Im InterviewMatthias Dießl, Sparkassenpräsident Bayern

„Das Wesentliche ist das Kundengeschäft“

Matthias Dießl, der neue Präsident des Sparkassenverbands Bayern, hat ein Jahrzehnt lang im Privat- und Firmenkundenbereich der Sparkasse Fürth gearbeitet. Im Interview plädiert er im Einklang mit dem DSGV, stärker auf die Kunden zu achten.

„Das Wesentliche ist das Kundengeschäft“

Herr Dießl, was wollen Sie beim Sparkassenverband Bayern erreichen?

Mit meinem Amtsstart hat der Deutsche Sparkassen- und Giroverband eine neue Geschäftsstrategie vorgestellt, die ich für sehr gut halte und die wir letztendlich auch in Bayern umsetzen wollen. Wir als Verband werden auch auf Basis des DSGV-Ansatzes den Sparkassen vor Ort helfen, ihre eigene Strategie zu bewerten und ihre Ziele zu erreichen.

Welche Themen sind wichtig?

Wir rücken die Kundenzufriedenheit wieder stärker in den Mittelpunkt. In der Vergangenheit haben wir viel Zeit und Ressourcen in regulatorische Themen stecken müssen. Nun tut es gut, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, und dies ist das Kundengeschäft. Eine hohe Kundenzufriedenheit führt automatisch dazu, eine gewisse Marktrelevanz und Stabilität zu halten und auszubauen.

Haben die Sparkassen in Bayern zuletzt Marktanteile verloren?

Wir sind insgesamt Marktführer. Natürlich versuchen da alle anderen Wettbewerber, an unseren Marktanteilen zu knapsen. Es gibt verschiedene Entwicklungen. Mal verliert man ein bisschen, mal gewinnt man auch was dazu. In der Baufinanzierung hat unser Marktanteil beispielsweise in den letzten fünf Jahren um 0,6 Prozentpunkte auf 33,6% leicht abgenommen, dafür ist er bei den Handwerkerkrediten um 4,6 Prozentpunkte auf 76% gestiegen.

Müssen die Sparkassen künftig eher Filialen eröffnen als schließen?

Erst einmal: Wir sind als Gruppe im Internet sehr leistungsfähig, und das wird stark nachgefragt. Unsere App hat auch in sämtlichen Bewertungen top abgeschnitten. Die 59 Sparkassen in Bayern sind darüber hinaus natürlich alle regional unterschiedlich unterwegs, und damit auch, was ihre jeweilige Filialstruktur angeht. In den letzten Jahren haben die Kosten uns belastet, so dass es da einen höheren Druck gab. Es wird weiterhin immer wieder Veränderungen geben, zum Beispiel weil alte Strukturen an die aktuelle Nachfrage angepasst werden. Aber das geht in beide Richtungen, denn immer wieder werden auch neue Geschäftsstellen an anderer Stelle eröffnet.

Wie kann der Verband die Sparkassen vor Ort unterstützen, die Kundenzufriedenheit zu erhöhen?

Wir helfen zunächst mit Erhebungen, den aktuellen Stand zu ermitteln. Daraus lässt sich dann ableiten, worauf es ankommt. Wie können wir die Produkte gut platzieren? Braucht es vielleicht in unserer zentralen IT eine Veränderung? Der Verband als wichtiges Bindeglied kann Ideen liefern und die Umsetzung in den Sparkassen unterstützen. Die Ambitionsniveaus werden wir allerdings nicht veröffentlichen.

Welche weiteren Ziele leiten Sie aus der DSGV-Strategie ab?

Die demografiebedingte Fachkräfteknappheit ist auch für uns ein großes Thema, denn diese Entwicklung zeichnet sich überall ab. Bei den Sparkassen gehen in den nächsten zehn Jahren 28% der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter planmäßig in den Ruhestand. Ohne Gegensteuern könnte eine Lücke von knapp 7.000 nicht besetzten Arbeitsplätzen entstehen. Da überlegen wir uns natürlich, wie wir damit umgehen können.

