Halbleiterhersteller

Kür des neuen Infineon-Chefs rückt näher

Die Amtszeit von Reinhard Ploss als Vorstandsvorsitzender des Halbleiterherstellers Infineon dürfte Ende 2022 zu Ende gehen. Der Aufsichtsrat sucht bereits nach Kandidaten für die Nachfolge. Zwei Vorstände haben dabei gute Karten.

Kür des neuen Infineon-Chefs rückt näher

Von Stefan Kroneck, München

Man könnte den Eindruck gewinnen, dass Infineon-Chefaufseher Wolfgang Eder (69) abermals den Vertrag des Vorstandsvorsitzenden verlängern würde, sollte dieser dafür erneut zur Verfügung stehen. Doch für den früheren CEO des österreichischen Stahl- und Technologiekonzerns Voestalpine dürfte seit Langem klar sein, dass die Amtszeit von Reinhard Ploss mit Ablauf seines Vertrags zum 31. Dezember 2022 endgültig beendet ist. Dann wäre der promovierte Verfahrenstechnik-Ingenieur 67 Jahre alt. Das ist ein Alter, in dem andere Vorstandsvorsitzende längst im Ruhestand weilen.

Mit Ploss an der Spitze des größten deutschen Halbleiterherstellers endete eine über zehnjährige Ära. Der aus Bamberg (Oberfranken) stammende Topmanager steuerte das Dax-Unternehmen nach einer Neuausrichtung mit Zukäufen in den USA in eine größere Dimension. Als der Aufsichtsrat im August 2019 seinen Vertrag vorzeitig um zwei Jahre verlängerte, machte das Ploss aus einer Mischung von Ehrgeiz und Pflichtgefühl. Ihm lag vor allem daran, die Integration des US-Zukaufs Cypress unter Dach und Fach zu bringen. Unter seiner Regie bewerkstelligte Infineon die mit 9 Mrd. Euro größte Übernahme in der Firmengeschichte. Ploss ist daran gelegen, ein geordnetes Haus zu hinterlassen, wenn er das Zepter einem Nachfolger übergibt. Trotz des weltweiten Chipmangels hat Infineon das zurückliegende Geschäftsjahr 2021 (30. September) mit Rekordzahlen abgeschlossen. Deutlich gestiegene Chippreise sorgten für eine höhere Marge. Mit angekündigten 0,27 (i.V. 0,22) Euro je Aktie soll die Dividende für 2021 wieder das Niveau vor Ausbruch der Corona-Pandemie erreichen. 2022 will der auf Leistungshalbleiter ausgerichtete Konzern neue Bestmarken erzielen. 2025 soll die Umsatzschwelle von 16 Mrd. Euro überschritten werden. Ploss setzt unter anderem auf die Trends Elektromobilität, autonomes Fahren und automatisierte Fertigungsprozesse in einer digitalisierten Welt. Fürs neue Geschäftsjahr erweitert der Vorstand das Investitionsbudget.

Ein neuer CEO träte nicht nur in große Fußstapfen, sondern müsste im Kern die Strategie von Ploss verfeinert fortsetzen. Eder, der seit 2019 dem 16-köpfigen Kontrollgremium vorsitzt, hatte ausreichend Zeit, sich auf den Tag X vorzubereiten. Wie üblich, hielt der Aufsichtsratschef nach möglichen internen und externen Kandidaten Ausschau, die Ploss beerben könnten. Der Tag der Kür eines neuen Vorstandsvorsitzenden rückt näher. In der Regel werden solche Toppersonalien ungefähr ein Jahr vorher entschieden. Damit wäre ein geordneter Übergang gewährleistet. Ein designierter Nachfolger hätte ausreichend Zeit, sich auf die neue Aufgabe vorzubereiten.

Heiße Phase beginnt

Im Fall von Infineon könnten also die kommenden Wochen die heiße Phase darstellen, in der die Wahl des Aufsichtsrats auf einen Kandidaten fällt. Am 10. November veröffentlicht Infineon ihre Bilanz. Davor tritt der Aufsichtsrat zusammen.

Ob ein Manager von außen das Rennen machen könnte, ist offen. Gegen einen solchen Wechsel sprächen mögliche Wettbewerbsklauseln in den Dienstverträgen, falls ein Externer von der Konkurrenz als Favorit gehandelt werden sollte.

Bei der Suche dürfte auch Ploss selbst eingeweiht sein. Einiges spricht dafür, dass er Manager aus dem eigenen Unternehmen bevorzugt. Zuvor hatte der langjährige CEO Andeutungen in diese Richtung gemacht. Neben Ploss gehören dem Vorstand seit 2016 Helmut Gassel (Vertrieb, Marketing) und Jochen Hanebeck (Chief Operating Officer) an. Seit 2019 verantwortet der frühere Linde-CFO Sven Schneider (Jahrgang 1966) den Finanzbereich. Seit April dieses Jahres ist die ehemalige Lufthansa-Managerin Constanze Hufenbecher (Jahrgang 1970) im obersten Führungsorgan für die Digitalisierung zuständig. Nimmt man die Betriebszugehörigkeit als Kriterium, hätten Gassel (Jahrgang 1964) und Hanebeck (Jahrgang 1968) gute Chancen, als CEO aufzurücken. Die beiden gebürtigen Dortmunder sind Konzern-Eigengewächse. Der promovierte Elektrotechniker und Physiker Gassel arbeitet für die frühere Siemens-Tochter seit 1995. Der Diplom-Elektrotechniker Hanebeck ist fürs Unternehmen seit 1994 tätig. Ploss kennt beide seit Jahrzehnten. Schließlich ist er ebenfalls ein Konzern-Eigengewächs. Für das Unternehmen ist er seit 35 Jahren tätig.

Bis zu ihrem Aufstieg in der Vorstand waren sie bereits in leitenden Funktionen. Gassel war zuvor Chef des Bereichs Industrial Power Control, Hanebeck führte die Sparte Automotive. Im August 2018 verlängert der Aufsichtsrat ihre Verträge um fünf Jahre bis Juni 2024. Beide verantworten Schlüsselfunktionen. Hanebeck kümmert sich um die Produktion. Er dirigiert den Ausbau der Kapazitäten mitten in der Chipknappheit. Mit der Werkserweiterung am Standort Villach empfahl er sich für noch höhere Aufgaben. Fiele die Wahl auf ihn, würde Infineon damit eine „Tradition“ fortsetzen. Schließlich war Ploss vor seiner Ernennung zum CEO im Vorstand auch für die Fertigung zuständig.