Volkswagen

Finanzchef setzt auf Cash-flows von Porsche

Der Volkswagen-CFO über die Finanzierung des Umstiegs auf Zukunftstechnologien, das China-Geschäft und den Halbleiter-Mangel

Finanzchef setzt auf Cash-flows von Porsche

Carsten Steevens.

Herr Dr. Antlitz, im Coronakrisenjahr 2020 war das zweite Quartal für Volkswagen mit einem Milliardenverlust das schwierigste. Wie sieht es 2021 aus?

Wenn wir berücksichtigen, dass die Corona-Pandemie nach wie vor nicht vorüber ist und die gesamte Autoindustrie aktuell mit Engpässen bei den Halbleitern konfrontiert ist, war das erste Quartal 2021 für uns ein sehr starkes. Beim Umsatz war es das bislang beste erste Quartal. Das operative Ergebnis von 4,8 Mrd. Euro und die Umsatzrendite von 7,7% liegen auf dem Niveau guter Vorjahre wie 2019. Auch bezüglich der Cash-flows im Automobilbereich, der für unsere Transformation zu einem softwareorientierten Mobilitätsanbieter von besonderer Bedeutung ist, war das erste Quartal sehr stark. Wie gut es verglichen mit den weiteren Quartalen sein wird, müssen wir abwarten. Der Jahresverlauf wird unter anderem von der Halbleiter-Knappheit beeinflusst.

Wie stark betrifft der Mangel den VW-Konzern?

Unsere Teams haben die Lage bislang gut gemanagt. Wir sind besser als erwartet durch die ersten drei Monate gekommen. Wir erwarten im zweiten Quartal größere Auswirkungen, für die Geschäftsentwicklung im Gesamtjahr sind wir aber zuversichtlich. Deshalb haben wir auch den Ausblick für die operative Rendite in diesem Jahr um einen halben Prozentpunkt auf 5,5 bis 7% erhöht. Wir haben ein starkes Produkt-Momentum und kommen mit unserem Kostenprogramm gut voran. Alle Marken machen deutliche Fortschritte.

Wie groß sind die Risiken durch die Halbleiter-Knappheit konkret?

Wir haben im ersten Quartal rund 100000 Autos weniger gebaut als geplant. Im zweiten Quartal rechnen wir infolge der Knappheit mit stärkeren Beeinträchtigungen in der Gesamtindustrie. Wir gehen aus heutiger Sicht aber davon aus, dass wir die verlorenen Fahrzeuge aus dem ersten und zweiten Quartal im zweiten Halbjahr dieses Jahres überwiegend aufholen können. Für eine genaue Prognose der Auswirkungen im laufenden Geschäftsjahr ist es noch zu früh.

Welchen Lehren ziehen Sie aus dem Mangel mit Blick auch auf den Umbruch in Ihrem Konzern? Werden Sie die Beschaffungsstrategie bei Halbleitern ändern?

Wir müssen zwischen der operativen Beschaffung von Halbleitern und deren strategischer Bedeutung im Hinblick auf die digitale Transformation differenzieren. Die aktuellen Engpässe betreffen die gesamte Autoindustrie. Unsere Taskforces arbeiten mit Hochdruck daran, die Lage zu verbessern. Wir versuchen, auch die Transparenz zu erhöhen. Wir planen aber mittelfristig nicht, Halbleiter selbst zu produzieren.

Halbleiter sind wichtige Komponenten für die Digitalisierung der Fahrzeuge und die Entwicklung des autonomen Fahrens.

Genau. In diesem Zusammenhang wollen wir die Kompetenz bezüglich des Halbleiter-Designs intern deutlich stärken, um noch leistungsfähigere Fahrzeuge anbieten zu können.

In China hat Volkswagen in den ersten drei Monaten mit rund 991000 Fahrzeugen nicht nur 61% mehr als im gleichen Vorjahresquartal ausgeliefert, sondern auch mehr als im Startquartal des Vorkrisenjahres 2019. Die Entwicklung des Joint Ventures SAIC-Volkswagen trübt aber den Aufschwung.

Das Geschäft in China hat sich im ersten Quartal sehr gut entwickelt, wobei das Vergleichsquartal im Vorjahr vergleichsweise früh stark durch die Folgen der Corona-Pandemie betroffen war. Unser nördliches Joint Venture FAW hat sich sehr positiv entwickelt. Das liegt zum einen am höheren Anteil an Premium-Fahrzeugen, insbesondere Audi, die aktuell stark gefragt sind. Zum anderen war es von den Halbleiterengpässen weniger stark betroffen als das südliche Joint Venture SAIC, wo zum Beispiel auch Skoda angesiedelt ist. SAIC hat ein ambitioniertes Aufholprogramm gestartet, und wir erwarten weiteren Rückenwind durch attraktive neue Produkte. Daher sind wir zuversichtlich für eine positive Dynamik bei SAIC im Jahresverlauf.

