Media-Saturn betreibt noch zu viele große Läden
– Herr Seidl, ist der Turnaround bei Media-Saturn gelungen?Nachdem wir länger in einer Abwärtsentwicklung gefangen waren, sind wir jetzt auf einem wirklich guten Weg. Im abgelaufenen Geschäftsjahr ist es erstmals seit 2007 gelungen, den Umsatz auf vergleichbarer Fläche in allen vier Quartalen zu steigern. Ich gehe davon aus, dass der Turnaround nachhaltig ist. Insgesamt wuchs der Umsatz um 3,6 % auf 21,7 Mrd. Euro und konnte bei den wichtigsten drei strategischen Treibern – Umsatz auf vergleichbarer Fläche, online-induzierter Umsatz und Umsatz mit Provisionen und Dienstleistungen – zulegen. Letzteres ist gerade mit Blick auf die Profitabilität wichtig.- Die Marge bezogen auf das bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) lag zuletzt bei 2 %. In Zeiten vor der Restrukturierung erwirtschaftete Media-Saturn Umsatzrenditen von 3 % und mehr. Sind diese Zeiten für immer passé?Wir haben noch kein finales Zielniveau definiert. Wir gehen aber weiter von Margensteigerungen aus. Ob und wann wir wieder an die früheren Niveaus herankommen, muss sich zeigen. Wir haben einen Paradigmenwechsel durch das Online-Geschäft hinter uns, von daher würde ich von Neustrukturierung und nicht von Restrukturierung sprechen. Wir waren ja nie in den roten Zahlen.- Ist das niedrigere Margenniveau dem Online-Handel geschuldet?Wenn man über Preissensitivität redet, bezieht man sich meist auf Hardware-Komponenten, also Smartphones, Tablets, Computer. Wir verkaufen aber auch Accessoires, bei denen die Margen höher liegen. Darüber hinaus haben wir vor kurzem unsere Entertainment-Plattform “Juke” mit Angeboten unter anderem für Musik- und Videostreaming gelauncht. Außerdem bieten wir Connectivity und Services. Der Kunde will heute nicht mehr nur Hardware kaufen, sondern Problemlösungen. In diese Richtung gehen wir.- Von welchen Margen reden wir im Service-Geschäft?Ich will hier nicht über einzelne Margen sprechen. Nur so viel: Es leistet einen wichtigen Beitrag für unsere Profitabilität.- Vor einigen Jahren war der Verlust der Kostenführerschaft ein großes Thema, denn das Geschäftsmodell fußte bis dahin auf der Preisführerschaft. Wo stehen Sie heute?Ich würde sagen, dass wir in unserem Segment mit der Weiterentwicklung der Kostenquote gut unterwegs sind. Wir haben eine Zielkostenquote im Unternehmen, an der arbeiten wir.- Verraten Sie die Zielgröße?Nein. Viel wichtiger ist, dass wir die Marken Media Markt und Saturn neu positioniert haben. Bei Media Markt steht das Vergnügen im Vordergrund, bei Saturn die Technikorientierung. Das Thema Preis ist eher eine Hygienekomponente, die wir aber auch bieten. Beim Preis orientieren wir uns klar an allen relevanten Wettbewerbern.- Streben Sie die Kostenführerschaft nicht mehr an?Mit stationärem Geschäft kann man im Gesamtmarkt kein Kostenführer sein. Den Mehraufwand rechtfertigen wir damit, dass wir dem Kunden auch Leistungen bieten, die er im Internet nicht findet. Unser Alleinstellungsmerkmal ist die Verknüpfung von Internet und Stores.- Multichannel ist doch längst kein Alleinstellungsmerkmal mehr.Es kommt nicht nur darauf an, dass man es hat, sondern wie man es umsetzt. Unsere Zulieferer sagen, dass wir derzeit über die beste Lösung in der nahtlosen Verknüpfung von online und offline verfügen. Außerdem holt jeder Zweite, der bei Media Markt oder Saturn online bestellt, das Produkt im Markt ab. Das ist eine unheimlich hohe Abholquote, die zeigt, dass der Kunde genau diese Verknüpfung gesucht hat. Das eröffnet dem stationären Markt Cross-Selling-Potenziale. Der Kunde bestellt beispielsweise ein Telefon und kann im Geschäft zusätzlich einen passenden Vertrag oder eine Garantieverlängerung abschließen.