Restrukturierung

Sanierer müssen dicke Bretter bohren

Nach einer Umfrage der Unternehmensberatung Roland Berger ist mit einer wachsenden Zahl von Umstrukturierungen zu rechnen. Die Komplexität der Fälle nimmt zu.

Sanierer müssen dicke Bretter bohren

swa Frankfurt

  Die Wirtschaft hat sich nach der Coronakrise deutlich erholt, doch es haben sich viele Baustellen in der Unternehmenslandschaft aufgetan. Derzeit stehen aus Beratersicht nicht mehr vorrangig Pandemieauswirkungen in Form einer weiteren Covid-19-Welle an erster Stelle möglicher Risiken, Kopfschmerzen bereiten vielmehr vor allem steigende Rohstoffpreise und eine womöglich andauernde Inflation. Das geht aus der aktuellen Restrukturierungsstudie von Roland Berger hervor. Die Unternehmensberatung hat für die Analyse 500 Experten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt. Die Teilnehmer der Studie stammen aus dem Bankwesen, der Sanierungs- und Rechtsberatung sowie aus der Insolvenzverwaltung.

In den möglichen konjunkturellen Risiken für die wirtschaftliche Situation in Deutschland ist die Entwicklung des Wachstumsmarktes China zuletzt im Kreis der Befragten stärker in den Fokus gerückt. Auch die aktuellen Lieferengpässe unter anderem bei Elektronikkomponenten und Kunststoff werden als zentrales wirtschaftliches Risiko eingestuft.

Im Ranking der am stärksten geplagten Branchen stehen der Studie zufolge „altbekannte Vertreter“ an der Spitze: der Einzelhandel sowie die Automobil- und Reisebranche. Mittelfristig könnten nach Einschätzung der Berater aber auch andere Sektoren stärker ins Scheinwerferlicht rücken, beispielsweise die Energieindustrie. Vieles spreche dafür, dass der Anpassungsdruck in der Branche gegenwärtig unterschätzt werde.

Große Einigkeit besteht in der Frage, dass die Restrukturierungsfälle in den nächsten zwölf Monaten zu­nehmen werden. Die große Mehrheit er­wartet zudem eine erhöhte Komplexität der Fälle. Die Sanierungs­praxis sei von einer steigenden Anzahl in­vol­vierter Parteien und rechtlicher An­­forderungen be­stimmt. Im Zuge von Covid-19 drängten zusätzliche Ak­teure an den Verhandlungstisch. So ständen Interaktionen mit Lieferanten vermehrt auf der Tagesordnung, der Staat spiele häufiger eine Rolle in Finanzierungsentscheidungen.

ESG-Kriterien im Fokus

Das Thema Nachhaltigkeit gewinne in Sanierungen an Bedeutung. Ob und wie stark ESG-Kriterien eingehalten werden, beeinflusse immer intensiver die Entscheidungen der beteiligten Stakeholder. Gleichwohl zählen der strategische Umbau von Geschäftsmodell und Finanzierungsstruktur weiterhin zu den wichtigsten Restrukturierungsmaßnahmen.

Die Einführung des neuen Un­ternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes (StaRUG) ha­be die außergerichtliche Sanierung erleichtert, auch wenn das StaRUG bislang noch nicht in allzu vielen Fällen angewendet wurde, meint Alexandra Schluck-Amend, Partnerin und Leiterin des Geschäftsbereichs Restrukturierung und Insolvenz der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland. „Allein durch die Möglichkeit, ein StaRUG-Verfahren anzustrengen, sind vor allem Banken einer einvernehmlichen Lösung, zum Beispiel Stundung oder Haircut, aufgeschlossener“, erklärt die Anwältin.