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Springer genießt schon jetzt einen Teil ihrer neuen Freiheit

Von Stefan Paravicini, Berlin Börsen-Zeitung, 6.11.2019 Noch sind die kartellrechtlichen Freigaben für den Einstieg des US-Finanzinvestors KKR bei Axel Springer nicht erteilt. In der Kommunikation mit Investoren hat der Medienkonzern die...

Springer genießt schon jetzt einen Teil ihrer neuen Freiheit

Von Stefan Paravicini, BerlinNoch sind die kartellrechtlichen Freigaben für den Einstieg des US-Finanzinvestors KKR bei Axel Springer nicht erteilt. In der Kommunikation mit Investoren hat der Medienkonzern die veränderten Kräfteverhältnisse im Aktionariat aber schon berücksichtigt. Die Zahlen zum dritten Quartal, die Springer heute veröffentlicht, werden jedenfalls nicht mehr gesondert in einer Telefonkonferenz erläutert. Das Interesse von Analysten ist ohnehin gebremst, da der Streubesitz seit dem Angebot von KKR aus dem Juni auf unter 5 % zusammengeschnurrt ist und ein Squeeze-out mit einem Rückzug von der Börse in Reichweite liegt. Warum also nicht schon jetzt ein bisschen der neuen Freiheit genießen, die sich das Management mit dem Einstieg von KKR im Verhältnis zum Kapitalmarkt erhofft? Schließlich will Springer mit Unterstützung des neuen Gesellschafters verstärkt in digitale Wachstumsfelder investieren, ohne von der Börse dafür gerüffelt oder mit wenig mehr als einem Schulterzucken belohnt zu werden. Neuer Fonds mit 5,8 Mrd. DollarWas genau Springer mit dem neuen Partner im Schilde führt, der sich für rund 2,9 Mrd. Dollar mit 43,5 % bei dem Medienkonzern beteiligt hat, ist jedenfalls im Detail noch nicht bekannt. Mit KKR im Rücken, die erst gestern das Closing ihres jüngsten Fonds für Investments in Europa verkündete, für den Investoren insgesamt 5,8 Mrd. Dollar lockergemacht haben, wird der Medienkonzern derzeit aber fast überall als potenzieller Interessent genannt, wo es um Assets für das Online-Geschäft mit Kleinanzeigen für Autos, Stellenangebote oder Immobilien geht.Dieses Geschäft ist auch bei Finanzinvestoren wie KKR beliebt, weil es verlässliche Erlöse verspricht. Bei Axel Springer hat es im ersten Halbjahr allein rund zwei Fünftel zu den gut 1,5 Mrd. Euro Umsatz beigetragen und mehr als zwei Drittel des bereinigten Ergebnisses vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen in Höhe von 345 Mill. Euro gestemmt. Im dritten Quartal dürfte der Beitrag noch größer ausgefallen sein, da vor allem das traditionelle Nachrichtengeschäft bei Springer schwächelt, weshalb der Konzern Ende September die Prognose senkte.Schon vor dem Einstieg von KKR wurde wiederholt darüber spekuliert, dass Springer ihr Wachstumsgeschäft mit einer Übernahme von Assets der Ebay Classifields Group stärken könnte, zu der in Deutschland unter anderem das Online-Autoportal mobile.de und Ebay Kleinanzeigen gehören. Beim US-Konzern dringen Investoren um den Aktivisten Elliott Management auf einen Verkauf dieses Geschäfts, das nach Einschätzung von Marktbeobachtern einen Preis von bis zu 10 Mrd. Dollar erzielen könnte.Auch im Zusammenhang mit dem deutschen Konkurrenten Scout24, der derzeit über einen Verkauf seines Autoportals nachdenkt, wird der Name Axel Springer als Interessent genannt. Bei Scout24 ist übrigens ebenfalls Elliott involviert, nachdem der MDax-Konzern zuvor bereits das Interesse der US-Finanzinvestoren Hellman & Friedman sowie Blackstone weckte, die mit einer Offerte von rund 5 Mrd. Euro exklusive Schulden am Ende aber nicht erfolgreich waren. Autoscout24 allein könnte bei einem Verkauf mehr als 2 Mrd. Euro erzielen, heißt es in Finanzkreisen. An der Börse ist Scout24 fast 6 Mrd. Euro wert.Axel Springer bringt rund 7 Mrd. Euro auf die Waage und wird auch nach dem Einstieg von KKR von der Verlegerwitwe Friede Springer kontrolliert, die 42,6 % der Anteile hält und Konzernchef Mathias Döpfner (2,8 %) ebenso auf ihrer Seite weiß wie die Enkel Axel und Ariane Springer (6,1 %). Darüber hinaus soll es laut Medienberichten auch feste Absprachen mit KKR geben, die eine Aufspaltung des Konzerns in wachstumsstarke Online-Kleinanzeigen einerseits und das Nachrichtengeschäft andererseits ausschließen. Wie so ein Spin-off durchaus funktionieren kann, hat der norwegische Verlagskonzern Schibsted, der von Springer-Chef Döpfner während des Umbaus zum Digitalkonzern in den vergangenen Jahren immer wieder als Vorbild genannt wurde, gerade vorexerziert. IPO mit Online-Kleinanzeigen Anfang April hat der Traditionskonzern aus Oslo sein internationales Geschäft mit Online-Kleinanzeigen in die Tochter Adevinta abgespalten und an die Börse geführt. Heute liegt die Marktkapitalisierung von Adevinta ungefähr auf Augenhöhe mit Springer, und Schibsted, bei der die Verlegerfamilie über Blommenholm Industrier AS knapp ein Viertel der Anteile hält, ist mit 60 % beteiligt. Blommenholm, hinter der der Tinius Trust steht, der vom Urenkel des Firmengründers errichtet wurde, hält weitere 7 %.Ob ein ähnliches Modell bei Springer doch die Abspaltung des Online-Kleinanzeigengeschäfts im Sinne von Verlegerfamilie und Finanzinvestor erlauben könnte, bleibt abzuwarten. Zunächst geht es neben Investitionen in Wachstum um bereits verkündete Sparmaßnahmen, die das Nachrichtengeschäft stabilisieren sollen. Die Entscheidung der Kartellbehörden zum Einstieg von KKR wird bis zum Jahresende erwartet.