Elektroautos

China legt sich nicht länger Tesla zu Füßen

Tesla kann mit Silicon-Valley-Arroganz nicht länger in China landen. Verbeugung vor der Kundschaft ist angesagt.

China legt sich nicht länger Tesla zu Füßen

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Kein Zweifel, Tesla ist die große Zugnummer in Chinas Automarkt, und zwar im besonders hitzig umkämpften Segment der gehobenen Elektrofahrzeuge mit jeder Menge Technologie-Schnick-Schnack. Mit der goldrichtigen Entscheidung, eine Gigafactory in Schanghai aufzuziehen, haben sich die Kalifornier via kostengünstige Vor-Ort-Produktion für Tesla Model 3 und Model Y im Handumdrehen in China vom Nischenanbieter zum Massenhersteller gemausert und die Pole-Position unter den E-Autobauern eingenommen.

Teslas jüngster Quartalsausweis zeigt, wie üppig das China-Geschäft zum globalen Konzernerfolg beiträgt. Die Champagnerlaune bleibt aber aus. Im Gegenteil, in diesem Frühjahr erlebt die als besonderes Privileg vom Joint-Venture-Zwang mit heimischen Partnern befreite Tesla erstmals, wie schwierig es ist, im Alleingang durch Chinas Regulierungsumfeld zu navigieren und chinesischer Servicementalität gerecht zu werden.

Hatte man sich zuvor mit den wesentlich teureren aus den USA importierten Tesla-Modellen an eine technophile Luxuskundschaft ge­wendet, die huldvoll einem Tesla-Kult frönte, sieht man sich nun anderen Anforderungen gegenüber. Tesla hat es jetzt mit renitenten Mittelstandskunden zu tun, die stark aufs Portemonnaie achten. Die sind zwar bereit, einen signifikanten Teil ihrer Ersparnisse für einen Wagen mit Statuscharakter hinzulegen, erwarten für dieses Opfer aber höchste Kundenzuwendung und Serviceverrenkungen, wie sie rivalisierende chinesische Start-ups an den Tag legen.

Die Protestaktion einer Bremsprobleme anmahnenden Kundin am Tesla-Stand auf der jüngsten Automesse in Schanghai und Teslas zunächst etwas kühle Reaktion darauf haben schon ausgereicht, eine Art landesweite Anti-Tesla-Stimmung aufzubauen, in die Chinas Staatspresse genüsslich eingestiegen ist. Marktregulatoren geißelten Tesla öffentlich für mangelndes Kundenverständnis, und die Führungsmannschaft in China wurde von der Obrigkeit ins Gebet genommen. Die Message ist eindeutig: Der China-Kunde ist König, und mit der Tesla-eigenen „corporate arrogance“ als Silicon-Valley-Kultmarke droht man insbesondere in Zeiten heftiger geo- und industriepolitischer Anspannungen zwischen China und den USA schnell an die Wand zu fahren.

Tatsächlich hat sich Tesla dem öffentlichen Druck gebeugt und Besserung gelobt, sieht sich nun aber dennoch einer bedenklichen Schadensbilanz gegenüber. Nach einem Rekordabsatz im März sind die Tesla-Verkäufe in China im April um gut ein Viertel eingeknickt. Das kann man als Warnschuss in Sachen Reputationsverlust verstehen, und prompt häufen sich Stimmen, die davon ausgehen, dass Tesla ihre Marktführerschaft im chinesischen E-Auto-Segment schon in der zweiten Jahreshälfte – und damit eindeutig früher als bislang erwartet – einbüßen wird.

Schlimmer vielleicht noch, scheint das erste Anecken mit chinesischen Behörden dazu zu führen, dass Tesla Gefahr läuft, bisherige Privilegien als besonders geschätzter ausländischer Direktinvestor zu verlieren. Anscheinend haben die Behörden in Schanghai kürzlich Tesla zumindest vorläufig die Genehmigung für einen Landkauf verwehrt, der vonnöten wäre, um die Gigafactory kapazitätsmäßig signifikant auszubauen. Dies könnte letztlich bedeuten, dass Teslas hochtrabende Pläne scheitern, die kostengünstige Produktionsstätte in China zur führenden Drehscheibe für Tesla-Exporte in andere asiatische Länder und insbesondere auch den europäischen Markt zu machen.

Vielleicht wollen die Behörden Tesla erst einmal nur ein wenig schwitzen lassen. Auch sind Chinas Verbraucher schnell mit wütenden Boykottaktionen zugange, haben als Kollektiv jedoch ein recht kurzes Gedächtnis. Die Causa Tesla könnte sich also wieder etwas entspannen. Eines aber dürfte Tesla bereits gelernt haben. In Chinas Automarkt ist Biegsamkeit vonnöten. Es gilt sich tief vor dem Kunden verbeugen zu können und nicht etwa Umgekehrtes zu erwarten.