- Stichwort: Re- oder Neustrukturierung. Im vergangenen Jahr haben Sie dafür nochmals einen Aufwand von gut 100 Mill. Euro verbucht. War es das?In der Vergangenheit haben wir aus einem großen Selbstbewusstsein heraus sehr große Stores in einzelnen Ländern aufgebaut. Im Durchschnitt sind die Läden dort 1 000 qm größer als die deutschen Standorte, befinden sich aber beispielsweise in einem Flächenland wie Schweden. Das bereinigen wir jetzt. Vereinzelt kommt es zu Schließungen. Auch das ist kein Tabu mehr. Gerade in Ländern mit einer geringen Bevölkerungsdichte und geringerer Kaufkraft reduzieren wir die Anzahl der großen Standorte. Das ist eine strukturelle Veränderung, für die wir uns drei Jahre Zeit nehmen.- Mit welchem Restrukturierungsaufwand kalkulieren Sie in diesem Jahr?Der Aufwand im vorigen Jahr war etwas höher. Aus heutiger Sicht erwarten wir in diesem Jahr nicht ganz diese Dimension. Aber wir werden tun, was das Unternehmen nachhaltig profitabel macht.- Wenn man sich das Länderportfolio anschaut, schreiben Sie im Auslandsgeschäft in seiner Gesamtheit rote Zahlen. Wie lange bekommen einzelne Landesgesellschaften Zeit für den Turnaround?An dieser Stelle würde ich den Blick gerne zuerst auf den Umsatz lenken. Denn wir sind im Ausland in einigen Märkten sehr erfolgreich. Ich denke, es geht jedem Unternehmen so, dass es einzelne Märkte gibt, die eben nicht von Beginn an Selbstläufer sind. In Deutschland sind wir um 2,3 % auf 10 Mrd. Euro gewachsen, in Westeuropa hatten wir ein Wachstum von 5,8 % auf 8,8 Mrd. Euro und in Osteuropa stieg der Umsatz um 1,7 % auf 2,9 Mrd. Euro. Hier muss man den Rubel-Effekt berücksichtigen, währungsbereinigt wären wir dort um über 12 % gewachsen.- Das ist die Umsatzseite, die Ergebnisseite kann man aber nicht ausblenden.Ergebnisseitig sind wir mit einer Ausnahme in allen 15 Ländern im vergangenen Jahr gewachsen. Tatsächlich sind darunter auch Länder, die nicht profitabel sind. Aber wir sind in den meisten Ländern auf einem guten Weg.- Soweit ich das erkennen kann, sind Portugal, Russland, Schweden und die Türkei die Problemländer. Haben Sie dort im vergangenen Jahr Verluste gemacht?Portugal läuft gut, seit wir die Landesgesellschaft in die spanische Organisation integriert haben. Schweden ist ergebnismäßig auf einem deutlich verbesserten Weg, und die Türkei ist einer unser großen Wachstumsmärkte mit einem hohen flächenbereinigten Wachstum.- Dauerhaft muss eine Landesgesellschaft aber doch Gewinne erwirtschaften.Das ist richtig. Dafür muss ein Unternehmen aber auch erst eine gewisse Relevanz im Markt haben. Wir sind auf einem guten Weg und bereit, in diese Märkte zu investieren.- In Russland ist der Ergebnisswing im Vorjahr geglückt, nicht zuletzt weil Sie enorm von Vorzieheffekten profitierten. Ist der Ergebnisswing nachhaltig?Es ist richtig, dass wir im Weihnachtsgeschäft 2014 nach der Rubel-Freigabe deutlich positive Effekte hatten. Das hat unser Business im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres belastet. Wir gehen aber davon aus, dass wir uns auf dem jetzt erreichten Niveau weiterentwickeln. Im vergangenen Jahr ist der gesamte Markt nach dem Hype fast zusammengebrochen. Wir haben an den Prozessen und Kostenstrukturen gearbeitet. Von daher sehen wir uns gut aufgestellt, müssen aber auch noch einiges tun.- Wirtschaften Sie dort auf einem auskömmlichen Niveau?Wir werden in diesem Jahr in Russland kein positives Ergebnis erzielen. Das liegt aber auch an den geopolitischen Entwicklungen und den schwierigen makroökonomischen Rahmenbedingungen.- Ist das für Sie kein Ansatzpunkt, um die Präsenz in Russland grundsätzlich auf den Prüfstand zu stellen?Wir haben das intensiv überlegt. Das Ergebnis ist, dass wir in jedem Fall in Russland bleiben wollen und auch weiterhin expandieren.