Welche Rolle wird das China-Geschäft verglichen mit anderen Regionen weiter spielen?

China hat naturgemäß große Bedeutung für uns. Aber das gute Ergebnis des ersten Quartals wurde auch von anderen Regionen und allen Marken getragen. Insbesondere den Premiummarken, das zeigt etwa die operative Marge von 10% bei Audi. Auch die Marke Volkswagen macht gute Fortschritte beim Turnaround in Nord- und Südamerika.

Sie wollen mittelfristig Effizienzverbesserungen durch Reduzierung der Fixkosten erreichen. Wie kommen Sie da voran?

Wir haben ein Fixkostenprogramm aufgelegt, das eine Reduzierung der Basis von 2020 um 5% bis 2023 vorsieht. Wenn man ein normaleres Jahr wie 2019 heranzieht, haben wir uns eine Absenkung der Kosten um 10% vorgenommen. Wir sind bei den Fixkosteneinsparungen im ersten Quartal gut vorangekommen – in den indirekten Bereichen der Werke, aber auch in den nationalen Vertriebsgesellschaften bei Marketing- und Vertriebskosten. Wir haben ferner bei den Sachinvestitionen Fortschritte erzielt: Sie liegen in absoluten Zahlen und bei relativer Betrachtung unter dem Niveau des ersten Quartals 2020.

Wie beurteilen Sie die Fortschritte der Elektrooffensive?

Im ersten Quartal haben wir die Auslieferungen unserer vollelektrischen und Plug-in-Hybrid-Modelle mehr als verdoppelt auf 133000 Fahrzeuge. Bei den reinen Batteriefahrzeugen haben wir uns um 78% auf rund 60000 gesteigert. Damit sind wir sehr zufrieden. Wichtig ist, dass viele neue Fahrzeugprojekte erst noch in den Markt kommen. Wir werden im weiteren Jahresverlauf deutlich Fahrt aufnehmen.

Werden die CO2-Flottenziele 2021 erreicht?

Wir gehen davon aus, die Flottenziele in Europa dieses Jahr trotz Halbleiter-Knappheit zu erreichen.

Behindert der Halbleiter-Mangel Ihre Pläne für die Expansion in der E-Mobilität?

Die Produktion der batterieelektrischen Fahrzeuge ist von der Halbleiter-Knappheit bislang kaum betroffen.

Für die Finanzierung des Um­bruchs spielt das Geschäft mit Verbrenner-Fahrzeugen weiterhin eine wichtige Rolle. Wie läuft das Geschäft?

Die Transformation zur Elektromobilität wird sich über zwei Fahrzeugzyklen erstrecken. In diesem Jahr soll der Anteil der E-Fahrzeuge an den gesamten Auslieferungen 6% erreichen, bis 2025 und bis 2030 sollen die Anteile bei 20 bzw. 50% liegen. Aktuell planen wir bereits rund die Hälfte unserer Zukunftsinvestitionen bis 2025 für die E-Mobilität ein. Dieser Anteil wird von Jahr zu Jahr mit jeder weiteren Planungsrunde steigen. Zur Finanzierung werden die Verbrenner-Fahrzeuge in den nächsten Jahren weiter einen wichtigen Beitrag leisten. Mit dem laufenden Geschäft sind wir sehr zufrieden.

Wie beurteilen Sie die Cash-flow-Entwicklung?

Was die Cash-flows im Automobilbereich angeht, war das erste Quartal ein sehr starkes. Eine Prognose für die einzelnen Quartale ist aufgrund der Halbleiter-Problematik schwierig. Für das Gesamtjahr 2021 gehen wir aber von einem stark steigenden Netto-Cash-flow gegenüber dem Vorjahresniveau aus.

Können Sie konkreter werden?

Bitte haben Sie Verständnis, dass wir da aktuell nicht weiter ins Detail gehen.

Für den Umstieg auf die Zukunftstechnologien setzen Sie vor allem auf die internen Cash-flows. Welche Bedeutung haben andere Finanzoptionen, etwa ein Börsengang von Porsche?

Wir wollen die Transformation aus eigener Kraft finanzieren. Die Cash-flows spielen dabei eine wesentliche Rolle, auch die Cash-flows von Porsche.

Sie könnten klarstellen: Ein IPO von Porsche ist kein Thema.

Wie gesagt: Die Cash-flows von Porsche spielen für die Transformation des Volkswagen-Konzerns eine wichtige Rolle. Deswegen setzen wir auch darauf.

Wie kommen Sie beim Aufbau der Software-Kompetenz voran?

Das Thema Digitalisierung hat für unsere Strategie eine sehr hohe Bedeutung. Wir haben dafür unsere neue Tochter Cariad gegründet. Sie bündelt die Software-Kompetenz im Konzern. Cariad mit aktuell etwa 4000 Mitarbeitern ist in der Lage, weltweit Talente anzuziehen. Wir kommen mit dem Aufbau gut voran.

Das Interview führte