LeitartikelAnleihemarkt

Aufgeschoben, aber nicht aufgehoben

Die Leitzinssenkung für Juni in den USA ist vom Tisch. Aber die Zinssenkung ist nur aufgeschoben, sie kommt gewiss.

Aufgeschoben, aber nicht aufgehoben

Bondmärkte

Aufgeschoben, aber nicht aufgehoben

Die US-Leitzinssenkung findet im ersten Halbjahr nicht mehr statt. Aber sie ist nur aufgeschoben, keinesfalls aufgehoben.

Von Kai Johannsen

Aufgeschoben ist bekanntlich nicht aufgehoben. Und so muss man es auch bei der US-Notenbank sehen. Eines ist nun klar, eine Zinssenkung der Fed noch in der ersten Jahreshälfte ist definitiv vom Tisch. So müssen die Äußerungen von Fed-Chef Jerome Powell gewertet werden. In der jüngeren Vergangenheit hat die Fed keine größeren Fortschritte mehr in Sachen Teuerungsbekämpfung gemacht. Mit einer Inflationsrate von 3,5% liegt die Fed ein gutes Stück von ihrem Zielwert von 2% entfernt – und das trotz des hohen Leitzinses, der nun jüngst in der Spanne von 5,25% bis 5,50% gelassen wurde. Laut Powell ist eine Zinswende derzeit nicht angebracht, weil man eben mehr Zuversicht haben muss, dass der Zielwert erreicht wird. Und das dauert offenkundig länger als bisher gedacht. Powell hat aber auch klargemacht, dass eine Zinsanhebung nicht wahrscheinlich ist. Damit bleibt die Tür für Zinssenkungen auf, sie kommen nur eben später.

Anfang des Jahres galt ein zügiges Einleiten der Zinswende in den USA als ausgemachte Sache. Auf 150 Basispunkte (BP) Senkung hatten sich Marktteilnehmer im Schnitt seinerzeit eingestellt. Nun erwarten sie im Schnitt noch 35 Basispunkte in diesem Jahr. Da die Fed nicht gerade für forsches Handeln bekannt ist, könnte sich der Schritt noch bis in das vierte Quartal hinein verschieben, bis die Fed wieder die notwendige Zuversicht in Sachen Inflation hat. Für die Märkte heißt das: higher for longer. Und damit könnten dann auch die Renditen der US-Staatsanleihen in die Höhe gehen, bei den zehnjährigen US-Treasuries über 5%. Diese Marke wurde zuletzt im Oktober 2023 getestet und damit seinerzeit der höchste Stand seit 16 Jahren markiert. Viele Fondsmanager stellen sich ohnehin auf höhere Treasuryrenditen in den nächsten Wochen und Monaten ein, wie Umfragen von Bank of America zeigen. Danach sind die Allokationen in Bonds auf dem tiefsten Stand seit 2003. Aber wenn die Zinswende kommt, sollten Anleger in Bonds positioniert sein. Denn mit der ersten US-Zinssenkung beginnt auch die gute Performance der Anleihen. Das war in der Vergangenheit praktisch immer so.

In diesem Umfeld ist dann auch damit zu rechnen, dass die Fondsmanager – und nicht nur sie – ihre Gewichte in Fixed-Income-Papieren wieder hochfahren. Allein dieses Hochfahren bedeutet ja ein kräftiges Einsteigen in den Markt, mit dem Ergebnis, dass die Renditen der US-Staatsanleihen dann den Rückwärtsgang einlegen. Für den US-Rentenmarkt spricht zudem die Zinsdifferenz zu anderen Märkten. Zwischen den Bundespapieren und den US-Treasuries liegt der Renditespread im zehnjährigen Laufzeitenbereich bei rund 200 BP. Bei den japanischen Pendants ist der Abstand aktuell bei guten 350 BP. Auch das zieht verständlicherweise Kapital an, wenn sich andernorts mehr Zinsertrag erwirtschaften lässt und zudem Aussicht auf üppige Kursgewinne besteht.

In den kommenden Wochen werden die Marktakteure mehr noch als sonst die hereinkommenden US-Daten darauf abklopfen, inwieweit sie geeignet sind, die Inflationsrate weiter in Richtung 2%-Zielwert zu befördern. Im Blick behalten Marktteilnehmer dabei auch den Konsum. Im Markt wird darauf aufmerksam gemacht, dass die während der Covid-19-Pandemie gebildeten (Überschuss-)Ersparnisse nun abgebaut sind. Das hat zuvor den Konsum unterstützt, eine Stütze, die die US-Wirtschaft nun nicht mehr haben wird. Hinzu kommt, dass die höheren Zinsen Unternehmen nicht sofort belasten, sondern erst, wenn sie über eine höhere Refinanzierung auch festgezurrt werden. Erinnert sei an die lange Zeit der Null- und Negativzinsen, in der Unternehmen gern und vor allem reichlich Liquidität aufgebaut haben. So langsam dürfte die eine oder andere Adresse aber die höheren Zinsniveaus spüren. Und gestiegene Refinanzierungskosten belasten die Unternehmen, im Ergebnis bekommt die Konjunktur dadurch zumindest einen – kleinen – Dämpfer. Und so könnte sich die Fed bei schwächerer Konjunktur, die auf das Preisniveau senkend wirkt, dann vielleicht doch etwas schneller zu Zinssenkungen veranlasst sehen und agieren, was dann den Startschuss für die Bondmärkte für gute Erträge liefert. Nur kommt sie dieses Mal eben nach der EZB, die den Startschuss in Sachen Zinswende im Juni abfeuern wird.

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