Was planen Sie?

Die Arbeitgebermarke reicht ja von der Sparkasse vor Ort mit dem regionalen Arbeitsplatz bis hin zu den Wertpapierspezialisten bei unserer Deka. Diese Vielfalt aufzuzeigen, das bewegt mich. Ich arbeite mit meinem Verband daran, Menschen für uns zu begeistern. Heutzutage spielen dabei beispielsweise  Social-Media-Kanäle eine besondere Rolle, auf der wir auch andere Stories erzählen und attraktive Insights in die vielfältigen Arbeitsmöglichkeiten bei der Sparkasse-Finanzgruppe bieten.

Reicht dies?

Wir werden die Abgänge nicht nur über neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgleichen können. Wir arbeiten gerade an vielen Fragen: Was kann IT beitragen, wo können wir automatisiert arbeiten? Wo und wie können wir künstliche Intelligenz sinnvoll einsetzen, um Effizienzgewinne zu realisieren und möglichen Lücken vorzubeugen?

Müssen Sie Frauen bessere Karrierechancen bieten?

Ja, denn 62% unserer Belegschaft sind Frauen. In den Führungsebenen dagegen haben wir Luft in der Entwicklung nach oben. Da liegen wir bei 22%. Uns ist wichtig, eine gezielte Förderung zum Beispiel über Mentoring-Programme zu betreiben. Dies gilt auch in den Vorstandsgremien. Dort wollen wir zum Beispiel bis zum Jahr 2030 in jedem Haus mindestens ein weibliches stellvertretendes Vorstandsmitglied haben, damit es möglichst viele berufungsfähige Frauen in Bayern gibt. Ganz wichtig ist aber aus meiner Erfahrung dabei die aktive Ansprache der möglichen Kandidatinnen.

Die Sparkassen haben ein erfolgreiches Jahr 2023 absolviert. Wo liegt das neue Ertrags-Normalniveau nach der Zinswende?

Das muss sich jetzt einpendeln. Das Zinsergebnis betrug vor der Niedrigzinsphase noch über 2% der durchschnittlichen Bilanzsumme. Im Jahr 2023 gab es zwar einen Profitabilitätssprung, aber mit 1,8% der DBS liegen wir im Moment trotzdem tiefer als vor dem Jahr 2015.

Und wohin geht die Reise?

Wir werden irgendwo zwischen den Niveaus vor der Niedrigzinsphase und im Jahr 2023 landen. Ob dieses Niveau nun 1,7 oder 1,8% ist? Wir gehen davon aus, dass es sich mindestens auf einem Niveau in dieser Größenordnung einpendelt, weil die letzten Jahre herausfordernd für die Gruppe waren. Wegen der rückläufigen Erträge mussten wir ja viel auf der Kostenseite erarbeiten.

Sind die Sparkassen auf die eingetrübte wirtschaftliche Lage auf der Risikoseite ausreichend vorbereitet?

Wir sind gut gewappnet, um mit mehr Kreditausfällen als in den letzten Jahren zurechtzukommen. Nicht zuletzt im Jahr 2023 konnten wir mit unseren höheren Erträgen auch eine deutlich erhöhte Risikovorsorge treffen.

Haben die Sparkassen nicht wie alle Banken über die vergangene Dekade ein wenig das Gefühl für Kreditausfälle verloren?

Das Risikobewusstsein der Sparkassen war die ganze Zeit gegeben. Das zeigt sich auch daran, dass sie bei jüngsten Entwicklungen im Immobilienbereich nicht besonders betroffen waren. Aber auch wenn wir in den letzten Jahren risikobewusst waren, werden aktuell neue Risiken in den Bereichen Bauen und Handel schlagend – den Markt für Gewerbeimmobilien müssen wir alle fest im Auge behalten.

In der Öffentlichkeit hat sich der Eindruck festgesetzt, dass die Sparkassen für Einlagen zu wenig Zinsen zahlen.

