Im GesprächTaylor Brown und Alexander Zschaler

Fivetran will sich gegen „Daten-Hyperscaler“ behaupten

Anbieter großer Datenspeicher-Lösungen weiten ihre Produktportfolios aus und treten in Konkurrenz zu Anbietern wie der Transferplattform Fivetran. Doch deren COO Taylor Brown zeigt sich selbstbewusst.

Fivetran will sich gegen „Daten-Hyperscaler“ behaupten

Im Gespräch: Taylor Brown und Alexander Zschaler

Fivetran will sich gegen Datenriesen behaupten

Datentransfer-Dienstleister verzeichnet anziehende Nachfrage durch KI-Boom – Expansionspläne auch in Deutschland und Europa

Von Alex Wehnert, New York

Der Datentransfer-Dienstleister Fivetran wächst auch durch Übernahmen schnell und will sich gegen die Größen der Branche behaupten. „Der Sektor hat sich bereits deutlich konsolidiert – wo es vorher 15 Tools zur Datenspeicherung und -Analyse gab, sind es heute vielleicht noch fünf“, sagt Taylor Brown, Chief Operating Officer und Mitgründer des in Oakland ansässigen Unternehmens, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Die Betreiber von „Data Warehouses“ – also zentralen Speichersystemen für strukturierte Daten aus verschiedenen Quellen – wie Snowflake und Databricks strebten danach, die „Hyperscaler des Datengeschäfts“ zu werden. Mit Produkten wie Microsoft Azure und Amazon Redshift mischen auch die Tech-Riesen im Segment mit. Rund um ihre Kernangebote installierten die führenden Anbieter eine Reihe an „Satellitenprodukten“, die mit jenen kleinerer Anbieter wie Fivetran konkurrierten, führt Brown aus.

Unternehmen suchen mehr Flexibilität

„In der Theorie mag es für Unternehmenskunden zwar unkomplizierter sein, alle Lösungen zum Datenmanagement und der Verarbeitung auf einer Plattform zu haben“, sagt der COO, der gemeinsam mit CEO George Fraser rund ein Zehntel der Anteile an Fivetran hält – der Rest befindet sich laut Pitchbook in den Händen von Investmentgesellschaften wie D1 Capital Partners und Iconiq. „Doch wer derart viele Produkte lanciert, weist zwangsläufig verschiedene Niveaus an Verlässlichkeit und Vollständigkeit auf – wir konzentrieren uns dagegen viel stärker auf eine Linie und sind damit gut für einen verschärften Wettbewerb gerüstet.“ Zahlreiche Unternehmen zögen es zudem vor, nicht alle ihre Daten in einen Korb zu legen und sich durch die Buchung von Dienstleistern wie Fivetran, deren Lösungen komplementär zu den „Warehouses“ und Datenbanken wie SAP und Oracle seien, Flexibilität zu wahren.

Die Plattform von Fivetran soll es Unternehmen ermöglichen, Daten automatisiert und sicher aus verschiedenen Quellen zu extrahieren und in eine zentrale Datenbank einzuspeisen, von wo aus sie diese in Business-Intelligence-Anwendungen weiterleiten können – ob in deskriptive Analysetools oder fortschrittlichere Lösungen auf Basis künstlicher Intelligenz.

Der Luxuskonzern LVMH nutzt den US-Dienstleister beispielsweise, um fragmentierte Daten seiner 75 verschiedenen Marken, die unterschiedliche Buchhaltungs- und Lieferkettensysteme nutzen, zu vereinheitlichen und zu übertragen. Dies habe es ermöglicht, Ressourcen einzusparen, Informatiker für produktivere Aufgaben einzusetzen und die operativen Kosten zu drücken, wie die Franzosen betonen. Zudem habe LVMH so ein umfassenderes Bild vom Kundenverhalten bei ihren Marken erhalten und somit Marketing-Kampagnen gezielter zuschneiden sowie Lieferketten optimieren können.

Wachstum durch Übernahme

Anfang Mai hat der kalifornische Softwareanbieter, der 2024 jährliche wiederkehrende Erlöse von über 300 Mill. Dollar vermeldete, die Akquisition des Datendienstes Census verkündet. Finanzielle Details zum Deal legen die Unternehmen nicht offen, doch soll dieser das Portfolio vervollständigen: Während Fivetran sich auf ETL-Computing-Prozesse (Extract, Transform, Load) spezialisiert hat, gilt das übernommene Unternehmen als Vorreiter bei Reverse ETL. Kunden sollen Census also nutzen können, um Material aus ihren Datenbanken in Geschäftsanwendungen übertragen zu können.

