KommentarGeldpolitik

Fed setzt EZB unter Druck

In den USA dürften bald mehrere Zinssenkungen anstehen. Die Wechselkurseffekte könnten größere Folgen für die EZB haben.

Fed setzt EZB unter Druck

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Das Zünglein
an der Waage

Von Martin Pirkl

In den USA dürften bald mehrere Zinssenkungen anstehen. Die Wechselkurseffekte könnten die Tauben in der EZB unterstützen.

Die Vorzeichen bei den beiden wichtigsten Notenbanken der Welt haben sich umgekehrt. Bislang war es die EZB, die in diesem Jahr die Geldpolitik gelockert hat, während die Fed eine Zinspause einlegte. Nun halten die Notenbanker der Eurozone die Leitzinsen stabil. Die Fed dürfte dagegen kommende Woche nicht zum einzigen Mal in diesem Jahr die Zinsen senken.

Die divergierende Geldpolitik macht den Dollar im Vergleich zum Euro in den kommenden Monaten unattraktiver. Dabei hat die Weltleitwährung in diesem Jahr aufgrund der ökonomisch schlecht durchdachten und politisch rabiaten Vorgehensweise des US-Präsidenten bereits ordentlich abgewertet. Eine weitere Aufwertung des Euro von derzeit rund 1,17 Dollar auf mindestens 1,20 ist wahrscheinlich.

Doppelter Effekt

Das könnte die Geldpolitik der EZB beeinflussen. Die Notenbank hat zwar kein Wechselkursziel, aber ein im Vergleich zum Euro schwächerer Dollar verbilligt Importe. Das senkt die Inflation. Außerdem werden Exporte aus der Eurozone in die USA teurer und damit unattraktiver. Das reduziert die wirtschaftliche Aktivität hierzulande und damit ebenfalls den Inflationsdruck.

Die beiden Effekte werden nicht riesig sein, doch sie könnten den Ausschlag dafür geben, ob die EZB in diesem Jahr noch ein letztes Mal die Geldpolitik lockert oder der Zinszyklus bereits abgeschlossen ist. Die Notenbank geht in ihrer neuen Projektion von einer Inflation von 1,7% im Durchschnitt des kommenden Jahres aus. Der Vorhersage liegt ein Wechselkurs von 1,13 in diesem und 1,16 im kommenden Jahr zugrunde. Wertet der Euro stärker auf, führt dies Ceteris paribus zu einer stärken Unterschreitung des Inflationsziels. 

Die Tauben im EZB-Rat, also die Verfechter einer eher lockeren Geldpolitik, könnten dies als Argument für eine letzte Zinssenkung zum Jahresende anführen. Zumal die Notenbank die Inflationsprognose für 2027 leicht gesenkt hat – womit sie nun zwei Jahre in Folge eine Teuerung unterhalb von 2% vorhersagt. Die Falken dürfte das nicht von der Notwendigkeit einer weiteren Zinssenkung überzeugen. Sie sehen hohe Hürden für diesen Schritt. Doch sind die Vertreter einer eher restriktiveren Geldpolitik zahlenmäßig im EZB-Rat deutlich in der Unterzahl. Je nachdem, wie sich die US-Zölle noch auf die Inflation im Euroraum auswirken werden, könnte der Wechselkurs am Ende das Zünglein an der Waage sein, wie der Zinsentscheid der EZB kurz vor Weihnachten ausfällt.