KommentarHandelsstreit

Deal unterm Damoklesschwert

Es mag gute Gründe für die EU gegeben haben, sich am Sonntag auf den 15-%-Deal einzulassen. Aber diese Verständigung ist nicht das Ergebnis „fairer“ Verhandlungen, sondern einer neuen Form der Handelspolitik mit Drohungen, Ultimaten und jähen Kehrtwenden.

Deal unterm Damoklesschwert

EU-US-Handel

Deal unterm Damoklesschwert

Von Detlef Fechtner

Vieles von dem, was EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Sonntag nach Abschluss der Verhandlungen mit US-Präsident Donald Trump gesagt hat, klingt überzeugend. Dass 15% Zoll zwar für Europas Wirtschaft herausfordernd sind, dafür aber nun wenigstens Planungssicherheit herrsche. Und dass – zumindest was Autos angeht – die Angst vor deutlich höheren Zollsätzen gebannt ist. Man kann, auch wenn die Einkaufszusagen der Europäer in den USA sehr üppig ausgefallen sind, von der Leyen womöglich sogar dabei folgen, wenn sie behauptet, die 15% seien das Beste gewesen, was die EU kriegen konnte. Ja, vielleicht ist das so. Und immerhin enthält der Deal, so weit seine Inhalte bisher bekannt geworden sind, keine Zugeständnisse der EU im Bereich ihrer Gesetzgebung – unanständigerweise hatten die US-Verhandler ja Forderungen in diese Richtung geäußert.

Dass von der Leyen die Verhandlungen als „fair“ bezeichnet, ist aber schwer nachvollziehbar: Trump hat in den vergangenen Monaten in der Handelspolitik – und nicht nur gegenüber der EU – eine völlig neue Verhandlungsführung etabliert. Mit Drohungen und Ultimaten hat er dafür gesorgt, dass Handelsgespräche zu erpresserischen Machtproben gewandelt wurden. Mit jähen Kehrtwenden werden Handelspartner absichtsvoll vor den Kopf gestoßen. Das Vertrauen, das eigentlich die Grundlage von Gesprächen über die Bedingungen des gegenseitigen Waren- und Dienstleistungsverkehrs bildet, ist verschwunden.

Deshalb: Von der Leyen hatte am Sonntag gewiss gute Gründe, den Deal einzugehen. Schließlich hätte ein ergebnisloser Besuch in Schottland Unternehmen und Märkte noch viel stärker verunsichert als sie ohnehin schon sind. Aber es war ein Deal unter dem Damoklesschwert. Die EU ist deshalb gut beraten, wenn sie ihre eigene Ansage für die künftige Handelspolitik sehr, sehr ernst nimmt: Durch den Abschluss von Partnerschaften und Freihandelsvereinbarungen so schnell und so weit wie möglich die Abhängigkeit vom bislang größten Zielland europäischer Exporte, den USA, zu reduzieren – um bei künftigen Armdrücken mit Trump weniger Zugeständnisse machen zu müssen. Die jüngsten Abkommen mit Indonesien, den Mercosur-Staaten und Mexiko müssen rasch konkretisiert werden. Und mit Kanada, Großbritannien, Indien und vielen anderen Volkswirtschaften ist, was den Handel angeht, noch ganz viel Luft nach oben.


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