Landgericht verhängt Haftstrafen gegen frühere VW-Führungskräfte
Haftstrafen im VW-Dieselskandal
Landgericht Braunschweig spricht vier frühere Führungskräfte wegen Betrugs schuldig
ste Hamburg
Kommentar Seite 2
Im Strafverfahren am Landgericht Braunschweig zu den im September 2015 aufgeflogenen Dieselabgasmanipulationen von Volkswagen sind vier ehemalige Führungskräfte des Wolfsburger Autobauers am Montag wegen Betrugs schuldig gesprochen worden. Die Wirtschaftsstrafkammer des Gerichts verurteilte zwei Angeklagte zu mehrjährigen Haftstrafen, zwei weitere kamen mit Bewährungsstrafen davon.
Die höchste Strafe erhielt laut dpa-afx ein früherer Leiter der Dieselmotorenentwicklung, der für viereinhalb Jahre ins Gefängnis muss. Zu zwei Jahren und sieben Monaten Haft verurteilte das Gericht einen ehemaligen Leiter der Antriebselektronik. Ein Ex-Entwicklungsvorstand der Marke Volkswagen erhielt als ranghöchster Angeklagter eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Ein ehemaliger Abteilungsleiter wurde zu einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung verurteilt.
Kosten von 33 Mrd. Euro
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hatte Haftstrafen von zwei bis vier Jahren und in einem Fall Bewährung beantragt, während die Verteidigung für drei Freisprüche und eine Verwarnung plädierte. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die ehemaligen Mitarbeiter betrachten sich in der juristischen Aufarbeitung der Manipulationen, die vor knapp zehn Jahren durch die US-Umweltschutzbehörde EPA aufgedeckt worden waren und dem VW-Konzern bislang Kosten von mehr als 33 Mrd. Euro eingebracht haben, als „Bauernopfer". Die Verteidigung kündigte am Montag Revision an.
Das Landgericht Braunschweig machte bei der Urteilsverkündung deutlich, dass es die Verantwortung für den Dieselskandal nicht allein bei den vier verurteilten früheren VW-Führungskräften sieht. Der Vorsitzende Richter der Strafkammer, Christian Schütz, äußerte sich zudem unzufrieden über vorsätzlich unzutreffende oder ungenaue Aussagen einiger Zeugen im Verlauf des fast vierjährigen Prozesses.
Winterkorn-Verfahren ausgesetzt
Laut dem Gericht sind derzeit weitere Strafverfahren im Zusammenhang mit dem Dieselskandal gegen insgesamt 31 Angeklagte offen. Unklar ist zudem, ob und wann der Anfang September 2024 eröffnete und wenig später aus gesundheitlichen Gründen ausgesetzte Prozess gegen den bis September 2015 amtierenden VW-Konzernchef Martin Winterkorn am Landgericht fortgesetzt werden kann. Der inzwischen 78-Jährige hat die juristischen Vorwürfe gegen ihn zurückgewiesen.
Mit dem bis 2018 amtierenden Audi-Chef Rupert Stadler hatte das Landgericht München II im Juni 2023 erstmals einen Spitzenmanager aus dem VW-Konzern nach einem Strafprozess im Zuge des Dieselskandals wegen Betrugs verurteilt. Stadler erhielt eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde, sowie eine Geldbuße. Zwei weitere Mitangeklagte kamen ebenfalls mit Bewährungsstrafen und Geldauflagen davon.
VW: Keine nennenswerten Folgen
Nach dem Urteil am Landgericht Braunschweig gegen die vier früheren VW-Führungskräfte erklärte Volkswagen auf Anfrage, nicht an dem Strafverfahren in Braunschweig beteiligt zu sein. Aus Sicht des Autobauers ergeben sich aus dem beim Landgericht Braunschweig geführten Strafverfahren gegen Einzelpersonen „keine nennenswerten Folgen für Rechtsstreitigkeiten vor Zivilgerichten zur sogenannten Dieselthematik, an denen die Volkswagen AG beteiligt ist“.