Auf dem Weg zur Aufspaltung

Brenntag stößt Entflechtung an

Aus eins mach zwei: So einfach wie sich Aktionärsaktivisten eine Aufspaltung vorstellen, ist es nicht. Brenntag nimmt sich bis 2026 Zeit.

Brenntag stößt Entflechtung an

Brenntag stößt Entflechtung an

Bis 2026 startklar für "nächste Schritte" – Aufbau von Doppelstrukturen – Einmalkosten von bis zu 650 Mill. Euro – Zusätzliche Einsparungen

ab Düsseldorf

Brenntag lässt den Big Bang ausfallen. Gleichwohl stößt der weltgrößte Chemiedistributeur die Entflechtung der Divisionen an. Bis 2026 soll Brenntag startklar sein für "die nächsten strategischen Schritte", wie Vorstandschef Christian Kohlpaintner anlässlich des Kapitalmarkttags erklärte.

Der Big Bank ist ausgeblieben. Diesen hatte aber wohl auch niemand erwartet, nachdem Brenntag den Kampf mit aktivistischen Investoren für sich entschieden hatte. Dennoch beschreitet der Weltmarktführer in der Chemiedistribution nun genau den Weg, den der Aktionärsaktivist Primestone Anfang des Jahres eingefordert hatte.

Die beiden Divisionen, Essentials und Specialties, werden verselbständigt und auch rechtlich auf eigene Beine gestellt. Dafür nimmt sich Brenntag bis 2026 Zeit. Über den beiden Divisionen thront die Konzernzentrale, die verschlankt wird. Mit der Entflechtung greift Brenntag nach Darstellung von Vorstandschef Christian Kohlpaintner "die Struktur unseres Marktumfeldes" auf.

Fragmentierter Markt

"Unsere Kunden und Lieferanten haben sich bereits in die Welt der Spezialitäten auf der einen Seite und der Industriechemikalien auf der anderen Seite sortiert", führte Kohlpaintner anlässlich des Kapitalmarkttags aus. Mit der operativen und rechtlichen Entflechtung folge Brenntag dem Markt. Damit bereite sich das Unternehmen bis 2026 "auf die nächsten strategischen Schritte" vor.

Denkbar ist dabei alles, vom – eher unwahrscheinlichen – Festhalten am Status quo über Aufspaltung, M&A bis hin zum IPO. Handlungsbedarf ergibt sich aus Sicht von Kohlpaintner auch dadurch, dass Private-Equity-Investoren die Konsolidierung in der stark fragmentierten Branche beschleunigen. Brenntag nimmt in beiden Divisionen die weltmarktführende Position ein, bringt es nach den Angaben letztlich aber nur auf einen Marktanteil von 5%. Auf Platz zwei rangiert Univar mit 2,8%. Die sechs größten Chemiedistributoren kommen zusammen nur auf einen Marktanteil von 12%.

Leistungslücke schließen

Die Entflechtung der Divisionen gibt es allerdings nicht zum Nulltarif, müssen doch in jedem Segment Doppelstrukturen aufgebaut werden. Damit würden die Segmente zu einer eigenständigen Geschäftssteuerung befähigt, wie es heißt. Für die Entflechtung samt parallel geplanten Kosteneinsparungen werden bis 2027 Einmalaufwendungen von 450 bis 650 Mill. Euro veranschlagt. On Top kommen die im Vorjahr verkündeten 250 Mill. Euro, die im Zusammenhang mit der Einführung des harmonisierten ERP-Systems stehen. Demgegenüber stehen zusätzliche Kostensenkungsmaßnahmen, die bis 2027 zu Einsparungen von 300 Mill. Euro führen sollen.

Insbesondere im Spezialitätengeschäft droht Brenntag den Anschluss an den Wettbewerb zu verlieren. Die größere Autonomie solle Specialties dabei helfen, die Leistungslücke zum Wettbewerb zu schließen, sagte Kohlpaintner. Im Spezialitätengeschäft soll zudem der Fokus eingeengt und zugleich vertieft werden. Die Geschäfte Water Treatment (Wasserbehandlung) und Finished Lubricants (Schmierstoffe) sowie nicht näher definierte Semi-Spezialitätengeschäfte werden an Essentials weitergereicht. Derweil sollen die im Massengeschäft befindlichen Teile des Pharmageschäfts im Geschäft mit Spezialchemikalien aufgehen.

Steuerliche Implikationen

Damit soll das Profil der jeweiligen Geschäfte geschärft werden mit Blick auf die spezifischen Kunden- und Lieferantenbedürfnisse. Die Verschiebungen führen dazu, dass auf Essentials künftig 70% des Konzernrohertrags entfallen. Mit der Neuaufstellung geht eine veränderte Berichterstattung einher. Während Essentials wie bisher nach Regionen berichtet, geht Specialties zur Berichterstattung nach den Industriesegmenten Life Science und Material Science über.

Für die Entflechtung nimmt sich Brenntag zwei Jahre Zeit, handelt es sich doch um ein komplexes Unterfangen. An den weltweit mehr als 600 Standorten sind häufig beide Segmente vertreten, die nun über Serviceverträge separiert werden müssen. Auch ist die rechtliche Auftrennung mit zahlreichen Nebenbedingungen versehen, bringt die Aufspaltung doch auch steuerliche Implikationen mit sich.

M&A bleibt Pflicht

Wiewohl die beiden Segmente künftig unterschiedliche Strategien verfolgen, sollen beide Divisionen akquisitorisch gestärkt werden. Kohlpaintner sprach in diesem Zusammenhang von weißen Flecken, die es auszufüllen gelte. Das Spektrum erstreckt sich dabei von Regionen über Technologien bis hin zu Produkten. Das M&A-Budget bleibt bei jährlich 400 Mill. bis 500 Mill. Euro. In der Pipeline befänden sich etwa 400 potenzielle Übernahmekandidaten, sagte Finanzchefin Kristin Neumann.

Zugleich hat Brenntag die mittelfristige Finanzplanung bis 2027 fortgeschrieben. Demnach rechnet Brenntag im Konzern mit einem jährlichen Wachstum im operativen Ergebnis (Ebita) von 7 bis 9% bei einer Conversion Rate von 43 bis 45%. Essentials wird ein organisches Wachstum zwischen 5 und 7% zugetraut, Specialties von 7 bis 9%. Basisjahr ist das schwierige Geschäftsjahr 2023.

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