Die Abschaffung von Quartalsberichten ist ein zweischneidiges Schwert
Kapitalmarktderegulierung
Zweischneidiges Schwert
Quartalsberichte sind kein Reporting-Wildwuchs, den es zurückzuschneiden gilt. Zeitnahe Informationen geben Investoren Sicherheit, gerade auch bei IPOs.
Die Long-Term Stock Exchange (LTSE) hat mit ihrem Vorstoß zur Abschaffung von Quartalsberichten ein gutes Timing bewiesen. Nach den heftigen Marktturbulenzen vor dem Hintergrund von Trumps erratischen Sprüngen in der Handelspolitik und den Sorgen um die ausufernde US-Verschuldung sind die US-Börsen nicht nur in ruhigeres Fahrwasser gekommen; Nasdaq und S&P sind sogar erneut auf Rekordkurs. Vergessen erscheint die Phase von alarmierenden Kapitalabflüssen an den Aktienmärkten, stattdessen erweist sich die Wall Street erneut als starker IPO-Magnet – zuletzt vor allem für junge Fintech- oder Krypto-Unternehmen. Da nimmt sich das Umfeld für weitere Deregulierungsschritte am Kapitalmarkt günstig aus, zumal mit dem Argument, dass dies die Attraktivität für Börsengänge in den USA weiter erhöhen könnte.
Die LTSE kann sich bei ihrem Ansinnen auf die Unterstützung von US-Präsident Donald Trump und des von ihm im April ernannten neuen SEC-Chefs Paul Atkins stützen. Letzterer spricht sich zwar nicht unmittelbar für die Abschaffung von Unternehmens-Reporting im Dreimonatstakt aus, hält aber grundsätzlich eine Entschlackung der aus seiner Sicht ausufernden Berichtspflichten für geboten.
Weitreichende Folgen
Eine solche Änderung hätte in jedem Fall weitreichende Auswirkungen auf die globale Regulierungsbalance, insbesondere im Vergleich mit der Europäischen Union. Denn hier ist zwar mit der Transparenzänderungsrichtlinie bereits 2015 die Pflicht zur Erstellung von Quartalsberichten abgeschafft worden. In der Praxis blieb dies aber zumindest hierzulande ohne allzu große Relevanz. Die Deutsche Börse macht in ihrem eigenen Regelwerk im Prime Standard, dem praktisch alle Dax-Unternehmen unterliegen, vierteljährliche Mitteilungen mit wesentlichen Ertrags- und Finanzkennzahlen zur Auflage. Auch die Index-Regulierung gibt dies für Dax, MDax, SDax und TecDax vor.
Im Scale-Segment, das vor allem jungen Wachstumsunternehmen das Going Public erleichtern soll, gelten die Anforderungen nicht.
EU-weit ergibt sich unterdessen ein anderes Bild. Hier machen Schwergewichte in verschiedenen Ländern von der Lockerung Gebrauch. Dasselbe zeigt sich auch in den Nicht-EU-Ländern Schweiz und Großbritannien. So berichten unter anderem L’Oréal, Nestlé und Vodafone im ersten Quartal und nach neun Monaten im wesentlichen Umsatz- und Absatzkennzahlen. Allerdings orientiert sich das Gros der global agierenden Konzerne in der EU an den schärferen Standards der USA. Die vergleichsweise strikte Regulierung und Transparenz gilt nicht von ungefähr als Aushängeschild und Investorenanker im größten Kapitalmarkt der Welt.
Deregulierungsvorsprung in der EU
Wenig überraschend fällt das Echo von Investoren zu der nun in Rede stehenden Lockerung recht verhalten aus. Beifall ist nicht zu hören. Viele Anleger legen Wert auf zeitnah aufbereitete Informationen. Dies gilt naturgemäß umso mehr für junge Unternehmen, die den Kurszettel erst seit kurzem verlängert haben, wo Investoren mehr Transparenz und Sicherheit über den Geschäftsverlauf haben wollen. Ausufernde Berichtspflichten sind gerade für Startups auf dem Weg zur Börse zweifellos eine Bürde, die ein IPO auch abschreckend macht. Zeitlich weiter gestreckte Informationszeiträume sind aber ein zweischneidiges Schwert. Sie sind nicht zwingend geeignet, Börsengänge zu erleichtern. Denn eine solche Lockerung schränkt die Zeichnungsbereitschaft von Investoren voraussichtlich eher ein.
Aber auch bei etablierten Börsen-Schwergewichten, bei denen Anleger in der Regel auch größere Summen allokiert haben, besteht ein Bedürfnis nach engmaschiger Information zurecht. Das gilt vor allem dann, wenn die Firmen in Transformationsprozessen stecken oder aus anderen Gründen zu kämpfen haben. Studien haben gezeigt, dass Aktien von Unternehmen mit vierteljährlicher Berichtslogik im Durchschnitt über fünf Jahre um rund 60% und über zehn Jahre sogar um über 80% besser abschneiden als Titel von Firmen, die im Halbjahrestakt berichten. Erleichterung ist auch auf anderem Weg möglich: Statt Quartalsberichte abzuschaffen ließe sich doch auch die geforderte Informationsdichte einschränken.
Bessere Kursperformance