Remco Steenbergen

„Wir bewegen uns auf dem richtigen Liquiditätslevel“

Der Finanzvorstand der Lufthansa zeigt sich trotz üppigen Preisabschlags bei der Kapitalerhöhung sehr zufrieden. Der Verkauf des Cateringgeschäfts sei „derzeit schwierig“.

„Wir bewegen uns auf dem richtigen Liquiditätslevel“

Lisa Schmelzer und Heidi Rohde.

Herr Steenbergen, warum ist jetzt der richtige Zeitpunkt für eine Kapitalerhöhung?

Wir haben im Juni unsere neuen Mittelfristziele und auch die geplanten Kosteneinsparungen bekannt gegeben und auch deutlich gemacht, dass wir bereits eine Menge bewegt haben, um aus Lufthansa wieder ein gesundes und profitables Unternehmen zu machen. Der Flugverkehr erholt sich weiter, so dass wir im dritten Quartal ohne Berücksichtigung von Restrukturierungsaufwendungen ein positives bereinigtes Ergebnis erreichen werden. Dazu kommt das für Transaktionen dieser Art positive Umfeld an den Kapitalmärkten und die Aussicht, dass Reisen in die USA voraussichtlich bald wieder möglich sein werden. Zudem war für uns immer klar, dass wir das Geld der Steuerzahler schnellstmöglich zurückbezahlen möchten. Und nicht zu vergessen, die Stabilisierungsmittel sind etwa doppelt so teuer für uns wie Finanzierungen an den Kapitalmärkten. Das Geld vom Staat ist schließlich kein Geschenk, sondern ein Kredit. Und wir wollen natürlich schnellstmöglich unsere volle unternehmerische Unabhängigkeit zurückerlangen.

Hat es für Lufthansa den Druck erhöht, dass gerade erst Easyjet eine Kapitalerhöhung angekündigt hat?

Nein, was andere tun, hat unsere Entscheidung nicht beeinflusst. Wir haben seit Jahresanfang konsequent daran gearbeitet, dass Lufthansa möglichst schnell wieder auf eigenen Beinen stehen kann. Dafür muss einerseits die Bilanz aufgeräumt werden. Andererseits planen wir Verkäufe von Unternehmensteilen, und wir haben uns ehrgeizige Mittelfristziele gesetzt.

Analysten beharren darauf, dass Lufthansa mindestens 3 Mrd. Euro an zusätzlicher Liquidität benötigt hätte. Lufthansa will den gesamten Bruttoerlös zur Ablösung von in Anspruch genommener Staatshilfe (stille Beteiligung  I und II) verwenden. Eine weitere Kapitalerhöhung schließen Sie aus, obwohl die Aktionäre 5,5 Mrd. Euro genehmigt haben. Waren mehr als 2,1 Mrd. Euro nicht drin?

Wir haben Anfang des Jahres unsere Liquiditätsziele neu gefasst. Demnach wollen wir ein Mindestlevel von 6 bis 8 Mrd. Euro vorhalten, nicht wie zuvor 3 oder 4 Mrd. Euro. Ende Juni 2021 hatten wir rund 11 Mrd. Euro Liquidität. Wir nehmen jetzt weitere 2,1 Mrd. Euro auf, so dass wir bei 13 Mrd. Euro landen. Wenn wir nun die staatlichen stillen Beteiligungen bis voraussichtlich Ende des Jahres zurückzahlen, verringert sich unsere Liquidität um 5,5 Mrd. Euro. Dann bleiben 7,5 Mrd. Euro, und da ist noch nicht eingerechnet, dass wir uns am Kapitalmarkt weitere Finanzierungsmöglichkeiten offenhalten. Wir bewegen uns also genau auf dem richtigen Liquiditätslevel.

Sie haben noch im zweiten Quartal weitere 1,5 Mrd. Euro aus der stillen Beteiligung gezogen. Jetzt sollen alle Gelder aus diesen Beteiligungen zurückgezahlt werden. Warum hat man für eine doch sehr kurze Zeit überhaupt zu den 1,5 Mrd. Euro gegriffen?

Unsere mit dem WSF abgesprochene ursprüngliche Finanzplanung sah das Ziehen dieser Tranche vor. Außerdem gelten die Mittel aus der stillen Beteiligung I nach IFRS als Eigenkapital, von den Ratingagenturen wird es aber wie Fremdkapital bewertet, das ist wenig hilfreich. Für die Agenturen zählt nur über die Märkte aufgenommenes Kapital als Eigenkapital. Das müssen wir bei unserer Liquiditätsplanung berücksichtigen.

Ursprünglich war doch geplant, mit der Kapitalerhöhung auf die Öffnung des US-Marktes zu warten, oder? Denn erst dann würde das wichtige Transatlantikgeschäft in­klusive Geschäftsreiseverkehr wieder richtig Fahrt gewinnen.

Wir hatten zunächst im Juli und dann später im September damit gerechnet, dass die Reisebeschränkungen für die USA fallen. Nun fallen die Reiserestriktionen für Geimpfte zum November. Die Öffnung des Transatlantiks wird nicht nur unserem Langstreckengeschäft einen kräftigen Schub verleihen.

Sie benötigen 14 Banken für die Kapitalerhöhung. Wer ist federführend dabei?

