Halbleiterhersteller

Lieferengpässe dämpfen Infineon

Infineon spürt zunehmend die Lieferengpässe im eigenen Geschäft. Deutschlands größer Chipkonzern hat zwar nach soliden Quartalszahlen seinen Ausblick fürs laufende Geschäftsjahr 2021 zum zweiten Mal in Folge erhöht, allerdings eingeräumt, dass die Knappheit die Umsatz- und Ergebnisdynamik im laufenden Berichtsturnus dämpft.

Lieferengpässe dämpfen Infineon

sck München

Nach einem guten Winterquartal hat Infineon ihre Prognose für das laufende Geschäftsjahr 2021 (30. September) zum zweiten Mal in Folge heraufgesetzt. Deutschlands größter Halbleiterhersteller profitiert von einem Boom im Autogeschäft, obwohl Lieferengpässe bei Chips den Aufschwung in diesem Abnehmerkreis bremsen. Zur Vorlage des Zwischenberichts zum 30. März sprach Vorstandschef Reinhard Ploss davon, dass der „Halbleitermarkt boomt“. Er bezeichnete das Dax-Unternehmen als „voll auf Kurs“, um die Jahresziele zu erreichen. „In den meisten Anwendungsfeldern übersteigt der Bedarf das Angebot deutlich. Die Werke von Infineon laufen auf Hochtouren, und wir investieren weiter in zusätzliche Kapazitäten. Engpässe sehen wir in jenen Segmenten, in denen wir Chips von Auftragsfertigern beziehen, insbesondere bei Mikrocontrollern für das Auto (…)“, ließ sich der CEO in einer Pressemitteilung zitieren.

In einer Telefonkonferenz mit Journalisten deutete er an, dass die Gewinn- und Wachstumsdynamik des Unternehmens noch deutlicher wäre, würde es die Engpässe in den Lieferketten nicht geben. Ploss räumte ein, dass ein Margendruck bestehe, da die Preise bei den Auftragsfertigern aufgrund der hohen Nachfrage gestiegen seien. „Die globalen Lieferketten sind strapaziert.“ Die Lagerpuffer bei Infineon gingen zur Neige. „Bis zu einer Entspannung der Versorgungslage im Markt wird es voraussichtlich erst in einigen Quartalen kommen. Das könnte noch bis 2022 andauern“, befürchtet er. „Die Nachfrage übersteigt das Angebot deutlich.“ Finanzvorstand Sven Schneider bezifferte grob, dass ohne diese Engpässe der Konzernumsatz aufs Gesamtjahr gerechnet bei 100 Mill. bis 300 Mill. Euro höher läge.

Infineon lässt einen Teil ihrer Bauelemente bei Auftragsfertigern – sogenannten Foundries insbesondere in Asien – produzieren, den überwiegenden Teil aber in Eigenregie unter anderem an den Standorten Dresden und Villach. Ploss räumte ein, dass es momentan einen Stau bei den Foundries gebe. „Alle drängeln sich.“ Infineon verhandele derzeit mit ihren Auftragsfertigern, um sich zusätzliche Lieferungen zu sichern. Den Angaben von Produktionsvorstand Jochen Hanebeck zufolge profitiert der Konzern derzeit noch davon, mit seinen Foundries in der Regel langfristige Lieferverträge abgeschlossen zu haben.

Rekordjahr im Visier

Für den derzeitigen Zwölf-Monats-Berichtsturnus erhöhten Ploss und seine drei Vorstandskollegen den Ausblick für den Umsatz und für das Segmentergebnis nach eigenen Angaben „leicht“. Die Konzernführung will nunmehr die Erlöse auf 11 (i.V. 8,6) Mrd. Euro steigern. Nach der 2020 abgeschlossenen Übernahme des US-Wettbewerbers Cypress wäre das dennoch ein neuer firmeneigener Rekordwert. „Dabei sollten alle Segmente im Verlauf der zweiten Geschäftsjahreshälfte von einer sich verbessernden Liefersituation bei gleichzeitig fortgesetzter Nachfragedynamik profitieren“, erklärte dazu Infineon.

Das Segmentergebnis ist die operative Erfolgskennzahl des Konzerns mit Sitz in Neubiberg bei München. Für diesen Richtwert peilt das Unternehmen im laufenden Geschäftsjahr die Schwelle von 2 (1,2) Mrd. Euro an. Das wäre ebenfalls ein Rekord in der Geschichte von Infineon, die im März 2000 nach einer Abspaltung von Siemens an die Börse gegangen war. Die neue Zielgröße für das Segmentergebnis basiert auf der erhöhten avisierten Marge von 18%. Im zurückliegenden Geschäftsjahr 2020 schrumpfte diese auf 13,7 (2019: 16,4)%. Zur Vorlage ihres Quartalsberichts Anfang Februar ging Infineon für 2021 noch von einem Segmentergebnis von 1,9 Mrd. Euro aus bei einem Konzernumsatz von 10,8 Mrd. Euro in der Mitte der Prognosebandbreite (vgl. BZ vom 4. Februar).

