GastbeitragDigitalisierung in der Immobilienbranche

Proptech-Krise: Ohne Branchenkenntnis geht es nicht

Die Immobilienbranche steht vor der Herausforderung der digitalen Transformation. Proptech-Unternehmenkönnen sie dabei unterstützen. Dafür reicht Innovationskraft jedoch nicht aus.

Proptech-Krise: Ohne Branchenkenntnis geht es nicht

GASTBEITRAG

Proptech-Krise: Ohne Branchenkenntnis geht es nicht

Die Immobilienbranche ist bekanntermaßen zurückhaltend, wenn es um Veränderungen geht. Doch die anhaltenden wirtschaftlichen Herausforderungen, die verstärkten regulatorischen Richtlinien und die Chancen, die sich durch neue Technologien eröffnen, machen die Notwendigkeit einer digitalen Transformation deutlich. Deshalb gilt: Statt die Krise einseitig zu beklagen, sollte die Branche sie als Gelegenheit nutzen, um Innovationen und neue Strategien voranzutreiben. Proptech-Unternehmen stehen seit längerem symbolisch für diesen Wandel und müssen gerade jetzt ihren Mehrwert unter Beweis stellen. Die Chancen dafür könnten schlechter stehen. Denn in der Vergangenheit hat schon so manche Krise unfreiwillig dabei geholfen, längst notwendige Transformationsprozesse in Gang zu setzen.

Schwierige Phase

Aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Lage befinden sich viele Proptech-Unternehmen in Deutschland, insbesondere junge Start-ups, allerdings in einer schwierigen Phase. Eine Reihe dieser Unternehmen musste sogar Insolvenz anmelden. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass nicht alle Proptech-Unternehmen als Start-ups betrachtet werden können. So stehen nicht alle Proptechs vor den gleichen Herausforderungen. Im Gegenteil: Etablierte Unternehmen, die mit soliden Lösungen, einem guten Product-Market-Fit und Immobilienmarkterfahrung einen erkenn- und rechenbaren Mehrwert schaffen, können sich behaupten. Insgesamt betrachtet ist die aktuelle Phase daher eher eine Phase der Marktkonsolidierung zugunsten von Qualität.

Begrenzte Exposition der Banken

Obwohl die Proptech-Krise vor allem Start-ups betrifft, ist die Frage nach den Auswirkungen auf die traditionellen Finanzinstitutionen nicht weniger wichtig. Die gute Nachricht ist, dass die direkte Exposition der Banken gegenüber den Risiken in diesem Sektor relativ begrenzt ist. Die meisten Proptech-Finanzierungen erfolgen durch Venture Capital oder Private Equity. Dennoch könnten indirekte Auswirkungen durch den Druck auf den Immobilienmarkt spürbar werden.

Innovation reicht nicht

Die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen: Innovation allein reicht nicht aus, um in einem volatilen Markt zu bestehen. Etablierte Proptech-Akteure mussten auch in vergangenen Konsolidierungsphasen ihre Anpassungsfähigkeit unter Beweis stellen und zeigen, dass sie in der Lage sind, lange Verkaufszyklen zu überleben. In der aktuellen Situation liegt ihr Vorteil nicht nur darin, dass sie die Branche und ihre wiederkehrenden Probleme gut kennen, sondern auch in ihrer Anpassungsfähigkeit an zum Beispiel ESG und andere neue regulatorische Anforderungen.

Hohe Markteintrittsbarrieren

Start-ups scheinen zumindest auf den ersten Blick im Vorteil zu sein, wenn sie mit disruptiven digitalen Ideen schnell auf den Markt kommen können. Doch gerade in der Immobilienwirtschaft kommt für Start-ups zu der üblichen Herausforderung der nachhaltigen Kapitalbeschaffung eine zusätzliche Schwierigkeit hinzu: sich in einem traditionell trägen, mittelständisch geprägten und stark regulierten Markt mit hohen Markteintrittsbarrieren wie der Immobilienwirtschaft zu etablieren. Innovationen allein reichen ohne fundierte Branchenkenntnisse nicht aus.

Dotcom-Blase ist noch präsent

Die Erinnerungen an die Dotcom-Blase sind in der Technologie- und Investorenwelt noch immer präsent und dienen oft als Warnung vor übermäßigem Optimismus. Doch während es Parallelen in Form von Überbewertungen und einer Welle von Investitionen in unausgereifte Geschäftsmodelle gibt, unterscheidet sich die heutige Proptech-Szene grundlegend. Die Technologien sind ausgereifter, und die Immobilienbranche bietet eine solide Grundlage für digitale Geschäftsmodelle, die über bloße Spekulationen hinausgeht. Dennoch ist die Lehre klar: Nur durch nachhaltige Innovationen, die messbaren ROI bringen, können Proptech-Unternehmen langfristig erfolgreich sein.

Chance für solide Anbieter

Angesichts der zahlreichen Insolvenzen, von denen vor allem Start-ups betroffen waren und sind, und der allgemeinen Investitionszurückhaltung in der Immobilienwirtschaft könnte man meinen, dass die dringend notwendige digitale Transformation gefährdet ist. Unberechtigt ist diese Annahme nicht, jedoch ist diese Marktphase für Unternehmen, die solide Lösungen und wegweisende Geschäftsmodelle haben, vielmehr eine Chance.

Nachfrage steigt

Denn trotz oder gerade wegen der aktuellen Krise steigt die Nachfrage nach digitalen Lösungen, insbesondere im ESG-Bereich, der durch zunehmende regulatorische Anforderungen immer komplexer wird. Dies wird auch durch die Entwicklung des Vorjahres unterstrichen, in dem die Zahl der Neugründungen von Start-ups im Proptech-Sektor die Zahl der Insolvenzen deutlich übertraf. Das verdeutlicht den enormen Bedarf in diesem Bereich.

Zentrale Akteure

Was die Branche tatsächlich nicht benötigt, sind zusätzliche Unsicherheiten. Gerade deshalb spielen stabile und etablierte Proptech-Unternehmen eine essenzielle Rolle, um die digitale Transformation auf eine effiziente, transparente und vor allem nachhaltige Weise voranzutreiben. Sie bieten ausgereifte Tools an, die in Bereichen wie ESG-Compliance, Datenaufbereitung und Prozessoptimierung zu einer deutlichen Vereinfachung führen können. Somit bleiben sie zentrale Akteure für die benötigte Umgestaltung der sich nur langsam reformierenden Branche, die digitales Know-how meist nicht von innen heraus bereitstellen kann.

Belebung des Wettbewerbs

Gleichzeitig beleben Proptechs den Wettbewerb und fordern etablierte Immobilienunternehmen heraus, die sich weigern, ihre Geschäftsmodelle zu reformieren. Diese Dynamik ist entscheidend, um die Branche an die sich wandelnden Anforderungen anzupassen und ihre langfristige Resilienz zu sichern. Doch ohne Unterstützung und Selbsterkenntnis der Branche geht es nicht. Hier muss ein strategisches Umdenken stattfinden, das zu einer sinnvollen Innovationslust und einem Digital Mindset führt. Nur so können künftige Herausforderungen im Zusammenspiel von etablierten und jungen Unternehmen gemeistert werden.

Verena Rock

Leiterin des Instituts für Immobilienwirtschaft und -management,
TH Aschaffenburg

Alexandre Grellier

CEO und
Co-Founder
von Drooms

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.