Ergebnismarge im dritten Quartal leicht unter das Niveau des zweiten Quartals (15,1%) sinken werde. Eine kurzfristige Ergebnisoptimierung lehnte der Finanzvorstand ab: „Wir werden Langfrist-Chancen nicht für eine Quartalsentwicklung opfern.“

Varian ante portas

Erhebliche Ergebniseffekte erwartet Thomas im Jahresverlauf aus der Akquisition des US-Strahlentherapiespezialisten Varian, den die Tochter Siemens Healthineers im April gekauft hat. Er erklärte, voraussichtlich werde der Nettogewinn beispielsweise durch Kaufpreiseffekte mit 300 bis 500 Mill. Euro belastet. Auch der Varian-Umsatz, den Healthineers mit 1,2 bis 1,4 Mrd. Euro in der zweiten Geschäftsjahreshälfte angegeben hatte, ist in der Prognose nicht enthalten.