Volkswagen

„Elektroauto-Ziel außer Reichweite“

Volkswagen wird 2021 nach Einschätzung eines Analysten das Ziel verfehlen, 600000 rein batteriebetriebene Autos auszuliefern. Der Hochlauf für den Massenmarkt sorgt für Enttäuschung.

„Elektroauto-Ziel außer Reichweite“

ste Hamburg

Für Volkswagen gerät das Ziel, in diesem Jahr rund 600000 vollelektrische Fahrzeuge (BEV) abzusetzen, außer Reichweite. Zu dieser Einschätzung kommt Bernstein-Analyst Arndt Ellinghorst in einer aktuellen Studie. Die BEV-Verkäufe müssten im restlichen Jahresverlauf – vor allem in China – deutlich zulegen und bei durchschnittlich 80000 Einheiten pro Monat liegen, um die Vorgabe für 2021 noch zu erreichen.

Für die ersten sieben Monate kommt der Konzern aus Wolfsburg laut der Analyse auf rund 202000 verkaufte rein batteriebetriebene Fahrzeuge – gut ein Drittel des Jahresziels. Von diesen Fahrzeugen entfielen 89400 auf die neue ID-Elektroautofamilie der Kernmarke Volkswagen Pkw. Die monatliche ID-Verkaufsquote sei bis auf ca. 18000 Fahrzeuge im Juli gesunken.

Viele langfristige VW-Investoren sähen die Elektroauto-Strategie des Konzerns als zwingenden Grund für ein Investment in die Aktie an, so Ellinghorst. Bislang sei die Hochlaufkurve der reinen Elektroautos von Volkswagen für den Massenmarkt aber weniger beeindruckend als erhofft. Dies könne mit der unterschiedlichen Verbraucherakzeptanz in den Segmenten Premium und Volumen zusammenhängen, mit Anlaufschwierigkeiten beim Direktvertriebsmodell vor allem in China, mit der Halbleiterknappheit oder mit produktbezogenen Problemen. Diese Schwierigkeiten seien in China offenbar ausgeprägter als in Europa, so der Analyst.

Aufholbedarf in China

In den ersten sieben Monaten seien mit gut 65000 Fahrzeugen fast drei Viertel (73%) der ID-Modelle in Europa verkauft worden – bei einer jährlichen Produktionskapazität von 300000 E-Autos im Werk Zwickau. In Anbetracht der reichlichen Kaufanreize durch Staat und Hersteller sowie der Auslieferungen an Mitarbeiter sei diese Zahl nicht besonders eindrucksvoll. Die langsame Markteinführung des Elektro-SUV ID.4 in China sei gründlich belegt und mit dem Management diskutiert. Verbraucher hätten mehr als 50000 ID-Testfahrten absolviert, von denen nur 15000 zu Verkäufen geführt hätten. Das sei „offensichtlich frustrierend“, während Volkswagen angebe, einige produktbezogene Probleme durch Software-Updates behoben zu haben und an stärkeren ID-Verkaufsanreizen für die eigenen Händler zu arbeiten.

In einem Ende Juli erschienenen Interview mit der Börsen-Zeitung hatte VW-Marken-Finanzchef Alexander Seitz erklärt, die Verkäuferprovisionen des mit dem ID-Verkaufsstart eingeführten Agenturmodells angepasst zu haben. Absatzziele müssten nicht korrigiert werden. Aufgrund des scharfen Wettbewerbs in China brauche ein neues E-Modell mindestens sechs bis acht Monate, um sich zu etablieren und die Verkaufszahlen zu normalisieren. Von einem Fehlstart des ID.4 in China könne keine Rede sein. „Unsere Planung mit einer deutlichen Auslieferungssteigerung bei den ID-Fahrzeugen von Monat zu Monat führt zu den Zielen, die wir uns vorgenommen haben.“ Im weltgrößten Automarkt, in dem die Marke rund die Hälfte ihrer Fahrzeuge pro Jahr ausliefert, sollen 2021 insgesamt 80000 bis 100000 ID-Fahrzeuge an Kunden gehen. Vor gut einer Woche hatte die Marke angekündigt, im vierten Quartal auch den Kompaktwagen ID.3 in China einzuführen – nach dem ID.4 und dem ID.6 die dritte vollelektrische Modellreihe für den Markt innerhalb von sechs Monaten.

Konzern bekräftigt Vorgabe

Ein VW-Sprecher erklärte nun, der Konzern plane unverändert, in diesem Jahr einschließlich der Plug-in-Hybride rund 1 Million elektrifizierte Fahrzeuge auszuliefern. „Eine genaue Zielmarke für BEV haben wir nicht kommuniziert.“ Voraussetzung sei, dass die Versorgung mit Halbleitern sichergestellt ist. „Bislang haben wir hier bei den BEV durch eine entsprechende Priorisierung keine wesentlichen Beeinträchtigungen gehabt.“ Die BEV-Modelloffensive, so der Sprecher, greife und werde im Jahresverlauf fortgesetzt. „Die Kundennachfrage ist hoch, wir haben derzeit allein in Westeuropa einen Auftragsbestand von rund 168000 BEV.“ Daher seien keine zusätzlichen kurzfristigen Initiativen erforderlich.

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