Siemens

Das Signal des Rückzugs

170 Jahre lang hat Siemens dem Absatzmarkt Russland die Treue gehalten. Nun zieht sich der Konzern aus dem Land zurück. Die Folgen reichen weit über die Unternehmensgrenzen hinaus.

Das Signal des Rückzugs

Siemens verlässt den russischen Markt vollständig. Dies ist ein Paukenschlag. Denn der Konzern hat seit 170 Jahren seine Geschäfte mit dem großen Land gemacht, zeitweise erwirtschaftete ein Vorgängerunternehmen 80% seines Umsatzes in Russland. Es lief nicht immer rund, die Zeitläufte unterbrachen zuweilen die Kontakte. Im Jahr 1918 wurden die Deutschen nach der Revolution sogar enteignet. Niemals zuvor jedoch hat Siemens aus eigenem Antrieb den Geschäftsbetrieb eingestellt.

Die Entscheidung schlägt sich sichtbar im zweiten Quartal des Geschäftsjahres nieder. Der Gewinn nach Steuern sinkt um fast die Hälfte. Der Russland-Abschied kostet bisher netto 572 Mill. Euro, es kann ein niedriger bis mittlerer dreistelliger Millionenbetrag hinzukommen.

Trotzdem ist ein Absturz des Aktienkurses um 7%, wie er am Donnerstag zeitweise zu beobachten war, übertrieben. Die ökonomischen Auswirkungen sollten nicht überbewertet werden. Erstens war die Fallhöhe für das Nettoergebnis besonders hoch, weil es im Vorjahr einen gewaltigen Sondergewinn gegeben hatte. Zweitens läuft das sonstige Siemens-Geschäft so gut, dass der Vorstand nicht nur offiziell an der Prognose festhält, sondern implizit sogar die Aussichten für die Erlösdynamik erhöhen kann. Der Ergebniseffekt wird zudem durch hohe Gewinne infolge der Verkäufe von Unternehmensteilen egalisiert. Drittens steht Russland für nur 1% des Konzernumsatzes. Für die dortigen Mitarbeiter ist es hart, dass ihr Leben durch die Wahnsinnstaten ihres Präsidenten und seiner Armee auf den Kopf gestellt wird. In der Ukraine allerdings mussten sich 180 Siemens-Beschäftigte in Kellern verstecken und um ihr Leben fürchten. Vorstandschef Roland Busch will die 3000 Mitarbeiter in Russland zu Recht nach besten Kräften unterstützen. Sie sind aber aus Konzernsicht eben nur ein kleiner Teil der Belegschaft.

Die Entscheidung von Siemens kann nicht überraschen. Viele Unternehmen haben Russland verlassen, Siemens hatte sein Geschäft eingefroren. Trotzdem: Der Rückzug ist etwas Besonderes, weil Siemens die Erfolge Deutschlands in einer globalisierten Welt repräsentiert. Das Signal ist daher: Die Weltwirtschaft zerfällt tatsächlich in Blöcke. Die Herausforderung der Firmen wird sein, dieses Auseinanderbrechen der Welt klug zu managen. Dies ist keine leichte Übung, nicht zuletzt in China.

Glücklicherweise können die deutschen Firmen diese Aufgabe, der abschwächenden Konjunktur zum Trotz, aus einer Position der Stärke angehen. Siemens beispielsweise hat einen Rekordauftragsbestand. Mit diesem Pfund lässt sich wuchern.

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