Ostsee-Pipeline

Gasengpass rückt Nord Stream 2 ins Rampenlicht

Die Gaspreisexplosion in ganz Westeuropa rückt die zweite Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland ins Rampenlicht. Das 10 Mrd. Euro teure Gasrohr, das dem russischen Staatskonzern Gazprom gehört und von fünf westlichen...

Gasengpass rückt Nord Stream 2 ins Rampenlicht

cru Frankfurt

Die Gaspreisexplosion in ganz Westeuropa rückt die zweite Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland ins Rampenlicht. Das 10 Mrd. Euro teure Gasrohr, das dem russischen Staatskonzern Gazprom gehört und von fünf westlichen Konzernen, darunter Wintershall und Uniper aus Deutschland, mit je 1 Mrd. Euro finanziert wurde, ist fertig gebaut, hat aber noch keine Betriebsgenehmigung erhalten. Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock kritisiert Russland nun scharf wegen stark steigender Gaspreise und fordert die Bundesregierung zu einer härteren Gangart gegenüber Russland auf.

Die schlimmste Energiekrise in Europa seit Jahrzehnten könnte sich indes bis in die kalten Monate hineinziehen, da Russland seine Gaslieferungen bis mindestens November nicht erhöhen wird. Gazprom produziert für diese Jahreszeit zwar so viel Gas wie seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr, aber die zusätzliche Produktion bleibt im Inland. Russland muss seine nach einem langen, kalten Winter stark geleerten Speicher wieder auffüllen und hat eine Aufstockungskampagne eingeleitet, die bis Oktober andauern soll.

Einem Vorabbericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland zufolge sagte Kanzlerkandidatin Baerbock dazu: „Russland ist sehr zurückhaltend bei der Lieferung von Erdgas nach Europa. Ein Grund dafür ist naheliegend: Das Putin-Regime will politischen Druck aufbauen, um die ausstehenden Genehmigungen für Nord Stream 2 schneller zu bekommen und so die Leitung in Betrieb zu nehmen.“ Die Bundesregierung habe die Pipeline vorangetrieben, allen Bedenken und Warnungen zum Trotz. „Das rächt sich, denn Deutschland ist nun in der Erpressungssituation, vor der ausgiebig gewarnt wurde.“ Der rasche Ausbau der erneuerbaren Energien sowie der Aufbau einer nationalen Gasreserve müssten Priorität für die neue Bundesregierung werden. Während die Kanzlerkandidaten Scholz und Laschet sich hinter Nord Stream 2 gestellt haben, lehnen die Grünen sie ab. Die FDP fordert ein Moratorium.

Neues US-Gesetz

Unterdessen hat das US-Repräsentantenhaus diese Woche einen Änderungsantrag zum Verteidigungsgesetz angenommen, der neue obligatorische Sanktionen gegen Einrichtungen und Personen vorsieht, die für Planung, Bau und Betrieb von Nord Stream 2 verantwortlich sind. Der von den Abgeordneten Michael McCaul aus Texas, dem führenden Republikaner im Auswärtigen Ausschuss, und der Demokratin Marcy Kaptur aus Ohio, Chefin des Unterausschusses für Energie, verfasste Änderungsantrag zeichnet sich dadurch aus, dass er die Ausnahmeregelung für Sanktionen im nationalen Interesse, die nach geltendem Recht für das Pipelineprojekt erforderlich ist, aufheben würde.

Die Regierung Biden hatte Anfang 2021 auf Sanktionen verzichtet, um die Fertigstellung der Pipeline zu ermöglichen. Im Gegenzug hatte Deutschland zugesichert, dass Berlin die Ukraine vor einem russischen Energieausfall schützen würde. Nord Stream 2 wartet derzeit auf die behördliche Genehmigung, ein Prozess, der nach Angaben der deutschen Energieregulierungsbehörde vom 13. September vier Monate dauern könnte. Ein weiterer Änderungsantrag des Demokraten Tom Mali­nowski aus New Jersey, der wahrscheinlich angenommen wird, sieht vor, dass der Präsident den zuständigen Kongressausschüssen eine Liste mit 35 Beamten und Geschäftsleuten für die Sanktionen vorlegt.

EU geht gegen Gazprom vor

Die Aussichten im US-Senat sind unklar. Das Repräsentantenhaus und der Senat müssen ein endgültiges Gesetz zur Verteidigungspolitik aushandeln, das dem Präsidenten zur Unterschrift vorgelegt wird. Der Senat hat sich noch nicht mit seiner Version des Gesetzes befasst.

Der beispiellose Anstieg der Erdgas- und Strompreise steigt derweil auf der EU-Agenda nach oben. Polen forderte die Kommission auf, die mutmaßliche Marktmanipulation durch Gazprom genauer unter die Lupe zu nehmen. Polen möchte außerdem, dass die EU ihre Verordnung zur Überprüfung ausländischer Investitionen anwendet, um zu prüfen, ob Nord Stream 2 mit den Regeln der EU übereinstimmt.

Steigende Erdgaspreise in Europa haben ernsthafte Bedenken über die Versorgungssicherheit in der Region geweckt und sollten die USA zur Reaktion veranlassen, so US-Energieministerin Jennifer Granholm. In einer Rede, die am Mittwoch von Polen aus gehalten wurde, sagte sie, dass die USA und die Europäische Union darauf vorbereitet sein müssten, „aufzustehen“, wenn es energieproduzierende Länder gebe, die „die Versorgung zu ihrem eigenen Vorteil manipulieren“.

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