BRANCHEN IM KLIMAWANDEL - KÖPFE DES JAHRES

Bahnbrechend

scd - Vor 60 Jahren, als der Index der Börsen-Zeitung als Vorläufer des heutigen Leitindex Dax aus der Taufe gehoben wurde, war an ein Softwareunternehmen im Kreis der größten deutschen Aktiengesellschaften noch ebenso wenig zu denken wie an eine...

Bahnbrechend

scd – Vor 60 Jahren, als der Index der Börsen-Zeitung als Vorläufer des heutigen Leitindex Dax aus der Taufe gehoben wurde, war an ein Softwareunternehmen im Kreis der größten deutschen Aktiengesellschaften noch ebenso wenig zu denken wie an eine Frau an dessen Spitze. Das Wort “Software” hatte überhaupt erst ein Jahr zuvor im Magazin “American Mathematical Monthly” Premiere gefeiert und wurde als eigenständiges, von der Hardware unabhängiges Produkt erst in den 1970er Jahren etabliert – jenem Jahrzehnt, in dem auch Jennifer Morgan im US-Bundesstaat Virginia geboren wurde. Der 48-Jährigen gelang in Deutschland vergangenes Jahr, was ihrer Landsfrau Hillary Clinton in der Heimat 2016 missglückte. Sie durchbrach eine sprichwörtliche “Glass Ceiling”, eine unsichtbare Barriere, und rückte als erste Frau an die Spitze eines Dax-Konzerns.”Ich war verwundert, dass ich mein Foto in jeder deutschen Zeitung sah”, sagte Morgan dem Spiegel kurz nach ihrer Ernennung. In den USA sei das nicht so gewesen. Dies verwundert indes nicht. Denn während man sich in Deutschland nach bald eineinhalb Jahrzehnten mit Kanzlerin Angela Merkel an das Bild einer Regierungschefin längst gewöhnt hat, sind Konzernchefinnen noch rar gesät. Anders in den USA: Ginni Rometty steht seit Jahren an der Spitze von IBM, Safra Catz bei SAP-Rivale Oracle. Doch nicht nur in der Tech-Branche schaffen es Frauen nach oben. Bei den US-Rüstungskonzernen Lockheed Martin und General Dynamics, dem Autobauer General Motors, dem Fondsanbieter Fidelity oder dem Beratungskonzern Accenture setzt man ebenfalls auf Frauenpower an der Konzernspitze.Insofern passt es, dass es mit Morgan eine US-Amerikanerin ist, die an der Seite von Co-CEO Christian Klein als erste Vorstandsvorsitzende im Dax deutsche Wirtschaftsgeschichte schreibt. Die zweifache Mutter, die ihre Karriere bei Accenture-Vorgänger Anderson Consulting startete, gilt als hervorragende Teamspielerin. Dabei hat sie gezeigt, dass sie auch mit exzentrischen Charakteren klarkommt. Als Cloud-Chefin fiel es Morgan 2019 zu, die Plattform des milliardenschweren Zukaufs Qualtrics bei SAP zu integrieren. Mit dem Abgang von Vorgänger Bill McDermott, der den Deal maßgeblich eingefädelt hatte und sich bestens mit Gründer und CEO Ryan Smith verstand, wurde sie zur Hauptansprechpartnerin für Smith, mit dem sie schnell eine Sprache fand. Der Kapitalmarkttag im November, wenige Wochen nach dem Führungswechsel, diente dann primär der Vertrauensbildung.Morgan und Klein versprechen, SAP werde künftig klarere Prioritäten setzen, um die Kundenzufriedenheit zu steigern, die zuletzt gelitten hat. Man darf ihr zutrauen, dass sie dies ebenso systematisch anpackt wie die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen bei SAP in den USA, die sie 2016 schließen half. Dass es die Amerikanerin an die Spitze eines Weltkonzerns geschafft hat, verwundert angesichts ihrer Bilanz und ihres Auftretens kaum. Dass sie 2019 noch die erste Frau war, der dies im Dax gelang, dagegen schon. Eine Barriere weniger zu durchbrechen.