- Aus dem letzten im Bundesanzeiger verfügbaren Geschäftsbericht von 2013/14 geht hervor, dass Sie deutliche Wertkorrekturen auf einzelne Landesgesellschaften vornehmen mussten. Sind die Werte abschließend bereinigt?Wir mussten die Firmenwerte in Schweden, der Türkei und Russland bereinigen, sehen uns dort aber auf einer guten Basis angekommen. Am Ende hängt die Bewertung immer von der operativen Entwicklung ab.- Da Sie eine vollkonsolidierte Tochter der Metro sind, müssen Sie keinen Konzernabschluss erstellen. Das beklagt Ihr Minderheitsgesellschafter Erich Kellerhals. Warum machen Sie das nicht?Wir erstellen Konzernabschlüsse, aber auf freiwilliger Basis. Die Gesellschafter konnten sich über die Formulierung zum Passus nahestehende Personen nicht einigen. Wir als Geschäftsführung haben jetzt eine Formulierung gewählt, nachdem uns der Minderheitsgesellschafter, der die Einigung verhinderte, vorgeworfen hat, wir seien nicht in der Lage, einen freiwilligen Konzernabschluss aufzustellen. Die betroffenen Abschlüsse 2012, 2013 und 2014 sind mittlerweile fertig und haben ein uneingeschränktes Testat.- Als Tochter der Metro dürfte Ihr Handlungsspielraum in Finanzierungsthemen vergleichsweise gering sein. Was ist Ihre Kernaufgabe als Finanzchef?Ich habe die vollumfänglichen Aufgaben eines CFO. Da wir genügend Cash haben, sind wir komplett innenfinanziert. Wir benötigen kein Fremdkapital. Es gibt auch keinen Cash-Pool mit der Metro, wir machen das alles selbst.- Ihr Minderheitsgesellschafter hat kürzlich die Eigenkapitalquote, die er auf 3 % beziffert, als unzureichend moniert. Wie sehen Sie das?Die Eigenkapitalquote der Media-Saturn-Gruppe hat eine beschränkte Relevanz, da wir nicht am Kapitalmarkt aktiv sind. Alle unsere Einzelgesellschaften – und darauf kommt es an – sind ausreichend kapitalisiert. Man muss aber auch wissen, dass sich die Gesellschafter in der Satzung auf eine Vollausschüttung für die Gruppe festgelegt haben. Wenn wir in den letzten fünf Jahren auf die Vollausschüttung verzichtet hätten, kämen wir auf eine Eigenkapitalquote von etwa 20 %. Da wir eine vollkonsolidierte Gesellschaft der Metro sind, sind wir immer ausreichend kapitalisiert.- Wo liegt die Eigenkapitalquote in der Holding? Sind die genannten 3 % korrekt?Nein, die sind nicht korrekt. Die Quote der Media-Saturn-Holding GmbH ist deutlich höher. Der Minderheitsgesellschafter hat sich nicht auf die Einzelgesellschaft bezogen, sondern er zielte auf den Konzernabschluss ab, und dann stellt sich der Sachverhalt wie in der letzten Antwort beschrieben dar.- Ich habe Schwierigkeiten, mir vorzustellen, wie man in diesem Klima an vorderster Front arbeiten kann. Als Geschäftsführung können Sie zwar Strategien entwickeln, sobald diese der Zustimmung der Gesellschafter bedürfen, gibt es jedoch kein Weiterkommen.Es beschäftigt uns, aber es behindert uns nicht. Das sehen Sie beispielsweise daran, dass wir das Multichannel-Geschäft mehr oder weniger von null ausgehend in gut drei Jahren aufgebaut haben. Sie sehen es auch daran, dass sich alle KPIs (Key Performance Indicators, Leistungsindikatoren, Anm. d. Red.) in dieser Zeit positiv entwickelt haben.- Ihr Anstellungsvertrag endet im März. Herr Kellerhals hat angekündigt, dass es für Sie keine Vertragsverlängerung gibt. Wie kann eine Weiterbeschäftigung aussehen?Wenn ich wüsste, dass ich Ende März weg bin, würden wir uns heute nicht unterhalten. Ich fühle mich sehr wohl bei meiner Aufgabe und werde meine Pflichten erfüllen.- Die Entscheidung zu einer Vertragsverlängerung setzt aber einen einstimmigen Gesellschafterbeschluss voraus. Werden Sie das Ressort weiterbetreuen, aber eben nicht mehr in der Rolle eines Geschäftsführungsmitglieds? Diesen Weg hat kürzlich Ihr Kollege Klaus-Peter Voigt (Einkaufschef) eingeschlagen.Bis Ende März muss eine Lösung gefunden werden. Ich gehe davon aus, dass es eine Lösung geben wird.