Wie nachhaltig ist das Gewinnwachstum?

Zinswende macht Deutsche Banken vorübergehend profitabler

Deutsche Bank, Commerzbank & Co. lassen sich für ihre hohen Gewinne feiern und können ihren Aktionären seit langem wieder Dividenden und Aktienrückkäufe in Aussicht stellen. Der Erfolg beruht auf der Zinswende, deren Negativeffekte sich aber erst noch zeigen werden.

Zinswende macht Deutsche Banken vorübergehend profitabler

Zinswende macht Banken vorübergehend profitabler

Steigende Zinsen sind pures Adrenalin für Bankbilanzen – Moodys hat deutsche Großbanken analysiert – Refinanzierungskosten werden steigen

Von Philipp Habdank, Frankfurt

Deutsche Bank, Commerzbank & Co. lassen sich für ihre hohen Gewinne feiern und können ihren Aktionären seit langem wieder Dividenden und Aktienrückkäufe in Aussicht stellen. Der Großteil des Erfolgs beruht auf der Zinswende, deren Negativeffekte sich aber erst noch zeigen werden.

„Die steigenden Zinsen sind pures Adrenalin für die Bankbilanzen“, sagte Andreas Thomae von Deka Investment zuletzt bei der Jahreshauptversammlung der Deutschen Bank. Insbesondere die stark vom Kreditgeschäft abhängigen und damit zinssensitiven deutschen Banken haben von der Zinswende massiv profitiert. So sind die Vorsteuergewinne der sieben größten deutschen Banken im vergangenen Jahr vergleichen mit 2021 in Summe um 14% auf rund 10,1 Mrd. Euro gestiegen.

Das geht aus einer Studie von Moodys hervor, für die die Ratingagentur die Bilanzen von Commerzbank, Unicredit AG (Hypovereinsbank), DZ Bank, ING-DiBa, Bayern LB, LBBW und Helaba analysiert hat. Die Deutsche Bank fand in der Analyse keine Berücksichtigung, was Moodys mit deren Investment-Banking-Peergroup begründet. Doch auch Deutschlands größte Bank verdankt den Großteil ihres Gewinnanstiegs der Zinswende.

Zinserträge dominieren

Der Studie zufolge machten die Zinserträge im vergangenen Jahr 60 bis 70% der zinsabhängigen und -unabhängigen Erträge der betrachteten Banken aus. Der Netto-Zinsüberschuss legte im Schnitt um 9% zu. Den größten Schub erfuhr die Commerzbank, deren Netto-Zinsüberschuss um 33% gestiegen ist.

Im Ergebnis führte die von der Europäischen Zentralbank (EZB) im Sommer eingeleitete Zinswende insbesondere im zweiten Halbjahr 2022 zum höchsten Vorsteuergewinn seit 2019. Mit in Summe 5,5 Mrd. Euro fiel der Vorsteuergewinn der zweiten Jahreshälfte 2022 um 9,2% höher aus als im Vergleichszeitraum 2021, um 94% höher als im Coronajahr 2020 und fast doppelt so hoch wie in der zweiten Jahreshälfte 2019 – den Milliardenverlust der Commerzbank im Jahr 2020 ausgeklammert.

Bessere RWA-Effizienz

Die Ertragszuwächse im Zinsgeschäft konnten den Rückgang bei den Provisionserträgen damit überkompensieren. Das aggregierte zinsunabhängige Einkommen der betrachteten Banken sank der Studie zufolge im vergangenen Jahr um 19%, was Moodys vor allem mit dem schwachen Abschneiden des Versicherungsgeschäfts der DZ Bank begründet.

Steigende Zinsen machen Banken profitabler – insbesondere im Vergleich zu den Risiken, die Banken dafür eingehen müssen: In Relation zu den risikogewichteten Aktiva (RWA) stieg der Anteil des Zinsüberschusses allein im zweiten Halbjahr 2022 gegenüber dem ersten Halbjahr von 2,8 auf 3,4% – dem höchsten Level seit dem ersten Halbjahr 2019. Banken konnten dadurch ihre RWA-Effizienz erhöhen und ihren Vorsteuergewinn in Relation zu den RWA im selben Zeitraum im Schnitt von 1,4 auf 1,7% steigern. Im Gesamtjahr verbesserte sich die Ratio gegenüber dem Vorjahr von 1,3 auf 1,5%, wobei die Bandbreite am unteren Ende bei 0,9% und am oberen Ende bei 3% lag.

Deutsche Banken verbuchten im vergangenen Jahr besonders in der zweiten Jahreshälfte über Gewinnzuwächse.

Die Frage ist, wie nachhaltig dieser Profitabilitäts-Boost ist. Moodys glaubt, dass die Banken mit Blick auf die Profitabilität auch in diesem Jahr von steigenden Zinsen profitieren werden. Diese könnten in diesem Jahr jedoch bereits ihren Höhepunkt erreichen, sofern die Inflation weiter zurückgeht. Durch das langsamere Kreditwachstum und die steigenden Kosten für Einlagen könnten die Zugewinne beim Zinsüberschuss jedoch teilweise ausgleichen werden.

Höhere Refinanzierungskosten

Bislang haben die Banken stark davon profitiert, dass sie auf Einlagen weniger Zinsen zahlen mussten, als sie selbst bei deren Wiederanlage erhalten, doch der Wettbewerb unter den Banken bei Einlagen nimmt zu. Hinzu kommt, dass die Marktturbulenzen Anfang des Jahres mit den Pleiten mehrerer US-Regionalbanken und der Credit Suisse die Märkte verunsichert haben, was die Refinanzierungskosten für Banken erhöht. Wie aus dem am Freitag veröffentlichten Wirtschaftsbericht der EZB hervorgeht, ist der Finanzierungskostenindikator der Banken im Euroraum (Stichtag 3. Mai 2023) auf über 2% gestiegen und erreichte damit den höchsten Stand seit zehn Jahren. Sowohl die Refinanzierungskosten über Anleihen als auch Einlagen haben sich demnach erhöht. Für Druck sorgt das Auslaufen des TLTRO-Programms der EZB, über das sich Banken jahrelang quasi zum Nulltarif refinanzieren konnten.

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Risikokosten könnten steigen

Was die Banken hingegen bislang im Griff halten, sind ihre Risikokosten. Laut Moodys lagen diese 2022 weiterhin moderat bei 20 bis 21 Basispunkten des gesamten Kreditportfolios. Unter den betrachteten Banken sah sich lediglich die ING-DiBa im vergangenen Jahr aufgrund ihres Russland-Exposures zu höherer Vorsorge gezwungen. Die Quote leistungsgestörter Kredite am Gesamtportfolio (NPL-Quote) erreichte Ende 2022 mit 1,4% im Schnitt jedoch den niedrigsten Wert seit 2019.

Gestiegen sei jedoch für die meisten Banken seit Ende 2021 der Anteil jener Kredite, die sie als „zunehmend gefährdet“ einstufen. Wenn die Wirtschaft ins Stocken gerät, könnten steigende Zinssätze schwächere Haushalte und Unternehmen unter Druck setzen, was – wenn auch von einem sehr niedrigen Niveau aus – zu höheren NPL-Quoten führen.

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