„Restrukturierungen dauern in Deutschland zu lange“
Im Gespräch: Lars Faeste
„Restrukturierungen dauern in Deutschland zu lange“
Der Europachef von FTI Consulting über Sanierungsdruck, Private Equity im Beratungmarkt und „Walking Assets“
sar Frankfurt
Von Sabine Reifenberger, Frankfurt
Die Zahl der Restrukturierungen steigt, doch in Deutschland ziehen sie sich oft zu lange hin, findet Lars Faeste, Chairman EMEA bei FTI Consulting. Wo er besonders hohen Restrukturierungsdruck sieht und wie er auf die Private-Equity-Investments in der Consulting-Branche blickt, erklärt er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.
Marktverwerfungen, Cyber-Attacken, Branchenkrisen – was für Unternehmenschefs Ausnahmesituationen sind, ist für Berater ihr tägliches Geschäft. „Wir kommen ins Spiel, wenn Unruhe herrscht“, sagt Lars Faeste, Chairman EMEA von FTI Consulting. Der gebürtige Däne, der in London arbeitet, ist seit 2022 Europachef des Consulting-Hauses. Zuvor war er mehr als 20 Jahre für den Wettbewerber BCG tätig.
In Deutschland gehören Restrukturierungen zum Schwerpunkt, 2019 kaufte FTI Consulting die auf Sondersituationen spezialisierte Beratung Andersch. Sie beschäftigt als FTI-Andersch heute nach eigenen Angaben in Deutschland mehr als 130 Berater. Das Team von FTI Consulting in der gesamten DACH-Region zählt rund 400 Beschäftigte. FTI-Andersch begleitet beispielsweise Thyssenkrupp bei der Restrukturierung, zu den öffentlich bekannten Fällen zählen außerdem der Anlagenbauer Koenig & Bauer, der Geldautomatenhersteller Diebold Nixdorf und die Immobiliengesellschaft Signa.
Geschwindigkeitsnachteile bei Restrukturierungen
Faeste rechnet besonders im Chemie-Sektor, aber auch bei Automobilzulieferern und in der Immobilienbranche mit anhaltend hohem Restrukturierungsdruck. Dabei hat er einen grundsätzliche Kritikpunkt: „Restrukturierungen dauern in Deutschland zu lange“, sagt Faeste. Es gebe Fälle, in denen Unternehmen ein Drittel der Kosten senken müssten, und das zügig. Doch insbesondere Verhandlungen zu Stellenstreichungen kosteten hierzulande viel Zeit. „In Deutschland muss man mit zwölf bis 14 Monaten kalkulieren, in den USA oder auch in Dänemark wäre man nach vier Monaten am Ziel.“
KI soll Produktivität steigern
Am globalen Konzernumsatz gemessen ist Deutschland für FTI Consulting noch „ein vergleichsweise kleiner Markt“, sagt Faeste. „Es zählt aber zu den Ländern, in denen wir in der Region EMEA die größten Wachstumschancen sehen.“ Angaben zu Erlösen auf Länderebene macht FTI Consulting nicht. 2024 entfielen zwei Drittel der Gesamtumsätze von knapp 3,7 Mrd. Dollar auf Nordamerika. Die Region EMEA steuerte 27% bei, umgerechnet also knapp 1 Mrd. Dollar. Der größte Markt in der Region ist UK, wo das Beratungshaus im vergangenen Jahr 485 Mill. Dollar umsetzte.

Für das Gesamtjahr plant FTI Consulting öffentlichen Angaben zufolge mit Umsätzen von 3,66 bis 3,76 Mrd. Dollar, in etwa auf Vorjahresniveau (3,7 Mrd. Dollar). In Deutschland soll die Entwicklung deutlich dynamischer ausfallen, verspricht Faeste. Dabei setzt das in den USA börsennotierte Consulting-Haus auf organisches Wachstum und gezielte Einstellungen erfahrener Berater. Auch künstlicher Intelligenz traut Faeste großes Potenzial zu. „Ich gehe davon aus, dass wir durch KI-Anwendungen jährliche Produktivitätsgewinne von etwa 5% erzielen können“, sagt er. Er kann sich gut vorstellen, dass im Consulting einige Aufgaben künftig von hybriden Teams bestehend aus Beratern und KI-Agenten erledigt werden.
Private Equity entdeckt das Consulting
Wettbewerber setzen zurzeit stärker auf anorganisches Wachstum und gehen, teils mit Unterstützung von Finanzinvestoren, auf Einkaufstour. Hinter FGS Global steht das Private-Equity-Haus KKR, Teneo wird von CVC unterstützt, bei SEC Newgate ist Investcorp an Bord. „Es ist viel Private-Equity-Geld im Consulting-Sektor unterwegs“, sagt Faeste. Angst mache ihm die PE-finanzierte Konkurrenz aber nicht. „Viele stehen unter Zeitdruck und wollen schnell ihr Portfolio erweitern. Das führt nicht zwangsläufig zu den besten Kombinationen“, glaubt er. Allerdings führe der harte Wettbewerb um gute Berater zu steigenden Gehaltserwartungen.
Namensrechte gesichert
Die Fluktuationsrate ist in der Consulting-Branche vergleichsweise hoch, die Berater gelten als „Walking Assets“ der jeweiligen Häuser. FTI Consulting liege unter 15%, „damit sind wir zufrieden“, sagt Faeste. Beim letzten großen Zukauf FTI-Andersch seien alle heutigen Vorstandsmitglieder auch zum Zeitpunkt der Übernahme schon an Bord gewesen, Vorstandssprecher Christian Säuberlich führt die FTI-Organisation in Deutschland.
Wir sind jetzt die einzige FTI in der Welt.
Lars Faeste, FTI Consulting
Etwas irreführend ist allerdings der Name. Tammo Andersch gründete 2023 außerhalb der FTI-Struktur wieder eine eigene Gesellschaft. „Es ist üblich, den bestehenden Namen einer übernommenen Einheit noch eine Zeitlang mitzuführen. Aber eben auch nicht für immer“, sagt Faeste dazu. Vor einigen Monaten hat das Beratungshaus sich in Deutschland auch die Namensrechte an dem insolventen Reiseunternehmen FTI gesichert. „Wir sind jetzt die einzige FTI in der Welt.“