EZB-Strategieüberprüfung

Viel Kritik an Niedrigzinsen

Der EZB-Rat überprüft seit einem Jahr seine Strategie. Jetzt hat die Notenbank Ergebnisse ihrer Umfrage unter Vertretern der Zivilgesellschaft veröffentlicht. Nicht alles wird den Euro-Hütern schmecken.

Viel Kritik an Niedrigzinsen

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Die Europäische Zentralbank (EZB) bekommt im Rahmen der laufenden Strategieüberprüfung von interessierten Bürgern harsche Kritik an ihrer Niedrigzinspolitik zu hören. Das hat die Auswertung einer Umfrage zur Geldpolitik ergeben, an der sich fast 4000 Bürger aus sämtlichen Ländern der Eurozone beteiligt haben. „In mindestens der Hälfte der eingegangenen Beiträge wurde Kritik an der Niedrigzinspolitik der EZB geübt“, schreibt die Notenbank in einem gestern veröffentlichten Bericht. Häufig seien niedrige Erträge auf Spareinlagen angeführt worden, die Anleger in Risiken trieben und „zu Verwerfungen auf dem Finanz- und Immobilienmarkt“ führten. „Selbst in einigen der positiveren Antworten wurde darauf hingewiesen, dass es in der Regel strukturelle Faktoren wie z.B. prekäre Arbeitsverhältnisse und übermäßige Besteuerung gebe, die die Betroffenen daran hinderten, die günstigen Kreditbedingungen in vollem Umfang zu nutzen.“

Der EZB-Rat überprüft seit einem Jahr Ziele und Instrumente seiner Geldpolitik. Er hat für die zweite Jahreshälfte Ergebnisse angekündigt und seine Absicht bekundet, Rückmeldungen aus der Zivilgesellschaft zu berücksichtigen. Die Umfrage war Teil der Veranstaltungsreihe „Die EZB hört zu“, an der auch die Bundesbank beteiligt ist.

„Unbezahlbares Wohnen war ein immer wiederkehrendes Thema“, konstatiert die EZB. Viele Teilnehmer hätten gefordert, Wohnkosten angemessener in der Inflationsrate zu berücksichtigen: „Insbesondere jüngeren Befragten und solchen aus nördlichen EU-Mitgliedstaaten schien dieses Thema am Herzen zu liegen.“ Anders als Mietkosten fließt selbst genutztes Wohneigentum bislang nicht in die Inflationsrate ein. Mehrere Notenbanker haben Sympathien erkennen lassen, dies zu ändern – auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann.

Ungleich umstrittener ist, ob die EZB neben der Preisstabilität weitere Aspekte stärker in ihren geldpolitischen Entscheidungen berücksichtigen sollte. Auch unter den Befragten gingen die Meinungen dazu „weit auseinander“, heißt es im Bericht: „Viele vertraten die Ansicht, dass die EZB bei der Förderung von Wirtschaftswachstum und Beschäftigung, der Bekämpfung von Ungleichheit und beim Klimaschutz eine wichtigere Rolle spielen sollte.“ Zugleich plädiere „eine deutliche Minderheit“ dafür, das Mandat der Preisstabilität eng auszulegen und ansonsten anderen Entscheidungsträgern das Feld zu überlassen. Letzteres betont auch Bundesbankchef Weidmann immer wieder.