Trotz Rücktrittsforderungen

Japans Premier Ishiba will nicht gehen

Seit seiner Niederlage bei der Oberhauswahl am 20. Juli fragt sich das politische Japan, ob und wann Regierungschef Shigeru Ishiba das Handtuch wirft. Doch der Politiker zeigt sich stur und stemmt sich gegen den Druck.

Japans Premier Ishiba will nicht gehen

Japans Premier Ishiba will nicht gehen

Japans politische Welt befindet sich gerade in einem seltenen Schwebezustand: Shigeru Ishiba, seit Herbst 2024 Premierminister und Chef der Regierungspartei LDP, verlor binnen neun Monaten zwei Parlamentswahlen. Mangels Mehrheiten in beiden Parlamentskammern muss der 68-Jährige mit einzelnen Oppositionsparteien punktuell zusammenarbeiten, um Gesetze durchzubringen. Kein LDP-Premier erlebte seit der Gründung der Partei vor 70 Jahren jemals eine solche Krise. Daher erschallen aus seiner Partei seit der verlorenen Oberhauswahl vom 20. Juli tägliche Rücktrittsrufe. Nach einer Parteikonferenz am Montag berichtete ein LDP-Abgeordneter, die Mehrheit der Teilnehmer hätte sich von Ishiba den Rücktritt gewünscht, um „einen Schlussstrich zu ziehen und die LDP zu reformieren“.

„Ich habe ein dickes Fell“

Doch Ishiba beharrte auch nach dem Treffen darauf, im Amt zu bleiben, ließ aber offen, ob er nicht zu einem späteren Zeitpunkt seinen Platz an der Spitze von Regierung und Partei räumen würde. Seinen engsten Mitarbeitern sagte er, er habe ein „dickes Fell“. Sein inhaltliches Argument für den Amtsverbleib in Richtung Wähler: Er müsse aus nationaler Verantwortung noch sicherstellen, dass Japans nur mündlich verabredeter Zoll-Deal mit den USA in trockene Tücher kommt. Sein Hinweis an die Kritiker in der eigenen Partei: Die Wähler hätten die LDP wegen eines Parteispendenskandals und ihrer Nähe zur südkoreanischen Vereinigungskirche abgestraft, die Wahlniederlagen gingen nicht allein auf sein Konto.

Zu Ishibas Glück zeichnet sich aktuell keine überzeugende Alternative zu ihm ab. Einerseits sanken seine Zustimmungsraten, die von japanischen Verlagen per Umfrage im Monatsrhythmus ermittelt werden, zuletzt auf die niedrigsten Werte seiner Amtszeit. Andererseits hielten bei einer Umfrage der Zeitung „Asahi“ 47% der Befragten seinen Rücktritt nicht für notwendig. Bei einer anderen Umfrage von „TV Tokyo“ antworteten 60%, er solle zumindest vorläufig im Amt bleiben. Gemäß dieser Befragungen sind der liberale Agrarminister Shinjiro Koizumi und die ultrakonservative Ex-Ministerin für wirtschaftliche Sicherheit, Sanae Takaichi, die Favoriten auf die Nachfolge. Beide Politiker wollen sich jedoch offenbar erst aus der Deckung wagen, wenn Ishiba seinen Abgang verkündet hat.

Termingerüchte ohne Ende

Trotzdem spekulieren japanische Medien munter weiter, wann Ishiba seinen Hut nehmen könnte. Dafür kämen drei Termine in Frage: Entweder nach der außerordentlichen Parlamentssitzung Anfang August, nach dem 80. Jahrestag zum Ende des Zweiten Weltkrieges im Pazifik am 15. August oder nach der Afrika-Entwicklungs-Konferenz in Tokio am 22. August. Einige Konservative in der LDP wollen seinen Rücktritt vor dem 15. August, weil sie befürchten, er würde sich am Kriegsjahrestag bei den überfallenen Ländern entschuldigen. Der damalige Premier Shinzo Abe bekundete am 70. Jahrestag nur seine Reue und sagte, künftige Generationen sollten nicht mit der Pflicht belastet werden, sich zu entschuldigen.

Doch das Weiterregieren wird für Ishiba schwierig. Keine Oppositionspartei will in die Koalition aus LDP und Komei-Partei eintreten, weil niemand an eine Zukunft mit Ishiba glaubt. Zugleich schlossen sich soeben acht Oppositionsgruppen zusammen, um eine Sondersteuer von 25 Yen pro Liter Benzin abzuschaffen, was Ishiba bisher ablehnte. Das geschlossene Auftreten der Opposition spricht auch dafür, dass er demnächst gehen muss.

Von Martin Fritz, Tokio