- Die Holding ist eine GmbH. Gesetzlich vorgeschrieben ist, wie das Organ Geschäftsführung aufgestellt sein muss. Wenn man davon ausgeht, dass keiner der bisherigen Geschäftsführer einen neuen Vertrag bekommt, drohen Probleme.Nicht unbedingt, denn wir haben mit dem Entsendungsrecht der Metro einen rechtlich bestellten Geschäftsführer.- Herr Kellerhals hat Sie verbal auch persönlich angegriffen. Wie gehen Sie damit um?Ich glaube, er meint nicht mich persönlich. Es betrifft ja nicht nur mich, das macht es sicherlich leichter. Es ist ein Teil der Gesellschafterproblematik, die ich nicht lösen kann.- Kommen wir zum operativen Geschäft zurück. Wie sinnvoll ist die Zwei-Marken-Strategie?Die Zwei-Marken-Strategie macht strategisch dort Sinn, wo die größere Marke, Media Markt, Marktführer ist oder mittelfristig in diese Position kommt und die zweite Marke zugleich das Potenzial hat, unter die Top 3 bis 5 zu gelangen.- Warum?Auf diese Art können wir mehr vom Markt abschöpfen, weil der Kunde eine Alternative zum Marktführer sucht. Mit dieser Aufstellung sind wir in Deutschland sehr stark geworden. Das Vorgehen ist aber nur dann sinnvoll, wenn die erste Marke mit Abstand Marktführer ist. Daher haben wir uns in den letzten Jahren mit Saturn auch aus einigen Ländern zurückgezogen und uns auf die Marke Media Markt konzentriert.- Mit Redcoon, einem reinen Online-Anbieter, haben Sie eine dritte Marke am Start. Ist der Online-Anbieter (Pure Player) im Zuge des Online-Erfolgs der beiden Hauptmarken überflüssig geworden?Ich möchte nicht von überflüssig sprechen, weil die Marken unterschiedliche Bedürfnisse bedienen. Der Pure Player ist preisaggressiver und bietet folglich weniger Services an. Von daher kann er die beiden anderen Marken durchaus sinnvoll ergänzen.- Die beiden Marken nehmen Redcoon aber auch Geschäft weg.Natürlich ist Redcoon nicht unbeeinflusst vom großen Erfolg von Media Markt und Saturn im Online-Geschäft. Dennoch kann es in einzelnen Ländern eine gute Ergänzung sein. Deswegen haben wir die operative Verantwortung der Marke Redcoon auch in die Länderverantwortung gegeben. Die dortige Geschäftsführung kann so auf die spezifischen Bedürfnisse der Kunden eingehen.- Hat Redcoon, seit das Unternehmen zur Media-Saturn-Holding gehört, jemals schwarze Zahlen geschrieben?Redcoon hat seither noch keine Gewinne erwirtschaftet. Aber mit der Verlagerung der Verantwortung auf die Landesgesellschaften folgen wir der Einschätzung, dass Handel national, regional oder sogar lokal stattfindet. Mit dem neuen Ansatz sehen wir Potenzial, Redcoon auf den richtigen Weg zu bringen.- Bis wann wird der Turnaround ins Auge gefasst?In den nächsten drei Jahren.- Wie stark mussten Sie den Firmenwert von Redcoon schon abschreiben?Selbstverständlich passen wir alle Beteiligungsbuchwerte an die wirtschaftliche Entwicklung an. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir diese Interna darüber hinaus nicht öffentlich kommentieren.- Redcoon wurde Anfang 2011 erworben. Zu dieser Zeit hatte Media-Saturn noch kein eigenes Online-Geschäft. Daher ist anzunehmen, dass für den Einstieg in den Online-Handel ein strategischer Preis bezahlt wurde.Die Übernahme von Redcoon war sicher ein strategischer Schritt. Damals hätte sicher keiner von uns die Wette angenommen, dass wir heute einen online-induzierten Umsatz von 1,8 Mrd. Euro erwirtschaften. In diesem Jahr kommen wir auf 10 %, und mittel- bis langfristig bilden wir den Markt ab, was dann 20 % entspricht. Von daher war Redcoon zum damaligen Zeitpunkt der richtige strategische Schritt. Insgesamt haben wir in den letzten Jahren die Transformation vom primär stationären Anbieter von Unterhaltungselektronik zum erfolgreichen Mehrkanalhändler weiter beschleunigt.—-Das Interview führte Annette Becker.