Für den freien Barmittelzufluss (Free Cash-flow) stellte Infineon jetzt einen Wert „von mehr als 1,2 Mrd. Euro“ in Aussicht. Zuvor ging der Vorstand noch von einem Anstieg auf über 800 (387) Mill. Euro aus. Ploss bekräftigte, für das laufende Geschäftsjahr mit Investitionen von 1,6 (1,1) Mrd. Euro zu kalkulieren. Nach sechs Monaten wuchsen diese Ausgaben auf 615 (502) Mill. Euro. Der CEO führte aus, dass die Investitionen in den folgenden Quartalen weiter zunehmen. „Beim Investitionsbudget kalkulieren wir über den Zyklus hinweg betrachtet, wir richten uns nicht auf den Moment aus“, formulierte er seinen Seitenhieb in Richtung mancher Wettbewerber. Auto- und Maschinenhersteller klagen über anhaltende Engpässe beim Nachschub für Leistungshalbleiter. Infineon baut derzeit ihr österreichisches Stammwerk in Villach (Kärnten) mit modernen Fertigungsbereichen aus.

Aktie büßt 6,5 Prozent ein

Trotz einer wachsenden Ge­schäfts- und Gewinndynamik reagierten die Anleger auf die Nachrichten vergrätzt. Die Aktie von Infineon büßte am Dienstag zeitweise 6,5% auf 31,54 Euro ein. Der Anteilschein war Schlusslicht im deutschen Leitindex. Vermutlich sorgte das Thema Lieferengpässe für Verunsicherung. Credit Suisse bestätigte aber ihre Einschätzung für den Titel auf „Outperform“ bei einem Kursziel von 42,50 Euro. Infineon bringt am Markt 41 Mrd. Euro auf die Waage.

Mit seinen Quartalszahlen übertraf das Unternehmen die Erwartungen des Marktes teils deutlich. Von Januar bis März steigerte der Konzern den Umsatz um 36% auf 2,7 Mrd. Euro. Die Analystengemeinde veranschlagte im Schnitt 2,67 Mrd. Euro (vgl. BZ vom 30. April). Erlöstreiber war vor allem der größte Geschäftsbereich Automotive. Die Sparte steuerte mit einem Plus von 45% auf über 1,2 Mrd. Euro überproportional zum Umsatzzuwachs bei. Nach sechs Monaten verbuchte der Konzern einen Umsatz von 5,3 (3,9) Mrd. Euro. Dazu verhalf unter anderem der Neuerwerb Cypress. Infineon konsolidiert die 9 Mrd. Euro teure Übernahme in ihren Bilanzen seit April vergangenen Jahres. Die frühere Siemens-Einheit profitiert von einem sich belebenden Autoabsatz weltweit.

Das Segmentergebnis legte im zurückliegenden Dreimonatsabschnitt überproportional um 72% auf 470 Mill. Euro zu. Analysten rechneten zuvor im Schnitt mit 444 Mill. Euro (Konsens). Dabei stach erneut das Autogeschäft hervor. Die Sparte erwirtschaftete 197 Mill. Euro. Das entspricht dem Vierfachen des Ergebnisses vor einem Jahr. Entsprechend steigerte der Bereich seine operative Umsatzrendite um 10,4 Prozentpunkte auf 16,2%. Auf Ebene des Konzerns legte die Marge auf 17,4 (13,8)% zu.

Nach sechs Monaten erzielte Infineon einen operativen Gewinn von 960 (571) Mill. Euro, die Marge lag bei 18 (14,6)%. Um die Vorgabe zu erreichen, müsste der Konzern von April bis September ein Segmentergebnis von 1 Mrd. Euro erzielen.

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Infineon
Konzernzahlen nach IFRS
1. Halbjahr*
in Mill. Euro20212020
Umsatz53313903
Segmentergebnis 960571
  in % vom Umsatz18,014,6
F&E-Aufwand674485
Nettoergebnis460387
Freier Cash-flow71922
Bruttoliquidität34444588
Investitionen 615502
Mitarbeiter (Anzahl)4815040813
*) Geschäftsjahr endet am 30.9.Börsen-Zeitung