MANAGERHAFTUNG

Verpasste Chance

Vor sechs Jahren flog das Schienenkartell auf, bei dem mehrere Stahlbetriebe mindestens ein Jahrzehnt lang die Preise für Schienen abgesprochen hatten. Nach einer Razzia im Mai 2011 musste Thyssenkrupp eine Kartellbuße von 191 Mill. Euro zahlen....

Verpasste Chance

Vor sechs Jahren flog das Schienenkartell auf, bei dem mehrere Stahlbetriebe mindestens ein Jahrzehnt lang die Preise für Schienen abgesprochen hatten. Nach einer Razzia im Mai 2011 musste Thyssenkrupp eine Kartellbuße von 191 Mill. Euro zahlen. Diesen Betrag wollte sich der Essener Industriekonzern von dem früheren Geschäftsführer der betroffenen – und inzwischen abgewickelten – Tochter GfT Gleistechnik GmbH wiederholen und verklagte ihn auf Schadenersatz.Der Streitfall hat es durch mehrere Instanzen bis vor das Bundesarbeitsgericht in Erfurt geschafft, von dessen 8. Senat ein Grundsatzurteil erhofft wurde. Zur Debatte stand die grundsätzliche Rechtsfrage, ob vom Bundeskartellamt verhängte Bußgelder gegen ein Unternehmen von diesem im Rahmen der sogenannten Innenhaftung an Organe – in diesem Fall: den Geschäftsführer – weitergereicht werden können, so wie das bei sonstigen Schäden der Fall ist.Diese Frage bleibt nun weiterhin höchstrichterlich ungeklärt. Denn das Gericht hat entschieden: die Schadenersatzklage von Thyssenkrupp gegen den früheren Manager muss neu vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf verhandelt werden. Dabei soll zunächst geprüft werden, ob der frühere Geschäftsführer sich pflichtwidrig verhalten hat. Außerdem seien Arbeitsgerichte nicht für kartellrechtliche Fragen zuständig.Mit dieser Entscheidung ist die Chance verpasst, für Klarheit zu sorgen. Damit tappen Unternehmen und ihre Organe weiter bei der Frage im Dunkeln, ob Manager damit rechnen müssen, für Kartellbußen gegen das Unternehmen, die sie verschuldet haben, haften zu müssen und ob das Unternehmen diesen Regress im Interesse der Aktionäre oder sonstigen Eigentümer und Stakeholder erzwingen muss.Unerheblich ist diese Frage keineswegs. Das Schienenkartell hat Thyssenkrupp nach eigenen Angaben mehr als 300 Mill. Euro gekostet. Zur Kartellbuße hinzu kamen erhebliche Vergleichszahlungen an geschädigte Kunden, Anwaltskosten und ein enormer Reputationsverlust bei Mitarbeitern, Kunden und Behörden. Aus Sicht von Thyssenkrupp ist der Beklagte zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Denn mit seiner Beteiligung an rechtswidrigen Kartellabsprachen habe er nach Einschätzung des Konzerns seine Pflichten als verantwortliche Führungskraft verletzt und somit dazu beigetragen, dass das Bundeskartellamt das Bußgeld gegen Thyssenkrupp verhängt hat. Ein Urteil, das diese Sicht bestätigt, würde Manager noch stärker vor Kartellen zurückschrecken lassen. Das ist nun nicht der Fall.