Für die Skalierung von Unternehmensanwendungen auf Basis künstlicher Intelligenz gilt hochleistungsfähiges ETL-Computing als entscheidend. Das ruft auch die größeren Anbieter im Datengeschäft auf den Plan: Ali Ghodsi, CEO von Databricks, stellte auf einem von seinem Unternehmen ausgerichteten Daten- und KI-Gipfel Mitte Juni das Produkt Lakeflow Designer vor, mit dem Analysten ohne tiefergehende Technologiekenntnisse unterstützt durch einen KI-Assistenten unternehmensspezifische ETL-Pipelines zusammenbauen können sollen.

Ungenutzte Potenziale in Europa

Daniel Holz, als Vice President von Databricks für Deutschland und Zentraleuropa verantwortlich, betonte gegenüber der Börsen-Zeitung zuletzt allerdings, dass sein Unternehmen nicht im Stile eines Tech-Riesen agieren wolle, der kleinere Entwickler mit seiner Marktmacht und eigenen Produkten erdrücke. Im Gegenteil lasse Databricks „Startups sehr viel Raum, komplementäre Anwendungen auf Basis unserer Plattform zu entwickeln“. Dies sei auch nötig, um das Geschäft mit professionellen Anwendungen stärker skalieren zu können, als es rein organisch möglich sei.

Fivetran will den Schwung durch den KI-Boom ebenfalls nutzen, um international zu expandieren. „In Deutschland können wir sicherlich noch nicht die Wachstumsraten vorweisen, wie sie in den USA oder Asien-Pazifik möglich sind“, räumt Alexander Zschaler, als Regional Vice President für den deutschen Sprachraum zuständig, ein. „Doch sehen wir durchaus ein starkes Momentum.“ Für deutsche Unternehmen stünden Produktivitätssteigerungen ganz oben auf der Agenda. „Wir geben Firmen und Organisationen durch unsere automatisierte Plattform Zeit und Ressourcen zurück, die sie effektiver einsetzen können“, sagt Zschaler. Je größer das Unternehmen, desto höher sei der Bedarf an effizienteren Datenmanagement-Lösungen – dennoch wolle Fivetran auch den Mittelstand erschließen.

Börsengang als langfristiges Ziel

Brown sieht durch Brüsseler Bemühungen um eine Stärkung des Datenschutzes eine verbesserte Wettbewerbsbasis seines Unternehmens in der Europäischen Union. „Unsere Kunden können dadurch Daten extrahieren, die zuvor in prohibitiven SAP-Datenbanken schlummerten, und machen davon auch Gebrauch“, sagt der COO. Die handelspolitischen Spannungen zwischen den USA und der EU trübten das Geschäftsumfeld dabei ein, da die Ausgabebereitschaft der Unternehmen für Forschung und Entwicklung vorerst abnehme. „Grundsätzlich glaube ich aber, dass die Aussicht auf Wertschöpfung durch KI die Verunsicherung durch geopolitische Risiken aussticht“, betont Brown.

Fivetran sieht angesichts des rapiden technologischen Fortschritts für sich ebenfalls hohen Investitionsbedarf, um ihre Lösungen weiterzuentwickeln und international zu expandieren. Auf lange Sicht strebe das Unternehmen durchaus an die Börse, um mehr Zugänge zu Kapital zu erschließen und den Bekanntheitsgrad der marke zu stärken. Noch warte Fivetran aber auf ein stabileres Marktumfeld. „Aktuell ist es für uns zudem wichtig, schnelle Entscheidung unabhängig von der Stimmung und restriktiveren regulatorischen Auflagen im öffentlichen Markt treffen zu können“, führt Brown aus.

Anbieter großer Datenspeicher-Lösungen weiten ihre Produktportfolios aus und machen Druck auf spezialisierte Anbieter wie die Transferplattform Fivetran. Deren COO Taylor Brown zeigt sich allerdings selbstbewusst – und denkt angesichts des Wachstums seines Unternehmens laut über einen möglichen Börsengang nach.

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