Thyssenkrupp setzt den Rotstift an
Neben der Stahlsparte bekommt Thyssenkrupp einen neuen Brandherd: Konzernchef Heinrich Hiesinger verschärft das Kostensenkungsprogramm im Anlagenbau. Ziel ist es, einen dreistelligen Millionenbetrag einzusparen. Ob das den Konzern in der Balance halten wird, ist offen.cru Düsseldorf – Eigentlich wollte Thyssenkrupp am Donnerstag als moderner Industriekonzern glänzen und der Öffentlichkeit Versuche mit einem innovativen Aufzugsystem vorstellen, das ohne Stahlseile, aber dafür mit Transrapid-Technik funktioniert. Stattdessen hat sich das Bild des Konzerns als angeschlagener Koloss verdichtet: Nach der Stahlsparte, die ihre Kapitalkosten nicht verdient und mit dem Europageschäft des Konkurrenten Tata Steel zusammengelegt werden soll, gerät nun auch die Sparte für den Großanlagenbau ins Wanken: Thyssenkrupp arbeitet an einem weiteren Sparprogramm für den Konzernbereich “Industrial Solutions”.”Zusätzlich zu den bisher angestoßenen Maßnahmen sind Kostensenkungen in einem dreistelligen Millionen-Euro-Betrag geplant”, teilte das Unternehmen mit. Dafür würden die Kosten überprüft, darunter im Einkauf, bei Forschung & Entwicklung, im Vertrieb, aber auch in der Verwaltung und beim Personal. Zum Umfang der geplanten Stellenstreichungen wollte ein Sprecher keine Stellung nehmen. Ziel für das laufende Geschäftsjahr sei die Trendumkehr beim Auftragseingang und Mittelzufluss. Laut Branchenkreisen könnte es bei der Kostensenkung um bis zu 250 Mill. Euro gehen. Selbst Produktionsverlagerungen von Deutschland in Billiglohnländer und Kapazitätsanpassungen stehen angeblich zur Diskussion.Vorstandschef Heinrich Hiesinger und Anlagenbau-Spartenchef Peter Feldhaus reagieren damit auf die Folgen einer lang anhaltenden Flaute im Auftragseingang, die erst in jüngster Zeit endete: Das Ergebnis der Sparte wird trotz der weiter gehenden Restrukturierung voraussichtlich zunächst schrumpfen. Umbau tritt auf der StelleAuch in der Stahlsparte hat der Konzern bereits ein Sparprogramm angekündigt, das die Kosten bis 2020 um 500 Mill. Euro jährlich drücken soll. Nach Angaben von Betriebsratschef Günther Back entfällt dabei die Hälfte der Ersparnis auf die Personalkosten, die um 15 % sinken sollen. Laut Back wäre das mit dem Abbau von bis zu 4 000 der 27 000 Arbeitsplätze in der Stahlsparte verbunden.Das neue Sparprogramm im Anlagenbau verstärkt den Eindruck, dass Thyssenkrupp – trotz zwischenzeitlicher Erfolgsmeldungen über Milliardenaufträge für Kriegsschiffe und für elektrische Lenkungen – beim dringend notwendigen Umbau des Traditionsunternehmens zum modernen Industriekonzern kaum vorankommt. Trotz guter Konjunktur wird der Konzern im laufenden Geschäftsjahr erstmals seit vier Jahren unter dem Strich wieder deutlich rote Zahlen schreiben, weil der Verkauf des Krisen-Stahlwerks in Brasilien, das die Misere des Unternehmens überhaupt erst auslöste, eine Abschreibung von 900 Mill. Euro nach sich zieht. Gleichzeitig rechnet Thyssenkrupp mit einem Mittelabfluss im operativen Geschäft in mittlerer dreistelliger Millionenhöhe – unter anderem, weil die Kokskohlepreise nach Stürmen in Australien stark gestiegen sind.Die Nettoschulden des Konzerns sind zuletzt um 20 % auf 5,8 Mrd. Euro gewachsen. Das Verhältnis von Eigenkapital zu Schulden (Gearing) erhöhte sich von 175 % auf 250 %. Damit hat sich die von Gläubigerbanken argwöhnisch beobachtete Kennziffer so stark verschlechtert, dass Thyssenkrupp bis zum Geschäftsjahresende im September dringend eine Verbesserung herbeiführen muss, damit keine Kreditverträge gekündigt werden. Auf das geschrumpfte Eigenkapital von 2,3 Mrd. Euro drücken vor allem die enormen Rückstellungen für Pensionslasten von rund 9 Mrd. Euro, die von den niedrigen Zinsen um 1 Mrd. Euro nach oben getrieben wurden. Das alles sind Anzeichen einer besorgniserregenden bilanziellen Schwäche. Trotz der zunehmenden Schwierigkeiten reagierten die Investoren am Donnerstag nach der Nachricht von der geplanten Kostensenkung im Anlagenbau positiv. Aktienkurs steigtSo hatte die Freigabe von Rüstungsprojekten durch den Bundestag die Papiere bereits am Mittwochnachmittag um mehr als 2 % angeschoben. Am Donnerstag folgten Anschlusskäufe, was den Anteilscheinen gegen Mittag an der Spitze des etwas schwächelnden Dax ein Plus von 3,6 % auf 25,07 Euro bescherte. Später schrumpfte das Plus auf 3,3 %. Zwischenzeitlich hatten sie bei 25,16 Euro den höchsten Stand seit zwei Jahren erreicht. Die Marktkapitalisierung liegt bei 14 Mrd. Euro – doppelt so hoch wie 2012.