IM GESPRÄCH: JOACHIM GIRG

H&R will Präsenz im Ausland ausbauen

AR-Chef: Spezialchemiekonzern prüft Partnerschaften

H&R will Präsenz im Ausland ausbauen

m. Hamburg – Immer wenn die Rohstoffkosten schneller steigen als die Produktkosten, hat die in der rohölbasierten Spezialitätenchemie tätige H & R (früher: H & R Wasag) ein Problem. Im dritten Quartal konnte die operative Marge (Ebit) zwar auf 4,6 (3,3) % verbessert werden. Aber die beiden schwachen Vorquartale ließen in der Neunmonatssicht die Marge auf 3,0 (6,2) % sinken.Es komme jetzt darauf an, “die Stellgrößen im Ergebnis zu beeinflussen”, erklärte der seit Ende Mai amtierende neue Aufsichtsratsvorsitzende Joachim Girg im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Deshalb wurde das Effizienzprojekt “KAT10+” aufgelegt, mit dem jährlich die Ergebnisbasis um mindesten 10 Mill. Euro gesteigert werden soll. KAT steht für Katalysator. Girg ist Geschäftsführer der mehrheitlich beteiligten H & R Beteiligung GmbH der Großaktionärsfamilie Hansen.Für das Gesamtjahr wird unverändert mit einem Umsatz von 1,1 bis 1,3 Mrd. Euro gerechnet. Das schwache Abschneiden im ersten Halbjahr wird jedoch auf das Gesamtjahr durchschlagen. Das operative Vorjahresergebnis (Ebitda) von 89,1 Mill. Euro soll “deutlich” unterschritten werden. H&R fiele damit deutlich unter die Vorjahresergebnisse zurück. Mit den finanzierenden Banken war ein Verzicht auf die Financial Covenants zur Jahresmitte und zum 30. September vereinbart worden. Durch die Beseitigung von Bottlenecks war die Effizienz in den beiden Schmierölraffinerien in den Vorjahren optimiert worden. Mit einem Aufwand von 45 Mill. Euro war zudem in der Raffinerie Hamburg-Neuhof eine Entasphaltierungsanlage installiert worden, mit der die Rückstände zu Bitumen verarbeitet werden können. Damit wurde diese Raffinerie durch die Weiterverarbeitung der Reststoffe deutlich “grüner”.Produktseitig geht es jetzt darum, den Umsatzanteil des chemisch-pharmazeutischen Geschäftsbereiches außerhalb Europas auszuweiten. Dort sind die Margen besser. Von derzeit 18 % soll er mittelfristig auf 30 % ausgeweitet werden. Ein erster Schritt dafür war die Eröffnung einer Vertriebsrepräsentanz in Singapur. Danach folgt Indien. Für die weitere Präsenzabrundung “in ein, zwei weiteren Regionen” wird nach Girg aktuell das Eingehen von Partnerschaften geprüft. Beim Erschließen neuer Auslandsmärkte gehe man “opportunistisch nach Guerillataktik” vor. Die gesamte Industrie sei immer noch ein “People’s Business”.H & R stellt rund 600 chemische Spezialitäten her. Dabei habe man “nie nur auf Commodities”, sondern auf Produkte mit höherer Wertschöpfung gesetzt. Die Produktpalette reiche von medizinischen und technischen Weißölen über Paraffine und Schmierstoffe bis zu Weichmachern oder Grundölen für Farben und Lacke.Die Herstellung von nicht kennzeichnungspflichtigen Weichmachern für die Reifenindustrie war früher eine ertragsstarke Nische. Hier war man, so Girg, einst die Nummer 1. Die Wettbewerbssituation habe sich inzwischen aber geändert. Produkte von H & R gehen in eine Vielzahl von Branchen, die von der Kosmetik- über die Gummiindustrie über die Papier- und Plastikindustrie bis hin zur Herstellung von Klebstoffen, Baumaterialien, Bodenbelägen und Kerzen reichen. Bei Kunststoffen soll die Spezialisierung auf die Produktion hochpräziser Teile vorangetrieben werden. Hier will man sich stärker in Richtung Medizin- sowie Elektrotechnik orientieren.