Zunächst einmal ist diese Zahl an Banken üblich bei einem solchen Volumen. Bank of America, Deutsche Bank, Goldman Sachs und J.P. Morgan sind dabei federführend, mit ihnen haben wir in den vergangenen Monaten eng zusammengearbeitet. Wichtiger Partner für uns ist auch BlackRock, die für von ihnen verwaltete Investmentfonds einen Sub-Underwriting-Vertrag über insgesamt 300 Mill. Euro abgeschlossen haben und sich verpflichten, ihre Bezugsrechte in vollem Umfang auszuüben. Das zeugt von einem großen Vertrauen in unsere Strategie.

Gab es denn mit dem WSF irgendwelche Gespräche, dass beispielsweise BlackRock Teile der Beteiligung übernehmen könnte und damit zum Ankerinvestor wird?

Davon wissen wir nichts. Als der WSF rund 4% seiner Beteiligung veräußert hat, waren wir in keiner Weise involviert. Deshalb kann ich Ihnen beispielsweise auch nicht sagen, ob der WSF bei der Kapitalerhöhung mitziehen wird.

Was genau war ausschlaggebend für die Preisfindung, die ja doch einen deutlichen Abschlag zum Aktienpreis darstellt?

Natürlich ist vor allem die Frage wichtig: Welches ist der richtige Preis, um attraktiv für Investoren zu sein? Man muss die Marktkapitalisierung sehen und die Anzahl der neuen Aktien. All diese Berechnungen haben einen theoretischen Preis von 5,90 Euro pro Aktie ergeben. Darauf bezogen liegt der Abschlag jetzt bei 39%. Wir sind sehr zufrieden mit diesem Ergebnis.

Die Vorstandsmitglieder werden entsprechend ihrem Aktienbesitz ihre Bezugsrechte wahrnehmen. Wie kam es zu diesem doch ungewöhnlichen Commitment?

Ist das so außergewöhnlich? Ich kann nur für mich sprechen. Ich halte 50000 Aktien, die ich seit dem vierten Quartal vergangenen Jahres erworben habe. Dank der Bezugsrechte werden jetzt weitere 50000 dazukommen. Alle Vorstandsmitglieder glauben an das Potenzial der Lufthansa.

 Teil Ihrer Finanzplanung ist auch der Verkauf von Unternehmensteilen, etwa des Finanzdienstleisters Airplus, des weltweiten Cateringgeschäfts und von Teilen von Lufthansa Technik. Wie sieht es aktuell damit aus?

Das Cateringgeschäft ist natürlich auch von den Folgen der Coronavirus-Pandemie belastet, so dass ein Verkauf derzeit eher schwierig ist. Wir haben keinen Zeitdruck. Das gilt im Übrigen auch für den geplanten Verkauf von Airplus. Bei Lufthansa Technik haben wir noch nicht entschieden, ob wir eine Minderheitsbeteiligung an einen Investor oder über die Börse verkaufen. Wir haben jetzt eine Investmentbank mit der Prüfung aller Optionen beauftragt. Wir planen, bis Ende des Jahres zu entscheiden, wie es weitergeht.

 Die Lufthansa geht künftig mit einem höheren Anteil geleaster Flugzeuge und einer geringeren Absicherung gegen Treibstoffkostenschwankungen höher ins Risiko. Was hat Sie zu dieser größeren Risikobereitschaft getrieben?

Flexibilität ist so wichtig wie nie. Mit einem höheren Anteil an geleasten Flugzeugen können wir bei der Flottenplanung schneller reagieren und zugleich die Wartungsaufwendungen senken. Außerdem lässt sich der Kapitaleinsatz besser steuern. Das Treibstoffkostenhedging haben wir letztes Jahr in der Krise zunächst gestoppt. Dieses Jahr haben wir wieder mit der Absicherung für 2022 begonnen, aber auch in diesem Bereich ist ein höheres Maß an Flexibilität wichtig, weil man so eher von sinkenden Preisen profitieren kann. Unsere Absicherungsquote wird künftig bei rund 60% des Bedarfs liegen statt wie früher bei 80%.

Lufthansa-Konzernchef Spohr verweist bei den positiven Aussichten vor allem auf das Frachtgeschäft, das derzeit floriert. Soll die Frachtsparte ausgebaut werden, weil man sich hier auch mittel- und langfristig Wachstumschancen ausrechnet? Ist Lufthansa in zehn Jahren eine Fracht-Airline mit angehängtem Passagegeschäft?

Dieses Gedankenspiel geht mir dann doch ein bisschen zu weit. Es zahlt sich jetzt natürlich aus, dass wir, anders als viele Wettbewerber, an unserer Frachterflotte nicht nur festgehalten, sondern sie auch vollständig modernisiert haben. Es gibt nicht mehr viele Passagier-Airlines, die mit eigenen Frachtern auch Teil der globalen Logistikketten sind. Wir bauen bei Lufthansa Cargo jetzt mit Hilfe weiterer Flugzeuge das Angebot im Kurz- und Mittelstreckengeschäft aus und profitieren dadurch vom Wachstum des E-Commerce-Sektors. Für die zusätzlichen Airbus 321 haben wir Kurzfrist-Leases vereinbart, so dass wir auch hier flexibel sind. Es ist schon möglich, dass das Luftfrachtgeschäft bei Lufthansa künftig eine größere Bedeutung hat als in der Vergangenheit, aber die Passagier-Airlines bleiben unser größtes Kerngeschäft.

Das Interview führten

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