Tokio

Wining and Dining

Der Sohn des japanischen Premierministers hat offenbar den Schatten seines einflussreichen Vaters für Geschäfte genutzt. Den Japanern gefällt das gar nicht, die Beliebtheitswerte von Suga sind im Keller.

Wining and Dining

Weder Olympia noch der Corona-Notstand beherrscht gerade die Schlagzeilen der Zeitungen, sondern eine japanische Version der Hunter-Biden-Saga. So wie dem zweiten Sohn von US-Präsident Joe Biden unterstellt wird, sich in dessen Windschatten geschäftliche Vorteile als Investment-Berater verschafft zu haben, so nutzte der älteste Sohn von Premier Yoshihide Suga offenbar die Machtposition seines Vaters aus. Zwischen Juli 2016 und Dezember 2020 lud sein Arbeitgeber 39-mal insgesamt 13 Topbeamte des Innenministeriums zu teuren Abendessen ein, vergab Taxi-Freifahrtscheine und verteilte Geschenke. Seigo Suga nahm 21-mal selbst teil. Während des ganzen Zeitraums war Vater Suga als Kabinettschefsekretär der wichtigste Drahtzieher der Regierung, im September übernahm der heute 72-Jährige die Regierungsgeschäfte von Shinzo Abe. Der Sohn kannte die Beamten teilweise aus der Zeit, als sein Vater in der ersten Abe-Regierung von 2006 selbst Innenminister gewesen war.

Zwar erklärte der jetzige Amtsinhaber Ryota Takeda, es gebe keine Hinweise, dass die Abendessen die Entscheidungen der Behörde beeinflusst hätten. Aber er konnte nicht abstreiten, dass das Wining and Dining des Suga-Sohns eindeutig zielgerichtet war. Dessen Arbeitgeber, das Unternehmen Tohoku­shinsha Film, bietet Dienstleistungen für Satellitenfernsehen an; das Innenministerium vergibt Sendelizenzen für Satellitenprogramme.

Bei dieser Konstellation verbietet das „Ethikgesetz für den nationalen öffentlichen Dienst“ den Beamten, Gefälligkeiten und Geschenke anzunehmen. Die Richtlinien wurden vor 21 Jahren als Reaktion auf einen schweren Korruptionsskandal im Finanzministerium eingeführt. Selbst wenn jeder Teilnehmer seinen Teil der Rechnung bezahlt, müssen Beamte jedes Essen über der Schwelle von 10000 Yen (78 Euro) melden.

Besonders pikant: Unter den bewirteten Staatsdienern war auch Makiko Yamada, damals verbeamtete Staatssekretärin im Innenministerium und dann die Chefin der Presseabteilung im Premierministeramt. Sie hatte sich mit einem Abendessen voll teurem Wagyu-Rindfleisch und erlesenen Meeresfrüchten für 70000 Yen (547 Euro) verwöhnen lassen.

Suga sprang ihr zur Seite und beließ es bei einer Ermahnung. Sie verzichtete auf etwas Gehalt und gelobte Besserung. Aber das hielt die parlamentarische Opposition nicht davon ab, sich auf Yamada einzuschießen. Denn während elf Beamte eine offizielle Rüge erhielten und zwei ihren Posten räumen mussten, blieb Yamada unbehelligt, da sie nicht mehr für das Innenministerium arbeitet. Als sie vor einem Parlamentsausschuss dazu aussagen sollte, meldete sie sich ins Krankenhaus ab, dann trat sie zurück. Ihrem Chef blieb nur der übliche Weg des Kotaus vor der Öffentlichkeit: „Die Verwicklung meines Sohnes und die Verletzung des Ethikstandards durch Beamte tun mir sehr leid“, erklärte der Premierminister.

In Wirklichkeit trägt Suga für diesen Skandal eine große Mitverantwortung. Unter seiner Ägide erweiterte das Premierministeramt die Kontrollbefugnisse über die Ministerialbürokratie. Damit wuchs die Macht der Politiker über die Elitebeamten, die aus historischen Gründen früher die eigentlichen Staatslenker waren. Als damaliger Kabinettschef war Suga dafür gefürchtet, Beamte aus dem Weg zu räumen, wenn sie seine politischen Vorhaben nicht unterstützten.

Früher hätten sich die Ministerialen als „patriotische Volksdiener“ verstanden, kommentierte die liberale Zeitung „Asahi“. Heute überwiege der Typ des „Koordinators“ und „Sachbearbeiters“. Diese Leute führten Befehle des Premierministers einfach aus oder erfüllten in vorauseilendem Gehorsam dessen Wünsche, bevor sie überhaupt geäußert würden. Deswegen habe man in den vergangenen Jahren immer wieder Beamte erlebt, die mit zusammengebissenen Zähnen weithergeholte Ausreden von Politikern bestätigt hätten, analysierte die Zeitung. Regierung und Verwaltung sollten eng zusammenarbeiten, aber die Balance zwischen den beiden Säulen der Exekutive sei inzwischen verloren gegangen. Auch die Wähler heißen die derzeitige Entwicklung nicht gut. Die aktuellen Umfragewerte für Premier Suga bleiben im Keller.