Venture Capital

Wagniskapital-Finanzierungen nehmen explosionsartig zu

Rund um die Welt stecken Venture-Capital-Fonds mehr Geld als jemals zuvor in die Finanzierung von Jungunternehmen. Ein Ende des üppigen Kapitalstroms für Start-ups aus den Branchen Gesundheitswesen, Bildungstechnologie und Logistik ist laut Goldman Sachs nicht in Sicht.

Wagniskapital-Finanzierungen nehmen explosionsartig zu

cru Frankfurt – Wagniskapitalfonds investieren derzeit rund um die Welt so viel wie nie zuvor. Das Volumen der Deals explodiert regelrecht. Im laufenden Jahr hat das Volumen der globalen Venture-Capital-Finanzierungen bis dato bereits 51 Mrd. Dollar in 1770 Deals erreicht – verglichen mit 22 Mrd. Dollar in 1760 Deals im gleichen Zeitraum des Vorjahres ist das ein Plus von 130%. Das Rekordvolumen des vierten Quartals 2020 von 91 Mrd. Dollar dürfte damit im laufenden Quartal erneut übertroffen werden. Das geht aus einer Studie der Investmentbank Goldman Sachs hervor.

Das Wachstum der Finanzierungen im vierten Quartal 2020 um 75% wurde vor allem von der US-Privatanleger-Aktienhandels-App Robinhood, der Roboterautofirma Cruise Automation, der asiatischen Schnellliefer-Boten-App Lalamove, der Logistik-App Didi Cargo und dem Softwareentwickler Databricks angeführt. Allein diese fünf Firmen sammelten bei Wagniskapitalinvestoren mehr als 9 Mrd. Dollar ein.

In Deutschland haben Start-ups laut Datenanbieter Refinitiv im vierten Quartal 2020 rund 1,3 Mrd. Euro in 102 Finanzierungsrunden eingesammelt. Das war um drei Viertel mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum, und es waren zugleich so viele Deals wie seit dem zweiten Quartal 2001 nicht mehr. Mit 240 Mill. Euro sammelte der Lufttaxi-Entwickler Lilium aus Gilching am meisten ein, gefolgt von einem Investment über 212 Mill. Euro für den E-Scooter-Verleiher Tier Mobility. Deutschland verzeichnete damit das aktivste Quartal bei Start-up-Finanzierungen seit der Dotcom-Ära. Auch die Preise für Mittelständler sind 2020 laut Finanzinvestor Argos Wityu auf ein Rekordhoch gestiegen. Nie wurden seit Start des Argos-Index höhere Multiples gezahlt. Und zum ersten Mal zahlten Finanzinvestoren mehr als Strategen.

Mehr als 90 Mrd. Dollar

Global überschritt im vierten Quartal 2020 laut Goldman Sachs die Venture-Capital-Finanzierungsaktivität erstmals die Marke von 90 Mrd. Dollar, wobei die Finanzierungen in allen Sektoren zunahmen. Die Zahl der „Einhörner“ – also Jungunternehmen mit einem Wert oberhalb von 1 Mrd. Dollar – ist laut CB Insights auf 546 gestiegen mit einem Gesamtwert von 1,8 Bill. Dollar.

Das Volumen der Kapitalzusagen, die den Venture-Capital-Fonds von ihren Investoren gemacht worden sind, das sogenannte Dry Powder, bricht dennoch weiterhin Rekorde. Das liegt zum einen daran, dass die Wagniskapitalfonds durch lukrative Unternehmensverkäufe aus einem Teil ihrer Beteiligungen wieder ausgestiegen sind – zum anderen haben sie weiterhin hohe Summen eingesammelt, obwohl es auch Rückschläge gibt: Zu den größeren Flops in dem unregulierten Markt nichtbörsennotierter Jungunternehmensbeteiligungen zählte 2016 die Insolvenz des Bezahldiensts Jumio.

Deutlich gestiegen sind im vierten Quartal die Finanzierungsaktivitäten in den Branchen Gesundheit, Bildungstechnologie (Edtech) sowie Lieferkette und Logistik, da Covid-19 dort größere Investitionen nötig machte. Reifere Kategorien wie Zahlungsabwicklung (Payments) und digitales Marketing (Adtech) verzeichneten im gleichen Zeitraum die größten Rückgänge. Die Finanzierung und die Anzahl der Deals in cloudbasierte Software für Unternehmen (Enterprise SaaS) gingen nach mehreren bemerkenswert hoch bewerteten Börsengängen im Jahr 2019 ebenfalls von einem hohen Niveau aus zurück.

„Die Geschichte von Venture Capital ist die Suche nach dem Next Big Thing“, kommentiert Goldman-Sachs-Analyst Heath Terry. „In den vergangenen 20 Jahren haben wir in der Technologie das nächste große Ding im Internet, in Mobilgeräten, in sozialen Medien, in SaaS, in der Cloud, im Internet of Things erlebt und befinden uns immer noch in den frühen Stadien der großen Dinge in den Bereichen künstliche Intelligenz, virtuelle Realität, Mobilität, Blockchain, Robotik und Weltraum, ohne eine abschließende Aufzählung zu machen.“

Diagnose als Next Big Thing

Untersuche man die Frühphasen-Investments darauf hin, was von Venture-Capital-Investoren für das „Next Big Thing“ gehalten wird, dann stoße man auf Kategorien wie Diagnosegeräte und Entscheidungs- und Risikoanalyse. „Wir sprachen kürzlich mit dem CEO des Softbank Vision Fund, Rajeev Misra, der glaubt, dass die nächsten fünf Jahre der Informationsrevolution – beschleunigt durch künstliche Intelligenz und Daten – noch tiefgreifender sein werden als die Internetrevolution der vergangenen 20 Jahre und die Mobilgeräterevolution mit 4G und Smartphones.“