Nicht nur Espressokannen-Produzent Bialetti ist chinesisch
Nicht nur Espressokannen-Produzent Bialetti ist chinesisch
Investoren aus dem Reich der Mitte sind auch bei anderen italienischen Unternehmen wie Pirelli und Wind Tre an Bord
Von Gerhard Bläske, Mailand
bl Mailand
In Italien ist es ein großer Aufreger: Bialetti, Hersteller des charakteristischen achteckigen Espressokochers, der in keinem italienischen Haushalt fehlen darf, wird chinesisch. Dabei ist die meist silberne Aluminium-Kanne, ähnlich wie die Vespa oder der Fiat 500, eine Ikone des italienischen Designs.
Der in Luxemburg ansässige Investmentfonds Nuo Capital des chinesischen Unternehmers Stephen Cheng aus Hongkong kauft Mehrheitseigner Francesco Ranzoni für 53 Mill. Euro 78,5% der Anteile ab. Den restlichen Aktionären wird ein Kaufangebot vorgelegt mit dem Ziel, Bialetti von der Börse zu nehmen.
Schon lange in der Krise
Das Unternehmen ist schon lange in der Krise. 2024 kam Bialetti bei einem Umsatzplus von 5,9% auf Erlöse von knapp 150 Mill. Euro. Der Nettoverlust wurde im Vergleich zu 2023 auf 1,1 Mill. Euro halbiert. Das 1919 gegründete Unternehmen ist mit 115 Mill. Euro verschuldet. Um einen Konkurs zu vermeiden, brauchte es dringend einen Investor. „Richtig“ italienisch ist Bialetti schon länger nicht mehr. Das Stammwerk in Omegna am Ortasee in Piemont wurde 2010 geschlossen. Seither wird der Espressokocher in Rumänien produziert. Viele Italiener habe Bialetti den Rücken gekehrt. Billig-Konkurrenten sowie teure Espressomaschinen haben der Traditionsmarke den Rang abgelaufen.
Rom intervenierte diesmal nicht. Dabei mischt sich Italiens Regierung sonst gern ein, wenn ihr Übernahmen nicht passen. Beim Reifenkonzern Pirelli war einst mit Sinochem ein chinesischer Investor eingestiegen, um das Unternehmen in schwieriger Zeit zu retten. Die Chinesen haben Pirelli anschließend an die Börse gebracht und ihren Anteil auf 37% reduziert. 2024 begrenzte Rom die Rechte von Sinochem massiv. Für strategische Entscheidungen braucht es nun eine Vier-Fünftel-Mehrheit. Auch der Zugang des chinesischen Aktionärs zu sicherheitsrelevanten Informationen wurde stark eingeschränkt.
Ausschluss vom US-Markt droht
Aus Sicht von Pirelli hat Sinochem die Kontrolle verloren. Die US-Behörden sehen die Chinesen dagegen weiter als bestimmend an, weil sie der größte Aktionär sind. Washington droht mit einem Ausschluss vom US-Markt. Die Pirelli-High-Tech-Reifen übermittelten sicherheitsrelevante Daten an den Fahrer und könnten gehackt werden. Um den Zugang zum US-Markt nicht zu gefährden, drängen Rom und der Executive President und Aktionär Marco Tronchetti Provera Sinochem, die Beteiligung so weit zu reduzieren, dass sie nicht mehr größter Aktionär sind. Das lehnt Sinochem bisher ab.
Italien pflegt ein ambivalentes Verhältnis zu China. Unter Premierminister Giuseppe Conte trat Rom 2019 als einziges G7-Land dem chinesischen Seidenstraßenbündnis bei und hoffte auf Investitionen, die nicht in erwünschtem Umfang kamen. Giorgia Meloni kündigte das Bündnis, unterzeichnete 2024 aber ein Kooperationsabkommen und warb (vergeblich) um die Ansiedlung eines chinesischen Elektroauto-Herstellers im Land.
Hohes Defizit
China war 2024 für Italien mit einem Handelsvolumen von 65 Mrd. Euro nach Deutschland der zweitwichtigste Handelspartner. Italien weist ein hohes Handelsbilanzdefizit von 34,3 Mrd. Euro mit dem Reich der Mitte aus: Exporten von 15,3 Mrd. Euro standen Importe von 49,6 Mrd. Euro gegenüber. Während Italien vor allem Maschinen, Mode, Möbel und Chemieprodukte nach China liefert, bezieht das Land umgekehrt vor allem Halbleiter und Chips, Computer, Chemieprodukte, elektronische Geräte und Kleidung.
Enge Beziehungen
Es bleibt abzuwarten, wie Rom auf Wünsche der USA reagiert, den Handel mit Peking einzuschränken. Eine Beteiligung der chinesischen FAW Jiefang am Nutzfahrzeughersteller Iveco scheiterte vor Jahren am Widerstand Roms. Melonis Vorgänger Mario Draghi untersagte den Verkauf eines Halbleiter-, eines Saatgut- und eines Roboterproduzenten. Doch der drittgrößte italienische Mobilfunkanbieter Wind Tre gehört der chinesischen CK Hutchison Holding. Die Modehersteller Miss Sixty und Cerruti sind mehrheitlich chinesisch. Der Energiekonzern Ansaldo Energy und der Modeproduzent Ferragamo haben chinesische Anteilseigner. Die chinesische Reederei Cosco hält Beteiligungen an Terminals in Vado Ligure bei Genua. Und der franko-italienische Autobauer Stellantis hat ein Joint Venture mit Leap Motor gegründet.
Für viele italienische Unternehmen ist China ein zentraler Markt und Produktionsstandort. Die Handelsbeziehungen zu China sind eng. Im toskanischen Prato gibt es tausende kleiner chinesischer Unternehmen, die „italienische“ Billigmode fertigen.