Die öffentliche Diskussion hat sich halt sehr stark auf den Tageszins konzentriert. Tagesgeldkonten sind aber nur einer von vielen Aspekten. Unser Ansatz ist es, insgesamt ein Komplettpaket von ausgewogenen Konditionen anzubieten. Wir haben unseren Kundinnen und Kunden beispielsweise geholfen, die guten Zinssätze aus dem Festzinsbereich und über Sparkassenbriefe längerfristig zu sichern, auch wenn uns demnächst Zinssenkungen bevorstehen. Da konnten viele Mittel umgeschichtet werden. Wenn jemand Geld langfristig anlegen kann, dann ist er mit dem Tagesgeld sowieso völlig falsch unterwegs.

Stehen Zusammenschlüsse von Spitzeninstituten an?

Sinnvolle Synergien gehen wir natürlich an. Ein Beispiel ist der Zusammenschluss zur LBS Süd im vergangenen Jahr. Natürlich kann es da irgendwann einen Schritt weitergehen. Aber das ist nichts, das im nächsten oder übernächsten Jahr passieren muss.

Die BayernLB würde vom Freistaat sowieso nicht in eine Fusion geführt.

Genau. Zudem sind die Landesbanken ja extrem unterschiedlich mit ihren jeweiligen Anteilsverhältnissen. Die Sparkassen spielen mal eine größere Rolle und mal eine kleinere.

Und wie sieht es auf der Seite der öffentlichen Versicherer aus?

Die Versicherungskammer Bayern ist ja schon in unterschiedlichen Regionen präsent. Wir können eine dezentrale Struktur mit verschiedenen Gesellschaften aufrechterhalten und trotzdem Effizienzen in der Zusammenarbeit heben. Wenn sich da etwas ergibt, dann denken wir darüber nach. Aber im Moment steht nichts an.

Muss der Sparkassenverband effizienter werden?

Auch wir denken natürlich über unsere Aufstellung nach. Wir erproben gerade, welche Folgen die neue DSGV-Geschäftsstrategie hat: Wo sollten wir im Verband Veränderungen vornehmen, sodass auch wir richtig unterwegs sind? Es stehen keine fundamentalen Eingriffe an, aber Nuancen können angepasst werden. Die Bedarfsfelder, die der Fokus auf die Kunden bringt, wollen wir innerhalb unseres Verbandes ganz stark abbilden.

Wie werden die Sparkassen im Jahr 2024 abschneiden?

Das Jahr ist noch zu jung, um wirklich konkrete Aussagen zu machen. Nachdem das Kredit-Neugeschäft im vergangenen Jahr zurückgegangen ist, können wir uns im bisherigen Jahresverlauf speziell bei Wohnungsbaukrediten leicht steigern, allerdings beziehen sich die nur auf den Zweitmarkt – der Erstmarkt findet immer noch nicht statt, die Menschen wollen nicht bauen, sondern kaufen. Das Neugeschäft mit Unternehmenskunden ist allerdings im Moment noch leicht rückläufig. Insgesamt gehen wir davon aus, dass wir beim Betriebsergebnis leicht unter dem – wirklich guten – Niveau des Jahres 2023 liegen werden.

Im Gespräch: Matthias Dießl

„Das Wesentliche ist das Kundengeschäft“

Der neue Präsident des Sparkassenverbands Bayern will die Zufriedenheit am Bankschalter erhöhen – Die Knappheit an Fachkräften trifft Kreditinstitute hart

Matthias Dießl ist ein Kenner der operativen Arbeit von Sparkassen. Der neue Präsident des Sparkassenverbands Bayern hat ein Jahrzehnt lang im Privat- und Firmenkundenbereich der Sparkasse Fürth gearbeitet. Nun plädiert er im Einklang mit dem DSGV, an dessen Spitze sein Vorgänger steht, stärker auf die Kunden zu achten.

Das Interview führte Michael Flämig.

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